Dieser Band enthält alle Schriften, die Ernst Fraenkel in den 40 Jahren von 1934 bis 1974 zum Thema "Nationalsozialismus und Widerstand" publizierte. Im Mittelpunkt steht eines seiner Hauptwerke, der 1941 auf englisch, 1974 auf deutsch erschienene "Doppelstaat". Erstmals wird in diesem Band der von Fraenkel selbst so bezeichnete "Urdoppelstaat" von 1938 veröffentlicht, der signifikante Unterschiede gegenüber den Buchfassungen von 1941 und 1974 aufweist.
In teils engerem, teils weiterem thematischen Zusammenhang mit dem Doppelstaat publizierte Fraenkel zwischen 1934 und 1960 insgesamt 16 Aufsätze, Lexikonartikel, Rezensionen und Zeitungsartikel zum Thema "Nationalsozialismus und Widerstand". Die meisten dieser Arbeiten waren bisher kaum bekannt und schwer zugänglich.
Alle diese Arbeiten zeichnen sich durch einen zweifachen Ansatz aus: Sie wollen einen Beitrag zur theoretischen Erfassung der Problematik und zugleich einen praktischen Beitrag zum Kampf gegen das Regime und - später - zur Stabilisierung der Demokratie in Deutschland leisten. In dieser doppelten Zielsetzung sind die Arbeiten Fraenkels bis heute aktuell.
In teils engerem, teils weiterem thematischen Zusammenhang mit dem Doppelstaat publizierte Fraenkel zwischen 1934 und 1960 insgesamt 16 Aufsätze, Lexikonartikel, Rezensionen und Zeitungsartikel zum Thema "Nationalsozialismus und Widerstand". Die meisten dieser Arbeiten waren bisher kaum bekannt und schwer zugänglich.
Alle diese Arbeiten zeichnen sich durch einen zweifachen Ansatz aus: Sie wollen einen Beitrag zur theoretischen Erfassung der Problematik und zugleich einen praktischen Beitrag zum Kampf gegen das Regime und - später - zur Stabilisierung der Demokratie in Deutschland leisten. In dieser doppelten Zielsetzung sind die Arbeiten Fraenkels bis heute aktuell.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
In einer Sammelrezension bespricht Giselher Schmidt drei Bände aus den "Gesammelten Schriften" von Ernst Fraenkel.
1) .Ernst Fraenkel: "Gesammelte Schriften. Bd. 2: Nationalsozialismus und Widerstand" (Nomos)
Schmidt konzentriert sich hier auf zwei bedeutende Texte des Autors: `Der Doppelstaat` und `Urdoppelstaat`, wobei - wie er anmerkt - ersterer "immer noch als eine einmalige wissenschaftliche Analyse des nationalsozialistischen Regimes" gilt. Es geht darin um die Gleichzeitigkeit von `aufrechterhaltenen Gesetzen des vornationalsozialistischen Rechtsstaates` und deren praktische Suspendierung. Fraenkel hat, so Schmidt, eine frühe Fassung dieses Textes bereits 1937 in Brüssel veröffentlichen können, eine überarbeitete Fassung erschien 1940/41 im amerikanischen Exil, und 1974 wurde der Text schließlich auch in Deutschland veröffentlicht. Schmidt weist darauf hin, dass es sich bei der im vorliegenden Band abgedruckten Version um die letztere handelt, während der Aufsatz `Urdoppelstaat` hier zum ersten Mal veröffentlich wird. Schmidt geht in seiner Rezension vor allem auf die Unterschiede in den verschiedenen Versionen ein, wobei ihn besonders Fraenkels Einstellung zum Marxismus und seine Sichtweise auf den totalitären Staat interessiert.
