Everything drug cartels do to survive and prosper they've learnt from big business - brand value and franchising from McDonald's, supply chain management from Walmart, diversification from Coca-Cola. Whether it's human resourcing, R&D, corporate social responsibility, off-shoring, problems with e-commerce or troublesome changes in legislation, the drug lords face the same strategic concerns companies like Ryanair or Apple. So when the drug cartels start to think like big business, the only way to understand them is using economics.
In Narconomics, Tom Wainwright meets everyone from coca farmers in secret Andean locations, deluded heads of state in presidential palaces, journalists with a price on their head, gang leaders who run their empires from dangerous prisons and teenage hitmen on city streets - all in search of the economic truth.
In Narconomics, Tom Wainwright meets everyone from coca farmers in secret Andean locations, deluded heads of state in presidential palaces, journalists with a price on their head, gang leaders who run their empires from dangerous prisons and teenage hitmen on city streets - all in search of the economic truth.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.10.2016Fair gehandeltes Kokain
Die Drogenmafia als Geschäftsmodell
300 Milliarden Dollar setzt der internationale Drogenhandel jährlich um. Die Summe steigt von Jahr zu Jahr. Das Geschäft wird hochprofessionell betrieben, und die ökonomischen Praktiken gleichen denen weltweiter Erfolgsfirmen. Was Drogenkartelle mit Großkonzernen wie H&M, Coca-Cola, Wal-Mart und McDonald's gemeinsam haben, beschreibt Tom Wainwright. Sein im Februar 2016 in New York erschienenes, soeben ins Deutsche übersetzte Buch liest sich flockig und spannend.
Auf sein Thema kam Wainwright, als er 2010 als Journalist nach Mexico-Stadt geschickt wurde, um über Mittelamerika, die Karibik und das Grenzgebiet zwischen Mexiko und den Vereinigten Staaten zu berichten. Offenbar hat er sich um das Thema nicht gerissen: "Diese Geschichte handelt davon, was geschah, als ein nicht besonders mutiger Wirtschaftsjournalist beauftragt wurde, über die exotischste und brutalste Branche der Welt zu schreiben", heißt es am Anfang seines Buches. Er ging oft nicht ohne Zittern zu den Gesprächen mit Bandenmitgliedern, Profikillern und anderen Informanten.
"Je mehr ich über ,el narcotráfico' recherchierte, desto mehr erinnerte mich das Ganze an ein globales, straff organisiertes Geschäft", sagt er. Die Drogenbarone mit ihrem Lamentieren über Personal, Lieferanten, Konkurrenz und staatliche Auflagen seien ihm wie die Manager großer Unternehmen vorgekommen, ihre Probleme wie die anderer Unternehmen auch. Das brachte ihn auf die Idee, dass sich Verbrechen im Drogengeschäft wirksamer bekämpfen lassen, wenn man Drogenkartelle als Wirtschaftsunternehmen begreift. So begann er sein ökonomisches Wissen anzuwenden und die Branche zu Stichworten wie Wertschöpfung, Personal, und Marketing, Franchising und Internet-Handel zu durchleuchten.
Gleich im ersten Kapitel über die Kokainlieferkette identifiziert Wainwright Drogenkartelle als "Monopsone". Denn wie die Supermarktkette Wal-Mart diktierten sie als regionale Einkaufs-Monopolisten Niedrigpreise, schreibt Wainwright. Koka-Bauern, die pro Tag kaum mehr als 2 Dollar verdienen, könnten gar nicht anders, als ihre Ernte an diese Abnehmer zu verkaufen. Der Preis für Koka-Blätter lasse sich nicht durch künstliche Verknappung in die Höhe treiben. Das Vernichten von Koka-Feldern zur Unterdrückung der Nachfrage nach Kokain sei deshalb die falsche Politik. Zumal die Kosten für Koka-Blätter nur einen verschwindend geringen Anteil am Endpreis von Kokain ausmachten. Wie anderes Rauschgift verteuert es sich, je mehr Strecke es zurücklegt.
