Es war die große Liebe, Gisela und Jakob, und mit der Geburt ihrer zweiten Tochter, Nutrit, scheint ihr Familienglück komplett. Das Elternpaar ist glücklich und ihre fünfjährige Tochter Judith stolze große Schwester. Jakob ist ein bemühter Ehemann und Vater, Judith genießt die Abende, wenn Jakob aus
Tausendundeiner Nacht vorliest. Mit einem Mal ziehen dunklen Wolken auf, Gisela wird kurz nach der…mehrEs war die große Liebe, Gisela und Jakob, und mit der Geburt ihrer zweiten Tochter, Nutrit, scheint ihr Familienglück komplett. Das Elternpaar ist glücklich und ihre fünfjährige Tochter Judith stolze große Schwester. Jakob ist ein bemühter Ehemann und Vater, Judith genießt die Abende, wenn Jakob aus Tausendundeiner Nacht vorliest. Mit einem Mal ziehen dunklen Wolken auf, Gisela wird kurz nach der Geburt förmlich von Depressionen überfallen und zwei Monate später findet sie Nutrit tot in ihrem rosenroten Babybett. Gisela distanziert sich immer mehr von Judith und Jakob und scheint nach der Beerdigung ihren Verstand zu verlieren. Es kommt schließlich zur Trennung des Ehepaares. Gisela benötigt professionelle Hilfe, Jakob zieht aus und Judith wird zu einem Ehepaar, entfernt verwandt mit Jakob, von ihm in Obhut gegeben, denn er fühlt sich gänzlich überfordert und ohnmächtig. Doch es folgen weitere Schicksalsschläge. Wie viel kann ein Mensch, ein Herz, eine Seele ertragen?
Schwere Themen auf 144 Seiten. Plötzlicher Kindstod, Leben und Sterben, Trauma, Depressionen,...und mittendrin ein fünfjähriges Mädchen. Mich hat der Roman magisch angezogen, zunächst wegen dem Titel, denn ‘Narziss’ ist eine Figur aus der griechischen Mythologie, ein schöner junger Mann, der sich nach seinem Tod in eine Narzisse verwandelt haben soll. Auf dem Buchrücken steht “Bezaubernd und grausam wie im Märchen” und das war für mich kaum vorstellbar in Anbetracht der Thematik. Der Roman ist vier Kapitel unterteilt, in die vier Jahreszeiten, beginnend mit dem Tag der Sommersonnenwende, Nutrit’s Geburt, und es folgen Herbst, Winter und Frühling. Ein Buch, ein Jahr. Die Autorin hat mich schnell mit ihrer Sprache eingehüllt, eine Kunst mit Worten zu jonglieren. Sanft und zugleich gewaltig, weich und doch stark, poetisch und kristallklar, tragend und bezaubernd, ganze Sätze in Kopf und Herz verankert. Die Geschichte und die Geschehnisse erzählt A. Drumbl sehr wertfrei, sowohl das Handeln als auch die Gefühle werden nicht seziert, die unfassbaren Tragödien nicht auseinandergepflückt. Der Fokus liegt auf den Personen, unnötig füllende Beschreibungen gibt es nicht, sondern gezielt beschreibt und artikuliert sie die Gefühlswelt aus der jeweiligen Sicht, denn hier ist jede*r mit ihrer/seiner Trauer alleine, jede*r muss für sich mit den Schicksalsschlägen umgehen. Die Hilflosigkeit, Ängste und Schuldgefühle sind spürbar, aber auch die Hoffnung und Wärme, sowie die Anpassungsfähigkeit und vermeintliche Leichtigkeit eines Vorschulkindes.
Albträume und die Märchen aus “1001 Nacht” sind wiederkehrende Themen. Alle Geschehnisse sind wie ein einziger Albtraum und als Leser*in erlebt man sie wie im Zeitraffer. Albträume und Märchen einen jedoch zwei Dinge, zum einen sind sie schrecklich grausam, aber sie enden hoffnungsvoll und gut, entweder weil man daraus aufwacht oder die letzten Sätze liest.
Die Themen sind schwer, jedoch alltäglich, Leben und Tod begleiten uns alle. Die Sprache bezaubernd und besonders, wunderschön. Eine klare Leseempfehlung für dieses außergewöhnliche Buch.