2) .Ernst Fraenkel: "Gesammelte Schriften. Bd. 3: Neuaufbau der Demokratie in Deutschland und Korea" (Nomos)
In diesen Texten deutet sich, wie Schmidt feststellt, ein "Abschied vom Marxismus" an und eine "Anerkennung einer vergleichenden Totalitarismus-Konzeption", wobei der sich der Autor auch mit dem Bolschewismus und dem italienischen Faschismus beschäftigte. Besonders auffällig findet Schmidt, wie sehr sich Fraenkel gegen eine russische Besatzung wandte und welch wichtige Rolle er den verschiedenen Kirchen beim Neuaufbau des Staates zumaß. Auf die Beiträge zum Neuaufbau in Korea geht Schmidt hier nicht näher ein.
3) Ernst Fraenkel: "Gesammelte Schriften. Bd. 4: Amerikastudien" (Nomos)
Wesentlicher Bestandteil dieses Bandes ist das 1960 entstandene "Standardwerk" `Das amerikanische Regierungssystem`, so Schmidt. Hier zeige sich Fraenkels "Konzeption von politischer Wissenschaft als einer (...) Integrationswissenschaft". Schmidt weist darauf hin, dass der Autor die staatliche Ordnung in den USA nicht nur interpretierte, sondern auch verteidigte, obwohl er mit seinen Thesen teilweise auch bei den Amerikaner "aneckte". Summa summarum kann man nach Schmidts Ansicht dem Autor jedoch den Vorwurf machen, zu einer gelegentlichen "`Glorifizierung` der amerikanischen Politik" zu neigen. Dennoch weiß der Rezensent den "Informations- und Bildungswert" dieser Studie durchaus zu schätzen.
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1) .Ernst Fraenkel: "Gesammelte Schriften. Bd. 2: Nationalsozialismus und Widerstand" (Nomos)
Schmidt konzentriert sich hier auf zwei bedeutende Texte des Autors: `Der Doppelstaat` und `Urdoppelstaat`, wobei - wie er anmerkt - ersterer "immer noch als eine einmalige wissenschaftliche Analyse des nationalsozialistischen Regimes" gilt. Es geht darin um die Gleichzeitigkeit von `aufrechterhaltenen Gesetzen des vornationalsozialistischen Rechtsstaates` und deren praktische Suspendierung. Fraenkel hat, so Schmidt, eine frühe Fassung dieses Textes bereits 1937 in Brüssel veröffentlichen können, eine überarbeitete Fassung erschien 1940/41 im amerikanischen Exil, und 1974 wurde der Text schließlich auch in Deutschland veröffentlicht. Schmidt weist darauf hin, dass es sich bei der im vorliegenden Band abgedruckten Version um die letztere handelt, während der Aufsatz `Urdoppelstaat` hier zum ersten Mal veröffentlich wird. Schmidt geht in seiner Rezension vor allem auf die Unterschiede in den verschiedenen Versionen ein, wobei ihn besonders Fraenkels Einstellung zum Marxismus und seine Sichtweise auf den totalitären Staat interessiert.
2) .Ernst Fraenkel: "Gesammelte Schriften. Bd. 3: Neuaufbau der Demokratie in Deutschland und Korea" (Nomos)
In diesen Texten deutet sich, wie Schmidt feststellt, ein "Abschied vom Marxismus" an und eine "Anerkennung einer vergleichenden Totalitarismus-Konzeption", wobei der sich der Autor auch mit dem Bolschewismus und dem italienischen Faschismus beschäftigte. Besonders auffällig findet Schmidt, wie sehr sich Fraenkel gegen eine russische Besatzung wandte und welch wichtige Rolle er den verschiedenen Kirchen beim Neuaufbau des Staates zumaß. Auf die Beiträge zum Neuaufbau in Korea geht Schmidt hier nicht näher ein.
