Die Erforschung des menschlichen Geistes ist eines der spannendsten Unternehmen der Wissenschaft. Die Kognitionswissenschaft erforscht nicht nur abstrakte intellektuelle Leistungen wie etwa das Schachspiel, sondern die ganze Palette der Intelligenz: Sprache, Gedächtnis, Lernen, Wahrnehmung und Bewegung, neuerdings auch Emotionen und Bewusstsein. Diese Einführung bietet eine übersichtliche Darstellung der Entwicklung sowie der zentralen Probleme und Lösungsstrategien dieser neuen Disziplin. Manuela Lenzen studierte Philosophie in Bochum und Bielefeld. Als freie Wissenschaftsjournalistin schreibt sie u. a. für die Frankfurter Allgemeine und die Süddeutsche Zeitung, für die Frankfurter Rundschau und die Zeit.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.04.2018Was kann das Computerhirn?
Manuela Lenzen erklärt die Wege Künstlicher Intelligenz
Gewaltige Datenmengen, enorm gestiegene Rechnerleistung und verbesserte Modelle haben in der Informatik vor einigen Jahren eine neue Entwicklung angestoßen: die Entwicklung von Computerprogrammen, welche Aufgaben bewältigen können, die bis dahin eine Domäne der Menschen waren. Es geht auf diesem Feld der Künstlichen Intelligenz (KI) um Strategiespiele wie Schach oder Go, das Verstehen von gesprochener und geschriebener Sprache, das Erkennen von Gesichtern, medizinische Diagnosen und sehr vieles mehr. Bekannte Unternehmen wie Alphabet (Google), Facebook oder Microsoft investieren große Summen in diese Entwicklung, sie haben viele der führenden Fachleute auf dem Gebiet in ihre Dienste genommen.
Die Diskussion darüber, was Computer einmal können werden, hat infolgedessen an Breite gewonnen und ist längst nicht mehr auf die Informatik beschränkt: Neurowissenschaft, Biologie, Wirtschaftslehre und auch philosophische Überlegungen kommen ins Spiel. Manuela Lenzen, Autorin auch dieser Zeitung, hat nun eine Einführung vorgelegt, die alle diese Aspekte von KI erschließt und einsichtig macht. Sie geht auch ausführlich auf die gern erörterte große Frage der KI ein, ob es einmal eine Art künstliche Superintelligenz geben könnte, also ein Computergehirn, das dem menschlichen Gehirn in allen Belangen mindestens ebenbürtig oder gar überlegen ist.
Dafür erörtert sie, was sich unter Begriffen wie Gefühl, Emotion oder Bewusstsein verstehen lässt, und sieht sich an, was ihre Entsprechungen in den Leistungen von Rechnern sein könnten. Man muss nicht auf dem Standpunkt stehen, dass dies die essentiellen Fragen des Faches sind. Für den Physiker Max Tegmark beispielsweise ist das maßgebliche Kriterium zur Beurteilung einer KI schlicht deren konkrete Kompetenz: Welche Aufgabe kann sie bewältigen, und kann sie das nach quantifizierbaren Maßstäben besser oder schlechter als ein Mensch? Ob sie dabei tatsächlich "denkt", etwas empfindet oder sogar noch ganz andere Erwägungen anstellt, ist aus diesem Blickwinkel zweitrangig.
Die von Manuela Lenzen klar dargelegten Fragen spielen in der KI-Forschung allerdings durchaus eine Rolle. Das gilt gerade für die derzeit angesagten Methoden, die mit sogenannten künstlichen neuronalen Netzen (KNN) arbeiten, mit einer Software also, deren Funktionsweise sich an Abläufen orientiert, die für die Modellierung der Funktionen des menschlichen Gehirns verwendet werden. Der Informatiker Geoffrey Hinton, einer der Pioniere auf diesem Feld, regte unlängst etwa eine Diskussion darüber an, ob nicht in den KNN mehr Strukturen vorab festgelegt werden und nicht erst durch das "Trainieren" der Netze fixiert werden sollten, um bessere Ergebnisse zu erzielen. Yann LeCun, der führende KI-Forscher von Facebook (und einst wissenschaftlicher Mitarbeiter Hintons), beteiligt sich an dieser Diskussion ebenso engagiert wie auf der anderen Seite der in New York lehrende Psychologe Gary Marcus. Mitarbeiter von Facebook und Google arbeiten in diesem Zusammenhang auch an so etwas wie einem "gesunden Menschenverstand" für Rechner, also einer allgemeineren Gegenwartswahrnehmung, die über konkrete hochspezialisierte Fertigkeit hinausgeht - für den Philosophen John Searle ist das eine wesentliche Voraussetzung für Intelligenz, auch für künstliche.
