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Vom königlich-bayerischen Hoflieferanten zu einem der führenden internationalen Kunsthändler für Alte Meister: das wechselhafte Schicksal einer deutsch-jüdischen Kunsthändlerdynastie. Konrad Bernheimer spürt der Frage der jüdischen Identität nach und gewährt Einblicke in den spannenden Alltag eines weltweit tätigen Kunsthändlers. Mitte des 19. Jahrhunderts zieht Lehmann Bernheimer nach München und baut auf der "Dult" seinen Stand für feine Kleiderstoffe auf. Daraus erwächst in wenigen Jahrzehnten eines der bedeutendsten Geschäfte des internationalen Kunst- und Antiquitätenhandels. Nach der…mehr

Produktbeschreibung
Vom königlich-bayerischen Hoflieferanten zu einem der führenden internationalen Kunsthändler für Alte Meister: das wechselhafte Schicksal einer deutsch-jüdischen Kunsthändlerdynastie. Konrad Bernheimer spürt der Frage der jüdischen Identität nach und gewährt Einblicke in den spannenden Alltag eines weltweit tätigen Kunsthändlers. Mitte des 19. Jahrhunderts zieht Lehmann Bernheimer nach München und baut auf der "Dult" seinen Stand für feine Kleiderstoffe auf. Daraus erwächst in wenigen Jahrzehnten eines der bedeutendsten Geschäfte des internationalen Kunst- und Antiquitätenhandels. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wird die Familie verfolgt und kann sich in letzter Minute ins Exil nach Venezuela retten. Otto Bernheimer reist bereits im Herbst 1945 zurück nach Deutschland, um die Firma wieder aufzubauen. Sein Enkel Konrad Bernheimer führt das Unternehmen seit 1977 in vierter Generation, erwarb im Jahr 2002 in der Londoner Bond Street das Haus Colnaghi, die älteste Kunsthandlung der Welt, und ist heute einer der international führenden Kunsthändler für Gemälde des sechzehnten bis achtzehnten Jahrhunderts.
Autorenporträt
Bernheimer, Konrad O.
Konrad O. Bernheimer, geboren 1950 in Venezuela auf einer Kaffeeplantage, Sohn eines deutsch-jüdischen Vaters und einer venezolanisch-katholischen Mutter, wächst in München auf und übernimmt nach einem Aufenthalt bei Christie's in London im Jahr 1977 das Münchner Haus Bernheimer. Vom Einrichtungshaus und Antiquitätenhandel verwandelt Konrad Bernheimer das Geschäft zum international tätigen Kunsthandel für Alte Meister. Er ist verheiratet, hat vier Töchter und pendelt zwischen München und London.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.10.2013

Wieso Neonröhren kaufen, wenn man Alte Meister haben kann?

Konrad O. Bernheimer ist einer der wichtigsten Kunsthändler der Welt. Die Chronik seiner Familie schreibt er als temperamentvolle Zeitgeschichte.

Von Rose-Maria Gropp

Den Einstieg in die 380 Seiten seiner Familiensaga hat Konrad O. Bernheimer mit Witz im besten Sinn des Worts gewählt. Es ist die Londoner Auktion im Juli 2012, bei der John Constables Gemälde "Die Schleuse" versteigert wurde. Eingeliefert worden war es von Carmen Cervera, der Witwe des Industriellen und Sammler-Barons Heinrich Thyssen-Bornemisza. Der hatte sich das Bild 1990 bei Sotheby's für damals eminente 9,8 Millionen Pfund zuschlagen lassen; das sollte sechzehn Jahre lang der Rekord für ein englisches Gemälde bleiben. Trotz starker Proteste des Stiftungsbeirats für das Thyssen-Museum in Madrid kam es zu der Versteigerung; die Schätzung lag jetzt bei zwanzig bis 25 Millionen Pfund. Es gibt nur telefonische Gebote, nach keinen zwei Minuten fällt der Hammer bei der unteren Taxe von zwanzig Millionen Pfund.

Mit dieser Eröffnung hat Bernheimer in nuce die Fährnisse seines aktuellen Geschäftsfelds umrissen: Oft ist es der Bedarf an Kapital, der hoch- und höchstrangige Werke Alter Meister überhaupt nur noch auf diesen immer stärker ausgetrockneten Markt bringt und dann eben gleich in eine Auktion. Der traditionelle Handel hat dort immer weniger Chancen auf einen Erwerb; denn übermächtig sind die privaten geldschweren Bieter, die in vielen Fällen hinter den Geboten an den Telefonen der Mitarbeiter des Auktionshauses stehen. Die Domäne der Bilderhändler klassischen Stils ist massiv bedroht, und das in zunehmendem Maße.