3) Ernst Fraenkel: "Gesammelte Schriften. Bd. 4: Amerikastudien" (Nomos)
Wesentlicher Bestandteil dieses Bandes ist das 1960 entstandene "Standardwerk" `Das amerikanische Regierungssystem`, so Schmidt. Hier zeige sich Fraenkels "Konzeption von politischer Wissenschaft als einer (...) Integrationswissenschaft". Schmidt weist darauf hin, dass der Autor die staatliche Ordnung in den USA nicht nur interpretierte, sondern auch verteidigte, obwohl er mit seinen Thesen teilweise auch bei den Amerikaner "aneckte". Summa summarum kann man nach Schmidts Ansicht dem Autor jedoch den Vorwurf machen, zu einer gelegentlichen "`Glorifizierung` der amerikanischen Politik" zu neigen. Dennoch weiß der Rezensent den "Informations- und Bildungswert" dieser Studie durchaus zu schätzen.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.07.1999Politik als Wissenschaft
Ernst Fraenkel im Wandel der Zeiten und Einsichten
Alexander von Brünneck, Hubertus Buchstein, Gerhard Göhler (Herausgeber) unter Mitarbeit von Rainer Kühn: Ernst Fraenkel. Gesammelte Schriften. Band 1. Recht und Politik in der Weimarer Republik. Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 1999. 704 Seiten, 128,- Mark.
Seinen Platz in der Wissenschaftsgeschichte nimmt Ernst Fraenkel (1898-1975) vor allem als Mitbegründer der Politischen Wissenschaft im Nachkriegsdeutschland wie als Theoretiker der pluralistischen Demokratie ein. Als Student in Frankfurt am Main hatte sich Fraenkel - Sohn einer wohlhabenden jüdischen Familie - wohl unter dem Einfluß seines Lehrers, des deutschen Arbeitsrechts-Pioniers Hugo Sinzheimer, der SPD angeschlossen. Durch Vermittlung Sinzheimers wurde der Volljurist 1925 hauptamtlicher Lehrer an der Schule des Deutschen Metallarbeiter-Verbandes in Bad Dürrenberg. Als Gewerkschafts-Syndikus zog er 1927 nach Berlin um, wo er von 1931 an gemeinsam mit dem Studienfreund Franz Neumann auch den SPD-Parteivorstand als Anwalt vertrat.
Der vorliegende erste Band einer vierbändigen Ausgabe der "Gesammelten Schriften" Ernst Fraenkels enthält neben seiner Dissertation Essays, Aufsätze, Rezensionen aus der Weimarer Zeit sowie einige Rückblenden aus späteren Tagen. Bemerkenswert ist die Ambivalenz von Kontinuität und Diskontinuität. Der Autor der 1927 in der Jungsozialistischen Schriftenreihe erschienenen Broschüre "Zur Soziologie der Klassenjustiz" ist vom Historischen Materialismus eines Karl Marx geprägt, er betont den bürgerlichen Klassencharakter des Naturrechtes, verhöhnt den "jugendlichen Glauben an die Existenz einer unwandelbaren Gerechtigkeit" und grenzt sich deutlich von nichtmarxistischen Sozialisten ab, die "Sozialismus als ethisch-rechtliches Postulat" begreifen. 1928 spricht er in dem Aufsatz "Staat und Gewerkschaften" in despektierlichem Ton vom "heutigen liberal-kapitalistischen Staat" und bezeichnet unter Berufung auf Marx die Gewerkschaften als "Preisfechter im Klassenkampf des Proletariats". 1929 wendet sich Fraenkel gegen die "Tendenz, den Grundrechten der Weimarer Verfassung eine alles überragende Bedeutung innerhalb unseres Rechtssystems einzuräumen".
Doch im Sommer 1932 - Kanzler ist der allein vom Vertrauen des Reichspräsidenten abhängige Franz von Papen - betont Fraenkel, "daß das liberale Freiheitsgut, losgelöst von seinem geschichtlichen Ursprung als Waffe im Emanzipationskampf des Bürgertums gegen die Feudalgewalt, ein politisches Kulturwerk überzeitlicher Bedeutung darstellt". Als die Nationalsozialisten bereits an der Macht sind, verurteilt Fraenkel unter Berufung auf die neukantianische Rechtsphilosophie eines Gustav Radbruch die NS-Willkürherrschaft mit dem Argument, "daß ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz nicht nur die Verletzung einer Verfassungsnorm, sondern auch die Absage an das Prinzip der Gerechtigkeit, die Beseitigung der Rechtsgrundlage der Staatsführung überhaupt in sich schließt".
