This international history uncovers an American security program in which Washington reached into fifteen Latin American countries to seize more than 4,000 German expatriates and intern them in the Texas desert. The crowd of Nazi Party members, antifascist exiles, and even Jewish refugees were lumped together in camps riven by strife. The book, first published in 2003, examines the evolution of governmental policy, its impact on individuals and emigrant communities, and the ideological assumptions that blinded officials in both Washington and Berlin to Latin American realities. Franklin Roosevelt's vaunted Good Neighbor policy was a victim of this effort to force reluctant Latin American governments to hand over their German residents, while the operation ruined an opportunity to rescue victims of the Holocaust. This study makes a very contemporary argument: that security measures based on group affiliation rather than individual actions are as unjust and ineffective in foreign policy as they are in law enforcement.
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.04.2004Nazis und Nachbarn
Max Paul Friedmann erzählt die Geschichte einer Deportation
Bis vor kurzem galten die Deutschen als fleißig, zuverlässig und als Organisationstalente. Das sind zwar nicht unbedingt sympathische Eigenschaften, sie brachten es aber mit sich, dass deutsche Immigranten auf der ganzen Welt gern gesehen wurden. Überall in Lateinamerika, von Feuerland bis Baja California, existieren seit mehr als hundertfünfzig Jahren Kolonien deutscher Einwanderer, denen es fast nie geschadet hat, dass sie ihrer Heimat durch die Pflege von Sprache und Brauchtum treu geblieben sind. Fast nie, denn es gab eine Zeit, in der Deutschsein durchaus unangenehme Folgen haben konnte. Das war im Zweiten Weltkrieg, als die US-Regierung mehr als viertausend Deutsche aus Mittelamerika und den nördlichen Andenländern deportieren und in Texas, Florida und Oklahoma internieren ließ – aus Sorge vor einem Naziputsch in ihrem südlichen Hinterhof.
Zu zeigen, dass diese Sorge unbegründet war, ist das Anliegen des amerikanischen Historikers Max Paul Friedman, der in seinem Buch „Nazis and Good Neighbours” die bis dato wenig bekannte Geschichte dieser Massendeportation erzählt. Es tut das weithin überzeugend. Zwar bemühte sich die Auslandsorganisation der NSDAP unter Ernst Bohle mit Eifer und teilweise mit Erfolg um die Kontrolle der deutschen Gemeinden, und viele der Auslandsdeutschen betrachteten das Dritte Reich aus der Ferne mit Wohlwollen. Aber die strammen Nazis waren offenbar überall in der Minderheit. Mit ihrer Aufwiegelei provozierten sie zudem Widerstand im Establishment der Kolonien, das um seine Geschäftsbeziehungen fürchtete. Demnach ging von den Deutschen in Lateinamerika zu keiner Zeit ein Sicherheitsrisiko für die USA aus.
Dass die US-Regierung die Gefahr derart überschätzte, lag nach Friedman an alten Zerrbildern von der politischen Schwäche und Unzuverlässigkeit der Latinos, von der sich auch die Roosevelt-Administration, obgleich Vertreterin einer „Good-Neighbour-Policy”, nicht lösen konnte. Hinzu kam der nicht unerwünschte Nebeneffekt, dass man mit den Deutschen wirtschaftliche Konkurrenten unschädlich machte. Die Agenten diverser US-Nachrichtendienste, die sich südlich des Rio Grande tummelten und oft nicht einmal des Spanischen mächtig waren, leisteten ganze Arbeit. Dank zahlloser Tölpeleien und fahrlässiger Desinformation fanden sich in den Lagern nicht nur Nazis und Mitläufer wieder, sondern auch Juden und andere Flüchtlinge des NS-Regimes.
Friedmans Kritik zielt auf die US-Regierung. Im Streben, die von den Auslandsdeutschen ausgehende Gefahr zu minimieren, neigt er zuweilen dazu, deren Sympathie für das NS-Regime zu verharmlosen und sie als in der Mehrheit unpolitisch darzustellen, so dass man sein Buch nicht als Studie über die Mentalität der Deutschen in Lateinamerika lesen sollte. Es ist dennoch lesenswert, weil salopp geschrieben, voller Anekdoten und sehr aktuell, nicht nur was die unrühmliche Rolle der Geheimdienste angeht. Wenn man das nationale Schubladendenken durch religiöses ersetzt, lassen sich Parallelen ziehen zum Generalverdacht, dem Muslime heute in der westlichen Welt ausgesetzt sind.