Konrad O. Bernheimer ist in der Gegenwart einer ihrer Doyens, der seine Sphäre leidenschaftlich verteidigt. Sein Buch "Narwalzahn und Alte Meister" legt davon Zeugnis ab - und auch davon, wie es dazu kam. Der Untertitel "Aus dem Leben einer Kunsthändler-Dynastie" verweist auf seine eigene Herkunft. Die Provinienz spielt im Markt nicht nur bei den Werken eine wichtige Rolle, sondern auch bei denen, die mit ihnen handeln: Bei Ungewissheit ist Reputation alles. Bernheimer ist darüber hinaus ein "mercator doctus", gleichermaßen bewandert auf der wirtschaftlichen wie auf der kunsthistorischen Seite seines Terrains. Genau deshalb ist sein Buch so unangestrengt lehrreich auch für Leute, die sonst wenig Affinität zum Kunstmarktgeschehen verspüren.

Außerdem schreibt Bernheimer Zeitgeschichte. Er rekonstruiert mit erzählerischer Verve die dramatische Historie, die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts mit dem jüdischen Händler Meier Bernheimer aus dem schwäbischen Buttenhausen beginnt, der auf dem Münchner Jahrmarkt "Seiden-Shawls-& Mode-Waren" ausstellt. Dessen Sohn Lehmann gründet 1864 dort die Firma für Stoffe, Möbelstoffe und Teppiche, unter deren Flagge Konrad O. Bernheimer bis heute segelt. Das Unternehmen prosperierte; es beliefert den Hof, stattet die Räume von Adel und Bourgeoisie aus - charmant am Rande: Thomas Mann lässt in seinem "Doktor Faustus" einen "bei Bernheimer in München erworbenen Lese- und Ruhestuhl" vorkommen, und Alfred Pringsheim hatte seinem jungen Schwiegersohn Thomas 1905 bei Bernheimer jenen Schreibtisch gekauft, der ihn lebenslang begleiten wird.

Die Bernheimers sind mit Leib und Seele Deutsche, etwas anderes ist für sie gar nicht vorstellbar. Ihr 1889 von Prinzregent Luitpold eingeweihtes Palais am Lenbachplatz gilt als "das größte Kunsthandelshaus der Welt". Sie lassen einige Federn, aber sie meistern auch die Weltwirtschaftskrise. Dann ergreift Hitler die Macht.

Die Schilderung des Schicksals der jüdischen Familie unter den Nationalsozialisten ist der anrührendste Teil des Buchs. Schlimmer als alle materiellen Verluste sind die seelischen Verletzungen; Bernheimers Vater Kurt wird von ihnen nicht genesen. Greifbar werden die fiesen Manipulationen des kunstgierigen Göring und seiner Entourage. Dass die Familie von Otto Bernheimer, Konrad O. Bernheimers Großvater, schließlich nach Venezuela emigrieren kann, liegt daran, dass eine Cousine Görings ihre heruntergewirtschaftete Kaffeeplantage dort für viel Geld loswerden will. Obwohl die Farm gedeiht, zieht es Otto Bernheimer 1945 sofort zurück nach München, zu seinen Geschäften. Wie dann sein Enkel, 1950 in Venezuela geboren und früh designiert als Nachfolger, das Heranwachsen neben dem verehrten, zugleich befremdlichen Großvater erlebt, ist ein Stück Leben aus dem Nachkriegsdeutschland.

Die zweite Hälfte des Buchs widmet Bernheimer seinem Werdegang, der sorgfältig überlegten Arrondierung seines eigenen Felds, vom Antiquitätenhändler mit Möbeln und chinesischem Porzellan hin zum führenden Altmeister-Spezialisten, der von London, wo er im Jahr 2002 die ehrwürdige Kunsthandlung Colnaghi erwirbt, wie von München aus agiert. Diese Vita ist, wie schon ihre Wurzeln und Anfänge, alles andere als exemplarisch. Aber sie ist ein starkes Exempel für händlerisches Geschick und ressentimentfreien Geist. Dass da ein gewisser Stolz auf die eigene Leistung durchscheint, ist verzeihlich, weil ein guter Humor mitschwingt. Außerdem kann kein Mensch ein Protagonist im weltweiten vanity fair sein, der da Kunstmarkt heißt, ohne ein gerüttelt Maß an Selbstbewusstsein.