Rohstofflieferanten scheinen für Drogenkartelle das geringste Problem. Mehr Sorgen mache ihnen wegen hoher Fluktuation, Unzuverlässigkeit und Inkompetenz ihr Personal, das sie prinzipiell aus Gefängnissen rekrutieren. Um Mitarbeiter zu binden, kennzeichnen Drogenbanden in El Salvador ihre Leute durch Ganzkörper-Tätowierungen, die jeden Neuanfang im normalen Erwerbsleben verhindern. Mexikanische Kartelle begnügen sich mit Polohemden und Baseball-Kappen mit Logo. Job-Hopper laufen allerdings Gefahr, ohne Kopf aufgefunden zu werden. Für viele Aufgaben würden freie Mitarbeiter beschäftigt. Bei Differenzen werde dennoch möglichst Gewalt vermieden. Da es schwierig sei, Angestellte zu finden, seien Drogenhändler sogar eher als legale Unternehmen bereit, Fehler zu verzeihen.
Tatsächlich scheint brutale Gewalt nicht immer das Mittel der Wahl. Wainwright berichtet von diplomatisch beigelegten Konflikten zwischen rivalisierenden Gruppen und von der freiwilligen Aufteilung von Monopolgebieten in kleinere Segmente. Exzessive Gewalt im Drogenhandel sieht der Autor vor allem beim Transit von Nachschub in Abnehmerländer. Besonders schlimm sei es in Ciudad Juárez an der mexikanischen Grenze zu den Vereinigten Staaten, "wo die Morde gelegentlich epische Ausmaße erreichen".
Analog zu McDonald's und Burger King setzen Drogenkartelle auf Franchising als erfolgreiches Geschäftsmodell. Die mexikanische Zeta etwa expandiert über lokale Gangsterbanden, die Ortskenntnis und Kontakte mitbringen. Das Verfahren ist nicht ohne Risiko: "Im Drogenhandel wie beim Burgerbraten sind Franchise-Nehmer nie ganz so loyal wie reguläre Angestellte", sagt Wainwright.
Hoch im Kurs steht auch das Marketing. Gezielte Werbung, der Einsatz von Online-Medien und die Einschüchterung der Presse sorgen dafür, dass vor allem die Bosse in der Öffentlichkeit durchaus nicht immer in negativem Licht gesehen werden: "Ein absonderliches Merkmal des Drogengeschäfts besteht darin, dass die Leute an der Spitze einen besseren Ruf genießen als die meisten anderen Gangster und sogar viele Politiker", stellt Wainwright fest. Kein Wunder, denn Drogenbarone polieren oft mit großzügigen Spenden ihr Image auf. Mancherorts investieren sie in den Bau von Kirchen und versorgen Arme und Alte mit laufenden Zahlungen.
Offshore-Praktiken gehören ebenfalls zum Instrumentarium. "Drogenbaronen liegt die Welt schon sehr lange zu Füßen", heißt es. Die Unterdrückung des Handels an einem Ort habe stets die Verlagerung an einen anderen zur Folge gehabt. Mit wachsendem E-Commerce hat auch der Drogenhandel im Netz zugenommen. Wie andere Einzelhändler senken Drogendealer dort ihre Kosten und bieten mehr Service. Wainwright sagt, Online-Shopping über das Deep Web sei für Dauerkunden längst ein angstfreier Beschaffungsweg - mit Bewertungen wie bei Ebay, Ersatz für ausgefallene Lieferungen und Offerten für "fair gehandeltes Kokain".