Manuela Lenzen widmet sich auch eingehend den schon absehbaren Folgen zunehmender Rechner-Fertigkeiten, vergisst aber auch nicht eine historische Einführung in die Entstehung des Forschungsfeldes. Ihr Buch nimmt den Leser mit in die fünfziger Jahre, als das Fach während einer Tagung am Dartmouth College im amerikanischen Bundesstaat Hanover entstand. Sie diskutiert den möglichen Einfluss cleverer Computer auf Arbeitsmärkte und Beschäftigung, eine Robotersteuer oder die Idee, alle Mitarbeiter zu Miteigentümern am Maschinenpark zu machen. Sie überlegt, ob Menschen eine Beziehung zu Maschinen eingehen können und wie diese aussieht; und schließlich erörtert sie die Frage, ob und wie Menschen mit Maschinen aus eigenem Wunsch heraus einmal verschmelzen könnten.
Wichtig ist auch der von ihr diskutierte militärische Aspekt der Künstlichen Intelligenz. Das Thema wird in der kommenden Woche die Vereinten Nationen beschäftigen. Unlängst haben KI-Fachleute rund um den Globus angekündigt, ein südkoreanisches Forschungsinstitut zu boykottieren, das mit einem Waffenhersteller zusammenarbeitet, und Google-Mitarbeiter haben einen Mahnbrief an ihren Chef geschrieben, weil sich der Konzern an einem vom amerikanischen Verteidigungsministeriums aufgelegten Programm beteiligt. Im Zentrum auch dieser Diskussion steht letztlich eine Frage, auf die Debatten über KI oft hinauslaufen: Was macht uns eigentlich als Menschen aus? Manuela Lenzens Buch hilft dabei, eine triftige Antwort auf sie zu finden.
ALEXANDER ARMBRUSTER
Manuela Lenzen: "Künstliche Intelligenz". Was sie kann & was uns erwartet.
C. H. Beck Verlag, München 2018. 272 S., br., 16,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Manuela Lenzen erklärt die Wege Künstlicher Intelligenz
Gewaltige Datenmengen, enorm gestiegene Rechnerleistung und verbesserte Modelle haben in der Informatik vor einigen Jahren eine neue Entwicklung angestoßen: die Entwicklung von Computerprogrammen, welche Aufgaben bewältigen können, die bis dahin eine Domäne der Menschen waren. Es geht auf diesem Feld der Künstlichen Intelligenz (KI) um Strategiespiele wie Schach oder Go, das Verstehen von gesprochener und geschriebener Sprache, das Erkennen von Gesichtern, medizinische Diagnosen und sehr vieles mehr. Bekannte Unternehmen wie Alphabet (Google), Facebook oder Microsoft investieren große Summen in diese Entwicklung, sie haben viele der führenden Fachleute auf dem Gebiet in ihre Dienste genommen.
Die Diskussion darüber, was Computer einmal können werden, hat infolgedessen an Breite gewonnen und ist längst nicht mehr auf die Informatik beschränkt: Neurowissenschaft, Biologie, Wirtschaftslehre und auch philosophische Überlegungen kommen ins Spiel. Manuela Lenzen, Autorin auch dieser Zeitung, hat nun eine Einführung vorgelegt, die alle diese Aspekte von KI erschließt und einsichtig macht. Sie geht auch ausführlich auf die gern erörterte große Frage der KI ein, ob es einmal eine Art künstliche Superintelligenz geben könnte, also ein Computergehirn, das dem menschlichen Gehirn in allen Belangen mindestens ebenbürtig oder gar überlegen ist.
Dafür erörtert sie, was sich unter Begriffen wie Gefühl, Emotion oder Bewusstsein verstehen lässt, und sieht sich an, was ihre Entsprechungen in den Leistungen von Rechnern sein könnten. Man muss nicht auf dem Standpunkt stehen, dass dies die essentiellen Fragen des Faches sind. Für den Physiker Max Tegmark beispielsweise ist das maßgebliche Kriterium zur Beurteilung einer KI schlicht deren konkrete Kompetenz: Welche Aufgabe kann sie bewältigen, und kann sie das nach quantifizierbaren Maßstäben besser oder schlechter als ein Mensch? Ob sie dabei tatsächlich "denkt", etwas empfindet oder sogar noch ganz andere Erwägungen anstellt, ist aus diesem Blickwinkel zweitrangig.