Unbedingt ist Konrad O. Bernheimer - "Bernheimer Fine Old Masters" in Münchens feiner Brienner Straße - ein Mächtiger in seinem Revier. Seine führende Rolle in der "European Fine Art Foundation", von der die wichtigste Kunst- und Antiquitätenmesse der Welt alljährlich in Maastricht ausgerichtet wird, unterstreicht das. Dennoch hat er hier keinen Wirtschaftsbericht vorgelegt, sondern eine sehr persönliche Bilanz gezogen. Dass er (so gut wie) nicht aus dem Nähkästchen plaudert, war zu erwarten. Diskretion ist das oberste Gebot seines Berufs, das nur gebrochen wird, wenn es den eigenen Interessen dient, zwecks Vermeldung händlerischer Großtaten. Entsprechend gibt es auch nichts Konkretes über die "Three Musketeers", das von ihm gepriesene Konsortium mit dem Briten Johnny van Haeften und dem Amerikaner Otto Naumann; man tritt gemeinsam an, wenn der Preis für einen einzelnen zu hoch wird.

Ausgeführt sei hier wenigstens ein Beispiel: Im April 2010 ließ sich im Saal des Wiener Dorotheum Johnny van Haeften die phänomenale Allegorie "Der Mensch, der sich zwischen Tugenden und Lastern entscheiden muss" von Frans Francken II für 6,1 Millionen Euro zuschlagen. Aufgerufen bei gerade mal 400 000 Euro, kostete das Bild mit dem Auktionsaufgeld mehr als sieben Millionen Euro, der höchste Zuschlag jemals im österreichischen Kunstmarkt. Van Haeften agierte im Bunde mit Bernheimer und Naumann, hinzu kam in diesem Fall Roman Herzig von der Wiener Galerie Sankt Lucas. Auf der Messe in Maastricht tauchte das Prachtstück 2012 wieder auf, mit einem Angebotspreis von vierzehn Millionen Dollar. Für nicht dementierte zwölf Millionen Dollar kaufte es der amerikanische Investment-Magnat Edward Johnson III für das Museum of Fine Arts in Boston. Die Gewinnspanne ist leicht auszurechnen, exorbitant ist sie nicht zu nennen, immerhin aber eine Handvoll Dollar.

Auch Konrad O. Bernheimer hat seine Verstehensgrenzen. Besonders vor einem Rätsel steht er: Es ist die Gegenwartskunst. Es geht einfach nicht in seinen Kopf, dass ein paar Neonröhren, so etwa empfindet er die Lichtkunstwerke von Dan Flavin, derart hohe Preise erzielen können. Noch weniger leuchtet es ihm ein, wenn zum Beispiel ein ziemlich überdrehtes Mädchenbildnis des amerikanischen Malerstars John Currin mehr kosten kann als ein bezauberndes Jungfräulein des Lucas Cranach, das auf der Messe, selbstredend, an seinem Stand hängt. Auch wer diesen Einschätzungen nicht generell folgt, wird ihm in Sachen des Preisgefälles recht geben - womit man wieder bei der Kennerschaft und dem kunsthistorischen Wissen wäre.

Übrigens ist der Käufer von Constables "Schleuse" bis heute nicht bekannt. In Konrad O. Bernheimers Notizbuch, in das man schon gern mal schauen würde, steht der - russische - Name bestimmt. Und dort steht auch, dass das Bild an jene "dritte Partei" ging, die seinen Mindestpreis garantiert hatte, schon vor der Auktion. Auch mit solchen Gepflogenheiten muss der Kunsthandel umgehen lernen.

Konrad O. Bernheimer: "Narwalzahn und Alte Meister". Aus dem Leben einer Kunsthändler-Dynastie.

Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2013. 384 S., geb., 25,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Über Gegenwartskunst muss man nicht gleicher Meinung sein mit dem Autor, dem Kunsthändler Konrad O. Bernheimer, räumt Rezensentin Rose-Maria Gropp ein. Wenn es um Alte Meister geht allerdings, macht dem Mann keiner was vor, weiß sie. Bernheimers Familienchronik liest sie als fein erzählte persönliche Bilanz wie lehrreiche Zeitgeschichte, die mit der Erzählung vom Schicksal der jüdischen Familie Bernheimer während des Nationalsozialismus für Gropp anrührende Momente hat oder auch aufschlussreiche, etwa, wenn Bernheimer über den Wiederaufbau seines Kunsthandels im Nachkriegsdeutschland berichtet. Wenn der Autor manchmal Stolz mitschwingen lässt, findet Gropp das verzeihlich, auch weil Bernheimer Humor hat.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Ein klug verplaudertes,
anekdotenreiches Buch mit vielen Erwähnungen der weltweiten Klientel aus
Hochadel, reichen Sammlern und Museumsfürsten.
" Ulla Fölsing FAZ, 16.09.2013