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Paul Feyerabend, Philosoph, Physiker, Anarchist, war einer der unkonventionellsten Wissenschaftler seiner Zeit. Sein Anything Goes ist zum Label geworden. Wenig bekannt ist, daß Feyerabend über viele Jahre an einer auf drei Bände angelegten Naturphilosophie gearbeitet hat, die den Zeitraum von den frühesten Spuren steinzeitlicher Höhlenmalerei bis zur Atomphysik des 20. Jahrhunderts umfassen sollte - ein Projekt, das ihn, wie er in einem Brief an Imre Lakatos schrieb, fast um den Verstand brachte: "Damn the Naturphilosophie."
Das Manuskript des Buches galt lange als verschollen. Durch einen
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Produktbeschreibung
Paul Feyerabend, Philosoph, Physiker, Anarchist, war einer der unkonventionellsten Wissenschaftler seiner Zeit. Sein Anything Goes ist zum Label geworden. Wenig bekannt ist, daß Feyerabend über viele Jahre an einer auf drei Bände angelegten Naturphilosophie gearbeitet hat, die den Zeitraum von den frühesten Spuren steinzeitlicher Höhlenmalerei bis zur Atomphysik des 20. Jahrhunderts umfassen sollte - ein Projekt, das ihn, wie er in einem Brief an Imre Lakatos schrieb, fast um den Verstand brachte: "Damn the Naturphilosophie."

Das Manuskript des Buches galt lange als verschollen. Durch einen Zufall wurde nun im Archiv der Universität Konstanz ein Typoskript gefunden, das den ersten Band des geplanten Projektes umfaßt. Feyerabend untersucht die Bedeutung der Mythen für die Frühzeit der Naturphilosophie und den Übergang von Homers "Aggregatuniversum" zu Parmenides' Einheitsdenken. Fokus seiner Überlegungen ist der - aus seiner Sicht verheerende - Aufstieg des Rationalismus in der griechischen Antike und die damit einhergehende Trennung des Menschen von der Natur. In gewohnt polemischer und äußerst belesener Weise erschließt Feyerabend so die Vorgeschichte der modernen Wissenschaft.Der Band enthält zahlreiche Abbildungen (u. a. von archaischen Kunstgegenständen) und eigenhändige Skizzen Feyerabends. Er wird ergänzt durch einige bislang unveröffentlichte biographische Dokumente, die das Gesamtbild des Denkers vervollständigen. Eine Einführung der Herausgeber klärt über die Stellung der Naturphilosophie im Denken Feyerabends auf.
Autorenporträt
Paul Feyerabend (1924-1994), Physiker und Philosoph, lehrte unter anderem in Berkeley, Kalifornien, und an der ETH Zürich. Er gehört zu den einflussreichsten Denkern des 20. Jahrhunderts und hat den Slogan des methodologischen Relativismus geprägt: »Anything goes«.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.04.2009

Mit Parmenides war alles gelaufen

Der Wissenschaftsphilosoph Paul Feyerabend war berühmt und wegen seiner kritischen Verve auch berüchtigt: Jetzt wurde aus dem Nachlass der erste Band einer Darstellung der Naturphilosophie ediert.

Die Odyssee beginnt mit Parmenides." Das ist erkennbar keine Feststellung eines klassischen Philologen. Obwohl sie auf einen Autor zurückgeht, der sich eingehend mit Homer auseinandersetzte, um schließlich in Parmenides die Schlüsselfigur für den Untergang von dessen Welt auszumachen. Der Vorsokratiker habe mit seinen begrifflich-abstrakten Gesetzen der anschaulich-lebendigen Wirklichkeit den Abschied gegeben, als deren Teil sich der Mensch noch auf selbstverständliche Weise hatte erkennen können. Nun stand er ihr gegenüber, Wirklichkeit und Welterfahrung, Denken und Anschauung, Wissen und Handeln fielen auseinander. Und das ist der Beginn einer Odyssee, die das Denken durchschreiten muss, "eine lange Kette von Irrtümern, bevor es sich der wirklichen Welt wieder nähert und die Züge in ihr wiedererkennt, die Schöpfungs- und Entwicklungsmythen einst so lebendig beschrieben haben".