Sein Fazit: "Regierungen sollten erwägen, Drogenmärkte zu gestalten, anstatt sie ohne Rücksicht auf Verluste stillzulegen." Statt Verboten rät er zu kontrollierter Legalisierung. Bei harten Drogen wie Heroin plädiert er für kostenfreie ärztliche Verschreibung für Schwerstabhängige nach Schweizer Vorbild. Die wachsende Flut legaler, gleichwohl gefährlicher Designerdrogen auf dem Markt will er ebenfalls reguliert sehen, auch wenn es äußerst schwierig erscheint, deren Produzenten in die Schranken zu weisen.
ULLA FÖLSING
Tom Wainwright: Narconomics. Blessing-Verlag, München 2016, 352 Seiten. 19,99 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die Drogenmafia als Geschäftsmodell
300 Milliarden Dollar setzt der internationale Drogenhandel jährlich um. Die Summe steigt von Jahr zu Jahr. Das Geschäft wird hochprofessionell betrieben, und die ökonomischen Praktiken gleichen denen weltweiter Erfolgsfirmen. Was Drogenkartelle mit Großkonzernen wie H&M, Coca-Cola, Wal-Mart und McDonald's gemeinsam haben, beschreibt Tom Wainwright. Sein im Februar 2016 in New York erschienenes, soeben ins Deutsche übersetzte Buch liest sich flockig und spannend.
Auf sein Thema kam Wainwright, als er 2010 als Journalist nach Mexico-Stadt geschickt wurde, um über Mittelamerika, die Karibik und das Grenzgebiet zwischen Mexiko und den Vereinigten Staaten zu berichten. Offenbar hat er sich um das Thema nicht gerissen: "Diese Geschichte handelt davon, was geschah, als ein nicht besonders mutiger Wirtschaftsjournalist beauftragt wurde, über die exotischste und brutalste Branche der Welt zu schreiben", heißt es am Anfang seines Buches. Er ging oft nicht ohne Zittern zu den Gesprächen mit Bandenmitgliedern, Profikillern und anderen Informanten.
"Je mehr ich über ,el narcotráfico' recherchierte, desto mehr erinnerte mich das Ganze an ein globales, straff organisiertes Geschäft", sagt er. Die Drogenbarone mit ihrem Lamentieren über Personal, Lieferanten, Konkurrenz und staatliche Auflagen seien ihm wie die Manager großer Unternehmen vorgekommen, ihre Probleme wie die anderer Unternehmen auch. Das brachte ihn auf die Idee, dass sich Verbrechen im Drogengeschäft wirksamer bekämpfen lassen, wenn man Drogenkartelle als Wirtschaftsunternehmen begreift. So begann er sein ökonomisches Wissen anzuwenden und die Branche zu Stichworten wie Wertschöpfung, Personal, und Marketing, Franchising und Internet-Handel zu durchleuchten.
Gleich im ersten Kapitel über die Kokainlieferkette identifiziert Wainwright Drogenkartelle als "Monopsone". Denn wie die Supermarktkette Wal-Mart diktierten sie als regionale Einkaufs-Monopolisten Niedrigpreise, schreibt Wainwright. Koka-Bauern, die pro Tag kaum mehr als 2 Dollar verdienen, könnten gar nicht anders, als ihre Ernte an diese Abnehmer zu verkaufen. Der Preis für Koka-Blätter lasse sich nicht durch künstliche Verknappung in die Höhe treiben. Das Vernichten von Koka-Feldern zur Unterdrückung der Nachfrage nach Kokain sei deshalb die falsche Politik. Zumal die Kosten für Koka-Blätter nur einen verschwindend geringen Anteil am Endpreis von Kokain ausmachten. Wie anderes Rauschgift verteuert es sich, je mehr Strecke es zurücklegt.