Gewiß, noch gegen Ende der Weimarer Republik vertritt Fraenkel Überzeugungen, die dem Pluralismus-Theoretiker gleichen Namens fremd sind. Im Frühjahr 1932 ist er der Meinung, demokratisches Staatsdenken gehe von der Annahme aus, "daß der Mensch seinem Wesen nach ,gut' sei". Der spätere - sich zur jüdisch-christlichen Anthropologie bekennende - Fraenkel bewertet hingegen ein einseitig optimistisches Menschenbild als geistiges Fundament des linken Totalitarismus. Der Fraenkel der frühen dreißiger Jahre ist auch noch weit entfernt von seiner späteren negativen Beurteilung der starken plebiszitären Komponente in der Weimarer Verfassung.
Doch neben den Varianten dürfen die Konstanten nicht übersehen werden. Die im Oktober 1931 vorgetragene These, "daß Demokratie im Gegensatz zu Faschismus und Bolschewismus nur möglich ist im Rahmen des Rechtsstaats", nimmt Demokratie- und Totalitarismus-Theorien vorweg, die erst nach dem Zweiten Weltkrieg Allgemeingut wurden. Die bereits 1929 propagierte "kollektive Demokratie" von Wirtschaftsorganisationen - 1932 ergänzt durch die "dialektischen Demokratien", die im politisch-parlamentarischen Bereich "einen streitigen und einen unstreitigen Sektor" kennen - bedeutet eine Vorwegnahme von Fraenkels Pluralismus-Konzeption. Schon 1930 spricht er von "Politik als Wissenschaft". Schließlich ist er der erste, der das konstruktive Mißtrauensvotum - im Hinblick auf die Weimarer Verfassung mit ihrer Möglichkeit einer Abwahl von Reichskanzler und Reichsministern durch den Reichstag - schriftlich postuliert: "Unser Vorschlag geht dahin, einem Mißtrauensvotum des Parlaments gegen den Kanzler oder Minister nur dann die Rechtsfolge des Rücktrittszwanges zu verleihen, wenn die Volksvertretung das Mißtrauensvotum mit dem positiven Vorschlag an den Präsidenten verbindet, eine namentlich präsentierte Persönlichkeit an Stelle des gestürzten Staatsfunktionärs . . . zu ernennen."
GISELHER SCHMIDT
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ernst Fraenkel im Wandel der Zeiten und Einsichten
Alexander von Brünneck, Hubertus Buchstein, Gerhard Göhler (Herausgeber) unter Mitarbeit von Rainer Kühn: Ernst Fraenkel. Gesammelte Schriften. Band 1. Recht und Politik in der Weimarer Republik. Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 1999. 704 Seiten, 128,- Mark.
Seinen Platz in der Wissenschaftsgeschichte nimmt Ernst Fraenkel (1898-1975) vor allem als Mitbegründer der Politischen Wissenschaft im Nachkriegsdeutschland wie als Theoretiker der pluralistischen Demokratie ein. Als Student in Frankfurt am Main hatte sich Fraenkel - Sohn einer wohlhabenden jüdischen Familie - wohl unter dem Einfluß seines Lehrers, des deutschen Arbeitsrechts-Pioniers Hugo Sinzheimer, der SPD angeschlossen. Durch Vermittlung Sinzheimers wurde der Volljurist 1925 hauptamtlicher Lehrer an der Schule des Deutschen Metallarbeiter-Verbandes in Bad Dürrenberg. Als Gewerkschafts-Syndikus zog er 1927 nach Berlin um, wo er von 1931 an gemeinsam mit dem Studienfreund Franz Neumann auch den SPD-Parteivorstand als Anwalt vertrat.