Es war nicht klein gedacht, was Paul Feyerabend hier Anfang der siebziger Jahre formulierte: Was mit Parmenides' Hang zu strengen Gesetzen "hinter" den unmittelbar gegebenen Ereignissen begann, sollte jetzt erst - zum Beispiel durch unorthodoxe Deutungen der Quantentheorie bei David Bohm oder durch die Thermodynamik jenseits von Gleichgewichten bei Ilyia Prigogine - als Kette von Irrtümern eingeklammert werden können.

Die Passage findet sich in einem nun zum ersten Mal, fünfzehn Jahre nach Feyerabends Tod, publizierten Text. Aus ihm hätte der erste Band einer "Einführung in die Naturphilosophie" werden sollen, die auf insgesamt drei Bände veranschlagt war. Von diesem Projekt der frühen siebziger Jahre hatte man zwar gewusst, doch lange angenommen, dass es über Absichtserklärungen nicht weit hinausgekommen war - bis man im Nachlass Feyerabends an der Universität Konstanz auf das Typoskript stieß.

Warum Feyerabend dieses Buchprojekt aufgab, ist zwar nicht bekannt. Aber die Publikation von "Against Method" 1975 wird dafür sicherlich von Bedeutung gewesen sein. Diese Skizze einer "anarchistischen Theorie des Wissens", die im Jahr darauf als "Wider den Methodenzwang" auch auf Deutsch erschien, machte ihn weit über die engen Kreise der Wissenschaftsphilosophie hinaus bekannt und schnell auch als Wissenschaftsfeind berüchtigt. Sie prägte das Bild von Feyerabend, und der hatte damit zu tun, sein Image halbwegs unter Kontrolle zu halten. Um Detailarbeit ging es da weniger, sondern eher um grundsätzliche Klarstellungen der verfolgten Absichten, die hinter der Maxime "Anything goes" standen. Die Selbstdarstellung als lässig dandyhafter Gegentypus zum strebsam bemühten Funktionär wissenschaftsphilosophischen Ordnungssinns gehörte dazu.

Das ambitionierte Projekt der "Naturphilosophie" reicht noch hinter diesen Aufstieg zu einem Star der Wissenschaftskritik zurück. Insgesamt hätte sie einen Durchgang von urgeschichtlicher Höhlenmalerei bis zur Gegenwart geben sollen. Entsprechend selektiv ist sie entworfen und an den Hauptthemen orientiert, die sich in Feyerabends Kritik an allen Versuchen, ein für alle Mal gültige Regularien für richtige Wissenschaft aufzustellen, bereits deutlich herauskristallisiert hatten: dass auch Alternativen zu gut etablierten Theorien mangels einsichtig zu machender Ausschlussregeln im Spiel zu halten sind und man nicht darauf zu hoffen brauche, die Übergänge zwischen hinreichend tief ansetzenden Theorien als Sache der Behebung von Defekten oder Einschränkungen rational rekonstruieren zu können. Die Entwicklung zu einer historisch-konkreten Erschließung naturwissenschaftlicher Methoden und Wissensansprüche war - gemeinsam mit Thomas S. Kuhn und anderen - in den sechziger Jahren schon auf den Weg gebracht.

Der nun edierte Text nimmt sich aber nicht irgendeinen Theoriewechsel vor, sondern die Etablierung des abendländischen Wissenschaftsideals selbst: das mythische Weltbild gegen die Unterwanderung à la Parmenides. Auf der einen Seite das mythische "Aggregatuniversum", das Eigenschaften und Ereignisse zu Komplexen ohne aufwendige Tiefenverankerung zusammenstelle; auf der anderen Seite das "Substanzuniversum" des Parmenides, das auf ebendiese Tiefenverankerung abzielt, mit der die wahrgenommene Wirklichkeit zum Schein wird, den es aus unveränderlichen Gesetzen herzuleiten gilt.

Dass man es bei dem aus einer Betrachtung von antiker Malerei und homerischer Epik gewonnenen Aggregatstil mit einer in sich stimmigen Wahrnehmung und Konzeptualisierung von Welt zu tun hat - dieses ein wenig wackelige Argument fand auch Eingang in "Wider den Methodenzwang". In der "Naturphilosophie" steht es vor dem Hintergrund weiter ausholender Überlegungen zu urzeitlicher Kunst und Theorien des Mythos, die allerdings streckenweise zu Literaturberichten werden. Mehr Profil gewinnt die Gegenposition, die Anbahnung der Odyssee des wissenschaftlichen Geistes, die dann im letzten Kapitel von Aristoteles bis zur Quantenmechanik überflogen wird - was gleichzeitig die Inhaltsangabe für die zwei weiteren geplanten Bände abgibt.