Rohstofflieferanten scheinen für Drogenkartelle das geringste Problem. Mehr Sorgen mache ihnen wegen hoher Fluktuation, Unzuverlässigkeit und Inkompetenz ihr Personal, das sie prinzipiell aus Gefängnissen rekrutieren. Um Mitarbeiter zu binden, kennzeichnen Drogenbanden in El Salvador ihre Leute durch Ganzkörper-Tätowierungen, die jeden Neuanfang im normalen Erwerbsleben verhindern. Mexikanische Kartelle begnügen sich mit Polohemden und Baseball-Kappen mit Logo. Job-Hopper laufen allerdings Gefahr, ohne Kopf aufgefunden zu werden. Für viele Aufgaben würden freie Mitarbeiter beschäftigt. Bei Differenzen werde dennoch möglichst Gewalt vermieden. Da es schwierig sei, Angestellte zu finden, seien Drogenhändler sogar eher als legale Unternehmen bereit, Fehler zu verzeihen.
Tatsächlich scheint brutale Gewalt nicht immer das Mittel der Wahl. Wainwright berichtet von diplomatisch beigelegten Konflikten zwischen rivalisierenden Gruppen und von der freiwilligen Aufteilung von Monopolgebieten in kleinere Segmente. Exzessive Gewalt im Drogenhandel sieht der Autor vor allem beim Transit von Nachschub in Abnehmerländer. Besonders schlimm sei es in Ciudad Juárez an der mexikanischen Grenze zu den Vereinigten Staaten, "wo die Morde gelegentlich epische Ausmaße erreichen".
Analog zu McDonald's und Burger King setzen Drogenkartelle auf Franchising als erfolgreiches Geschäftsmodell. Die mexikanische Zeta etwa expandiert über lokale Gangsterbanden, die Ortskenntnis und Kontakte mitbringen. Das Verfahren ist nicht ohne Risiko: "Im Drogenhandel wie beim Burgerbraten sind Franchise-Nehmer nie ganz so loyal wie reguläre Angestellte", sagt Wainwright.
Hoch im Kurs steht auch das Marketing. Gezielte Werbung, der Einsatz von Online-Medien und die Einschüchterung der Presse sorgen dafür, dass vor allem die Bosse in der Öffentlichkeit durchaus nicht immer in negativem Licht gesehen werden: "Ein absonderliches Merkmal des Drogengeschäfts besteht darin, dass die Leute an der Spitze einen besseren Ruf genießen als die meisten anderen Gangster und sogar viele Politiker", stellt Wainwright fest. Kein Wunder, denn Drogenbarone polieren oft mit großzügigen Spenden ihr Image auf. Mancherorts investieren sie in den Bau von Kirchen und versorgen Arme und Alte mit laufenden Zahlungen.
Offshore-Praktiken gehören ebenfalls zum Instrumentarium. "Drogenbaronen liegt die Welt schon sehr lange zu Füßen", heißt es. Die Unterdrückung des Handels an einem Ort habe stets die Verlagerung an einen anderen zur Folge gehabt. Mit wachsendem E-Commerce hat auch der Drogenhandel im Netz zugenommen. Wie andere Einzelhändler senken Drogendealer dort ihre Kosten und bieten mehr Service. Wainwright sagt, Online-Shopping über das Deep Web sei für Dauerkunden längst ein angstfreier Beschaffungsweg - mit Bewertungen wie bei Ebay, Ersatz für ausgefallene Lieferungen und Offerten für "fair gehandeltes Kokain".
Sein Fazit: "Regierungen sollten erwägen, Drogenmärkte zu gestalten, anstatt sie ohne Rücksicht auf Verluste stillzulegen." Statt Verboten rät er zu kontrollierter Legalisierung. Bei harten Drogen wie Heroin plädiert er für kostenfreie ärztliche Verschreibung für Schwerstabhängige nach Schweizer Vorbild. Die wachsende Flut legaler, gleichwohl gefährlicher Designerdrogen auf dem Markt will er ebenfalls reguliert sehen, auch wenn es äußerst schwierig erscheint, deren Produzenten in die Schranken zu weisen.
ULLA FÖLSING
Tom Wainwright: Narconomics. Blessing-Verlag, München 2016, 352 Seiten. 19,99 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
An economics manual for the Breaking Bad generation... a fascinating account. The Times