Die von Manuela Lenzen klar dargelegten Fragen spielen in der KI-Forschung allerdings durchaus eine Rolle. Das gilt gerade für die derzeit angesagten Methoden, die mit sogenannten künstlichen neuronalen Netzen (KNN) arbeiten, mit einer Software also, deren Funktionsweise sich an Abläufen orientiert, die für die Modellierung der Funktionen des menschlichen Gehirns verwendet werden. Der Informatiker Geoffrey Hinton, einer der Pioniere auf diesem Feld, regte unlängst etwa eine Diskussion darüber an, ob nicht in den KNN mehr Strukturen vorab festgelegt werden und nicht erst durch das "Trainieren" der Netze fixiert werden sollten, um bessere Ergebnisse zu erzielen. Yann LeCun, der führende KI-Forscher von Facebook (und einst wissenschaftlicher Mitarbeiter Hintons), beteiligt sich an dieser Diskussion ebenso engagiert wie auf der anderen Seite der in New York lehrende Psychologe Gary Marcus. Mitarbeiter von Facebook und Google arbeiten in diesem Zusammenhang auch an so etwas wie einem "gesunden Menschenverstand" für Rechner, also einer allgemeineren Gegenwartswahrnehmung, die über konkrete hochspezialisierte Fertigkeit hinausgeht - für den Philosophen John Searle ist das eine wesentliche Voraussetzung für Intelligenz, auch für künstliche.
Manuela Lenzen widmet sich auch eingehend den schon absehbaren Folgen zunehmender Rechner-Fertigkeiten, vergisst aber auch nicht eine historische Einführung in die Entstehung des Forschungsfeldes. Ihr Buch nimmt den Leser mit in die fünfziger Jahre, als das Fach während einer Tagung am Dartmouth College im amerikanischen Bundesstaat Hanover entstand. Sie diskutiert den möglichen Einfluss cleverer Computer auf Arbeitsmärkte und Beschäftigung, eine Robotersteuer oder die Idee, alle Mitarbeiter zu Miteigentümern am Maschinenpark zu machen. Sie überlegt, ob Menschen eine Beziehung zu Maschinen eingehen können und wie diese aussieht; und schließlich erörtert sie die Frage, ob und wie Menschen mit Maschinen aus eigenem Wunsch heraus einmal verschmelzen könnten.
Wichtig ist auch der von ihr diskutierte militärische Aspekt der Künstlichen Intelligenz. Das Thema wird in der kommenden Woche die Vereinten Nationen beschäftigen. Unlängst haben KI-Fachleute rund um den Globus angekündigt, ein südkoreanisches Forschungsinstitut zu boykottieren, das mit einem Waffenhersteller zusammenarbeitet, und Google-Mitarbeiter haben einen Mahnbrief an ihren Chef geschrieben, weil sich der Konzern an einem vom amerikanischen Verteidigungsministeriums aufgelegten Programm beteiligt. Im Zentrum auch dieser Diskussion steht letztlich eine Frage, auf die Debatten über KI oft hinauslaufen: Was macht uns eigentlich als Menschen aus? Manuela Lenzens Buch hilft dabei, eine triftige Antwort auf sie zu finden.
ALEXANDER ARMBRUSTER
Manuela Lenzen: "Künstliche Intelligenz". Was sie kann & was uns erwartet.
C. H. Beck Verlag, München 2018. 272 S., br., 16,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Natürliche und Künstliche Intelligenz
"Eine lesenswerte Lektüre und eine gute Ergänzung zu unserer Reihe Visionäre ." (3sat-online, 15.07.2002)
Wenn der Mensch sich selbst durch den Computer sieht
"Ideal ist das Buch der studierten Philosophin und Wissenschaftsjournalistin für den schnellen Überblick und den Einstieg in die Thematik." (Die Rheinpfalz, 22.11.2003)
"Eine lesenswerte Lektüre und eine gute Ergänzung zu unserer Reihe Visionäre ." (3sat-online, 15.07.2002)
Wenn der Mensch sich selbst durch den Computer sieht
"Ideal ist das Buch der studierten Philosophin und Wissenschaftsjournalistin für den schnellen Überblick und den Einstieg in die Thematik." (Die Rheinpfalz, 22.11.2003)