Über die "große Masse des orthodoxen wissenschaftlichen Betriebs" war das Urteil schon gefällt: ein "business", vorangetrieben von "unglücklichen, furchtsamen, aber eingebildeten Sklavenseelen". Klang darin Nietzsche-Lektüre nach, so im Bild eines sich "am Horizont" abzeichnenden Gegenunternehmens der frühe Marx. In ihm gehe es nicht mehr um die Durchsetzung begrifflicher Ordnungsansprüche, sondern um einen Prozess, der Mensch und Natur zusammenführe, ohne totalitären Beigeschmack, mit Wahrung der Mittel zur Weltbewältigung und Aussicht auf "volle Entwicklung der eigenen Persönlichkeit".

Wie immer man den utopischen Überschuss rückblickend verbucht - eine andere Wissenschaft war damals tatsächlich im Entstehen, wenn auch auf den Bahnen des von Feyerabend verachteten Betriebs. Die "Ersetzung mechanistischer Betrachtungsweisen", für die er Einstein, Bohr und Bohm als Zeugen heranzog, kam auf dem Feld der neuen Biowissenschaften in Fahrt. Und zweifellos ging damit ein anderes Naturverständnis einher, das sich von der Physik löste. Andererseits kam mit ihr auch auch ein biotechnologisches "business" ins Spiel, von dem Feyerabend bei der Revision seines Texts 1976 kaum etwas ahnen konnte.

Es ist eine naheliegende Frage, wie weit Konzepte der zur Leitwissenschaft aufgestiegenen Biologie - hochintegrierte Netzwerke, Rückkoppelungen ohne Ende, Eingebundenheit des Beobachters in ganz praktischem Sinn - in Richtung von Feyerabends Vorstellungen gingen. Um sie zu zu beantworten, hätte man von ihm vielleicht eine Naturphilosophie gebraucht. Doch die hat er dann nicht mehr geschrieben.

HELMUT MAYER

Paul Feyerabend: "Naturphilosophie". Herausgegeben und mit einem Vorwort von Helmut Heit und Eric Oberheim. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2009. 384 S., geb., 24,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.09.2009