Der vorliegende erste Band einer vierbändigen Ausgabe der "Gesammelten Schriften" Ernst Fraenkels enthält neben seiner Dissertation Essays, Aufsätze, Rezensionen aus der Weimarer Zeit sowie einige Rückblenden aus späteren Tagen. Bemerkenswert ist die Ambivalenz von Kontinuität und Diskontinuität. Der Autor der 1927 in der Jungsozialistischen Schriftenreihe erschienenen Broschüre "Zur Soziologie der Klassenjustiz" ist vom Historischen Materialismus eines Karl Marx geprägt, er betont den bürgerlichen Klassencharakter des Naturrechtes, verhöhnt den "jugendlichen Glauben an die Existenz einer unwandelbaren Gerechtigkeit" und grenzt sich deutlich von nichtmarxistischen Sozialisten ab, die "Sozialismus als ethisch-rechtliches Postulat" begreifen. 1928 spricht er in dem Aufsatz "Staat und Gewerkschaften" in despektierlichem Ton vom "heutigen liberal-kapitalistischen Staat" und bezeichnet unter Berufung auf Marx die Gewerkschaften als "Preisfechter im Klassenkampf des Proletariats". 1929 wendet sich Fraenkel gegen die "Tendenz, den Grundrechten der Weimarer Verfassung eine alles überragende Bedeutung innerhalb unseres Rechtssystems einzuräumen".
Doch im Sommer 1932 - Kanzler ist der allein vom Vertrauen des Reichspräsidenten abhängige Franz von Papen - betont Fraenkel, "daß das liberale Freiheitsgut, losgelöst von seinem geschichtlichen Ursprung als Waffe im Emanzipationskampf des Bürgertums gegen die Feudalgewalt, ein politisches Kulturwerk überzeitlicher Bedeutung darstellt". Als die Nationalsozialisten bereits an der Macht sind, verurteilt Fraenkel unter Berufung auf die neukantianische Rechtsphilosophie eines Gustav Radbruch die NS-Willkürherrschaft mit dem Argument, "daß ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz nicht nur die Verletzung einer Verfassungsnorm, sondern auch die Absage an das Prinzip der Gerechtigkeit, die Beseitigung der Rechtsgrundlage der Staatsführung überhaupt in sich schließt".
Gewiß, noch gegen Ende der Weimarer Republik vertritt Fraenkel Überzeugungen, die dem Pluralismus-Theoretiker gleichen Namens fremd sind. Im Frühjahr 1932 ist er der Meinung, demokratisches Staatsdenken gehe von der Annahme aus, "daß der Mensch seinem Wesen nach ,gut' sei". Der spätere - sich zur jüdisch-christlichen Anthropologie bekennende - Fraenkel bewertet hingegen ein einseitig optimistisches Menschenbild als geistiges Fundament des linken Totalitarismus. Der Fraenkel der frühen dreißiger Jahre ist auch noch weit entfernt von seiner späteren negativen Beurteilung der starken plebiszitären Komponente in der Weimarer Verfassung.
Doch neben den Varianten dürfen die Konstanten nicht übersehen werden. Die im Oktober 1931 vorgetragene These, "daß Demokratie im Gegensatz zu Faschismus und Bolschewismus nur möglich ist im Rahmen des Rechtsstaats", nimmt Demokratie- und Totalitarismus-Theorien vorweg, die erst nach dem Zweiten Weltkrieg Allgemeingut wurden. Die bereits 1929 propagierte "kollektive Demokratie" von Wirtschaftsorganisationen - 1932 ergänzt durch die "dialektischen Demokratien", die im politisch-parlamentarischen Bereich "einen streitigen und einen unstreitigen Sektor" kennen - bedeutet eine Vorwegnahme von Fraenkels Pluralismus-Konzeption. Schon 1930 spricht er von "Politik als Wissenschaft". Schließlich ist er der erste, der das konstruktive Mißtrauensvotum - im Hinblick auf die Weimarer Verfassung mit ihrer Möglichkeit einer Abwahl von Reichskanzler und Reichsministern durch den Reichstag - schriftlich postuliert: "Unser Vorschlag geht dahin, einem Mißtrauensvotum des Parlaments gegen den Kanzler oder Minister nur dann die Rechtsfolge des Rücktrittszwanges zu verleihen, wenn die Volksvertretung das Mißtrauensvotum mit dem positiven Vorschlag an den Präsidenten verbindet, eine namentlich präsentierte Persönlichkeit an Stelle des gestürzten Staatsfunktionärs . . . zu ernennen."
GISELHER SCHMIDT
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