CHRISTIAN JOSTMANN
MAX PAUL FRIEDMANN. Nazis and Good Neighbors. The United States Campaign against the Germans of Latin America in World War II. Cambridge University Press 2003. 359 Seiten, 25 Pfund Sterling.
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Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
Max Paul Friedmann erzählt die Geschichte einer Deportation
Bis vor kurzem galten die Deutschen als fleißig, zuverlässig und als Organisationstalente. Das sind zwar nicht unbedingt sympathische Eigenschaften, sie brachten es aber mit sich, dass deutsche Immigranten auf der ganzen Welt gern gesehen wurden. Überall in Lateinamerika, von Feuerland bis Baja California, existieren seit mehr als hundertfünfzig Jahren Kolonien deutscher Einwanderer, denen es fast nie geschadet hat, dass sie ihrer Heimat durch die Pflege von Sprache und Brauchtum treu geblieben sind. Fast nie, denn es gab eine Zeit, in der Deutschsein durchaus unangenehme Folgen haben konnte. Das war im Zweiten Weltkrieg, als die US-Regierung mehr als viertausend Deutsche aus Mittelamerika und den nördlichen Andenländern deportieren und in Texas, Florida und Oklahoma internieren ließ – aus Sorge vor einem Naziputsch in ihrem südlichen Hinterhof.
Zu zeigen, dass diese Sorge unbegründet war, ist das Anliegen des amerikanischen Historikers Max Paul Friedman, der in seinem Buch „Nazis and Good Neighbours” die bis dato wenig bekannte Geschichte dieser Massendeportation erzählt. Es tut das weithin überzeugend. Zwar bemühte sich die Auslandsorganisation der NSDAP unter Ernst Bohle mit Eifer und teilweise mit Erfolg um die Kontrolle der deutschen Gemeinden, und viele der Auslandsdeutschen betrachteten das Dritte Reich aus der Ferne mit Wohlwollen. Aber die strammen Nazis waren offenbar überall in der Minderheit. Mit ihrer Aufwiegelei provozierten sie zudem Widerstand im Establishment der Kolonien, das um seine Geschäftsbeziehungen fürchtete. Demnach ging von den Deutschen in Lateinamerika zu keiner Zeit ein Sicherheitsrisiko für die USA aus.
Dass die US-Regierung die Gefahr derart überschätzte, lag nach Friedman an alten Zerrbildern von der politischen Schwäche und Unzuverlässigkeit der Latinos, von der sich auch die Roosevelt-Administration, obgleich Vertreterin einer „Good-Neighbour-Policy”, nicht lösen konnte. Hinzu kam der nicht unerwünschte Nebeneffekt, dass man mit den Deutschen wirtschaftliche Konkurrenten unschädlich machte. Die Agenten diverser US-Nachrichtendienste, die sich südlich des Rio Grande tummelten und oft nicht einmal des Spanischen mächtig waren, leisteten ganze Arbeit. Dank zahlloser Tölpeleien und fahrlässiger Desinformation fanden sich in den Lagern nicht nur Nazis und Mitläufer wieder, sondern auch Juden und andere Flüchtlinge des NS-Regimes.
Friedmans Kritik zielt auf die US-Regierung. Im Streben, die von den Auslandsdeutschen ausgehende Gefahr zu minimieren, neigt er zuweilen dazu, deren Sympathie für das NS-Regime zu verharmlosen und sie als in der Mehrheit unpolitisch darzustellen, so dass man sein Buch nicht als Studie über die Mentalität der Deutschen in Lateinamerika lesen sollte. Es ist dennoch lesenswert, weil salopp geschrieben, voller Anekdoten und sehr aktuell, nicht nur was die unrühmliche Rolle der Geheimdienste angeht. Wenn man das nationale Schubladendenken durch religiöses ersetzt, lassen sich Parallelen ziehen zum Generalverdacht, dem Muslime heute in der westlichen Welt ausgesetzt sind.
CHRISTIAN JOSTMANN
MAX PAUL FRIEDMANN. Nazis and Good Neighbors. The United States Campaign against the Germans of Latin America in World War II. Cambridge University Press 2003. 359 Seiten, 25 Pfund Sterling.
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'Without doubt, Nazis and Good Neighbors is eloquently written, free of jargon and commonplaces, and highly accessible. One has to give Friedman credit for providing a lively and gripping account ...'. Journal of Latin American Studies