Von der Steinzeit lernen
Ein unerwarteter Fund: Paul Feyerabends fragmentarische Naturphilosophie sucht nach Heilmitteln gegen die Vernichtung der Vielfalt
The thrill’s gone. Der Schock, den der 1994 verstorbene Paul K. Feyerabend in den siebziger und achtziger Jahren als dadaistischer Partyschreck der scientific community eingejagt hatte, hat sich gelegt. Der geborene Wiener besaß einen Hang zum Theater in jedem Sinn, doch der Schalk war ja nur der maskierte Ernst, und womit es ihm Ernst war, das konnte jeder seinen eindringlichen, wenn auch polemischen Abhandlungen zu Empirismus und Realismus oder seinem Chef d’Œuvre „Wider den Methodenzwang” entnehmen. Überall sollten seine Analysen die Eindimensionalität gegenwärtiger wissenschaftstheoretischer Standards und darüber hinaus die Armut unserer szientistischen Weltsicht bloßstellen.
Gegen die „Vernichtung der Vielfalt” – so der Titel eines hinterlassenen, englisch geschriebenen Buches (Passagen Verlag, Wien 2005) – propagierte er Pluralismus und Anarchismus, was zu Recht hieß, in der Wahl der Denkmittel habe man anarchisch zu sein. Es waren das mythisch-poetische Daseinsverständnis und die archaischen Weltbilder, die er dem absolutistischen Status quo als Alternativen verschrieb. Fortschritt durch Rückkehr zu früheren Ideen, nannte er das.
Als eine großangelegte Genealogie unseres wissenschaftlichen Zeitalters hatte Feyerabend in den siebziger Jahren eine „Naturphilosophie” in Angriff genommen, nach zwei Ansätzen aber aufgegeben, wie so viele andere Vorhaben. Von den geplanten drei Bänden ist unlängst jedoch ein erster Teil aufgetaucht. Im Kern wiederholt Feyerabend darin seine Thesen von den Vorzügen des dynamischen, naturnahen, vielfältigen frühzeitlichen und mythischen Natur- und Menschenverständnisses, erweitert und vertieft hier durch die Auseinandersetzung mit einem immensen Literaturaufgebot. Feyerabends „Naturphilosophie” – der Titel deckt nicht das Spektrum der Untersuchungen – ist ein ungemein dichter, auch heute noch provozierender Text.
Schon an den Höhlenmalereien steinzeitlicher Kunst hebt Feyerabend „technisches Können, Beobachtungsgabe, Stilsicherheit ebenso wie prunkvollen Farbenreichtum” hervor. Die Ansicht, die naturalistische Darstellungsweise sei eine Spätform, der die archaische als infantile Stufe vorausgehe, gilt ihm deshalb „mit einem Schlag widerlegt”. Für die megalithische Astronomie ist Stonehenge das Paradebeispiel, „himmlische Uhr, Voraussagestation und religiöser Zirkus in einem”. Er deutet die Weltsicht der Steinzeitmenschen als eine dynamische, von Zeitabläufen, Zeitgestalten, Episodenfolgen bestimmte, wie sie ebenso noch in den „parataktischen” archaischen Kunstformen, den Mythen und dem „Aggregatuniversum” Homers vorherrschen.
Dem archaischen Menschen stellte sich die Welt als ein Aggregat von Teilen vor, keinesfalls als organische Einheit. Die additiven Züge lassen den archaischen oder homerischen Menschen als ein seelisch dezentriertes, ideologisch ‚substanzloses’ Wesen erscheinen. Diese Substanzlosigkeit bedeutet indes nicht Rückständigkeit, im Gegenteil, sie ist ein Segen in Feyerabends Sicht. Die einstigen Menschen, erläutert er, übernahmen nämlich ohne Zögern fremde Götter und Mythen, duldeten einen Eklektizismus der Religionen, kannten keine Dogmen, übten „Toleranz gegen eine Vielfalt von Meinungen”. In Feyerabends Optik sind jene Epochen durch Offenheit, Elastizität, Pluralität gekennzeichnet, Lebensformen, die in ihrer völligen Andersartigkeit mit unseren „inkommensurabel” sind, rationalen Maßstäben sich unterordnen. Gerade deshalb, so will es Feyerabend, sind sie zur Korrektur, Ergänzung oder als Tests und Alternativen zur gegenwärtigen starren „Substanzwelt” am besten geeignet.
Diese vergegenständlichte Welt taucht mit den Vorsokratikern auf. Statt des in die Natur eingebundenen homerischen Menschen tritt der Natur jetzt ein autonomes Subjekt gegenüber – Akt einer gewissen Befreiung zunächst, doch mehr und mehr der Verarmung. Anschauung wird durch Spekulation verdrängt, „starre Formen, scharfe Unterscheidungen, eindeutige Begriffe” ersetzen „schillernde Potenzen”. Dichtung und Philosophie oder Wissenschaft treten für immer auseinander. Was folgt, ist nach Feyerabend „eine lange Kette von Irrtümern”, die mit Xenophanes beginnt.
