Jede Zeile ein Genuss!
Mit diesem Reiseroman beschreitet Marc Buhl für mich ungewohnte Wege. Ein Mann reist mit einem Reiseführer aus dem Jahr 1911 im Gepäck außerhalb der Touristensaison nach und durch Neapel. Was sich auf den ersten Blick als schlichter Reisebericht präsentiert, wird nach und
nach mit Betrachtungen, Gedanken und Erlebnissen, welche zum Teil die Grenze der Wirklichkeit zu…mehrJede Zeile ein Genuss!
Mit diesem Reiseroman beschreitet Marc Buhl für mich ungewohnte Wege. Ein Mann reist mit einem Reiseführer aus dem Jahr 1911 im Gepäck außerhalb der Touristensaison nach und durch Neapel. Was sich auf den ersten Blick als schlichter Reisebericht präsentiert, wird nach und nach mit Betrachtungen, Gedanken und Erlebnissen, welche zum Teil die Grenze der Wirklichkeit zu überschreiten scheinen, angereichert. Dieses Spiel mit Wirklichkeit und Fantasie ist sehr geschickt gestaltet, da sich immer auch eine natürliche Erklärung bietet. Ich hatte das Glück, vor ein paar Jahren einmal einen kurzen Aufenthalt in Neapel verbringen zu können, und dieses ungewöhnliche Eintauchen in die faszinierende Welt Neapels spiegelt sehr schön den Charakter dieser Stadt mit dem erstaunlichen Nebeneinander von Vergangenheit und Gegenwart, wie ich sie erlebt habe, wider und bot mir gleichzeitig eine Fülle neuer Informationen zum Staunen und Träumen.
Der Autor zeichnet ein Bild Neapels, das voller farbenfroher Lebendigkeit und von einer bodenständigen Schönheit ist, aber auch gleichzeitig geprägt von der Vorstellungskraft der Menschen, die auch bei der Entstehung dieser Stadt eine große Rolle gespielt hat: Parthenope, so lautete einst der Name einer kleinen Siedlung an dieser Stelle, benannt nach der griechischen Sirene, deren lebloser Körper dort an Land gespült worden sei, und später der dichterische Name Neapels, das Parthenope zur Stadtgöttin erhob. Und Parthenope ist es auch, der wir Leser in diesem Reiseroman immer wieder begegnen, ob als lebende Statue oder Exponat im archäologischen Museum.
Dieses Eintauchen in das neapolitanische Kulturerbe und in die Mythen der Vergangenheit, vor allem aber auch die Einblicke in das Lebensumfeld einiger Bewohner des modernen Neapels bieten eine Fülle von kleinen Wissensperlen. Dabei wirkt das Buch keineswegs überladen und es wird trotz einiger aufregender Erlebnisse sehr entspannt erzählt, sodass ich mich beim Lesen wie im Urlaub fühlte.
Der Autor schöpft aus einem reichen Wortschatz und bildet wohlgeformte, elegante Sätze, die das bunte Kaleidoskop Neapels treffend darstellen und gleichzeitig eine wohltuende Ruhe ausstrahlen.
Begeistert haben mich neben dem Text auch die großformatigen, künstlerischen Fotos von Christian Seeling, die Neapel in all seinen Facetten zeigen und mich an Bölls Beschreibung von Wuppertal als einer Stadt, "die sich nicht schminkt" erinnern - solche Städte mochte ich immer schon besonders gerne.
Ein einfach wunderbares Buch, um auch in Coronazeiten wenigstens "lesend" auf Reisen gehen zu können!