Xenophanes, „jener erfreuliche Typ”, der ganz nach Feyerabends Geschmack „ernste Denker” durch spöttisch-ironische Töne aus der Fassung brachte, ansonsten aber, als Entzauberer der anthropomorphen Götterwelt und Inaugurator eines abstrakten, „geläuterten” Gottesbegriffs Feyerabends Sympathien verspielt: „Warum soll das Monstrum des Xenophanes ‚geläuterter’ sein als die blauäugigen und rothaarigen Götter der Thraker? Wird ein Wesen ‚geläutert’, wenn es menschliche Züge verliert und unmenschliche Züge annimmt?”
Xenophanes blieb eher im Schatten eines Jüngeren aus derselben Schule in Elea, nämlich des Parmenides. Und der bezeichnet für Feyerabend den „Höhepunkt der Zerstörung” der alten Welt und der Jahrhunderte währenden Zementierung eines statischen Weltbildes (Axiome, ewige Naturgesetze). Parmenides hatte ja in einer ebenso irrwitzigen wie genialen Gedankenkonstruktion alles auf den allgemeinsten und leersten Begriff des Seins reduziert. Seiendes ist, es ist unterschiedslos eines, unentstanden, unveränderlich, eine ruhende Kugel des Seins. Werden und Bewegung sind demnach bloße Sinnestäuschungen. Diese Kosmogonie oder Metaphysik, und das ist die eigentliche Botschaft dieses Buches, hat das abendländische Denken bis ins 19. Jahrhundert „verhunzt”, „größere Umwälzungen treten nicht mehr ein”.
Doch dann glaubt er, in der skizzenhaften Fortsetzung seiner naturphilosophischen Evolutionstheorie, in Hegels dialektischer Verflüssigung der Begriffe die Vorzeichen einer Abkehr vom rigiden Ideal fixer Objektivität zu entdecken, bis durch Einstein, Bohr und die Quantentheorie wieder Prozessualität und Bewegung ins naturwissenschaftliche Denken eingekehrt sei. „Die ‚modernste’ Wissenschaft”, schließt Feyerabend (toll)kühn, könnte „eine Kombination der ‚modernen’ Wissenschaft und des Gedankengutes steinzeitlicher Philosophen und Wissenschaftler” sein.
Unser Zugang zur Welt ist in Feyerabends Perspektive durch einen dogmatischen Monismus verengt, und der hat mit der Globalisierung und Monopolisierung westlicher Zivilisation fraglos zu einer Monotonisierung vieler Lebensbereiche geführt. Doch die Präskription archaischer und mythischer Weltsichten als Heilmittel gegen moderne Denkzwänge verkennt, dass es im Bewusstsein keinen Weg zurück gibt – „mithin”, heißt es bei Kleist, „müßten wir wieder von dem Baum der Erkenntnis essen, um in den Stand der Unschuld zurückzufallen”. Im Übrigen war ja Feyerabend nicht der einzige Denker im 20. Jahrhundert, der die ferne Menschheitsgeschichte in unseren Gesichtskreis rücken wollte. Zurück, wenn auch nur bis zu den Vorsokratikern, wandten sich Karl Popper, Feyerabends viel verleugneter Lehrmeister, und mit großem Aplomb Heidegger. Feyerabend hat aber die Hinwendung zu vorvorsokratischen Zeiten viel suggestiver und unvergleichlich materialreicher begründet, und man liest hier keinen Gelehrtenslang, sondern die erfrischende Prosa eines Schriftstellers. WILLY HOCHKEPPEL
PAUL FEYERABEND: Naturphilosophie. Herausgegeben und mit einem Vorwort von Helmut Heit und Eric Oberheim. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2009. 300 Seiten, 24,80 Euro.
Anarchist und Partyschreck: Paul Feyerabend (1924 –1994) Foto: Anna Weise
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Helmut Mayer begrüßt den nun vorliegenden ersten Band einer Darstellung der Naturphilosophie aus dem Nachlass des Wissenschaftsphilosophen Paul Feyerabend. Er erinnert an Feyerabend als einen "Star der Wissenschaftskritik", dessen Buch "Wider den Methodenzwang" in den 1970er Jahren den Wissenschaftsbetrieb gehörig aufgemischt hat. In vorliegender "Naturphilosophie" stößt er - wenig verwunderlich - auf Motive, die sich auch in anderen Werken Feyerabends finden. Besonders betont er in diesem Zusammenhang Feyerabends kritische Sicht auf die Etablierung des abendländischen Wissenschaftsideals, die mit Parmenides zum Durchbruch gekommen sei. Die Ausführungen zu urzeitlicher Kunst und Theorien des Mythos muten Mayer allerdings ein wenig wie "Literaturberichte" an. Mehr Profil gewinnt die Darstellung für ihn im letzten Kapitel, wo Feyerabend einen Überblick über "Odyssee des wissenschaftlichen Geistes" von Aristoteles bis zur Quantenmechanik gibt, der zugleich als eine Inhaltsangabe für die zwei weiteren geplanten Bände fungiert.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Das Manuskript, das die Berliner Philosophen Helmut Heit und Eric Oberheim entdeckt haben, offenbart in seiner Suche nach dem entscheidenden Rationalitäts-Knacks im abendländischen Denken weit kompakter als das zur gleichen Zeit geschriebene Hauptwerk, woraus sich Feyerabends Gedanken speisten - und worin ihre Brisanz für unser heutiges Weltbild liegt.« Andreas Weber DIE ZEIT 20090528