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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.12.2008

Rasches Verstummen

Einmal, erinnert sich Thomas Hellweg, sah er mit seiner Frau eine Dokumentation über Autisten. Während sie nur ungläubig mit dem Kopf schüttelte, erschien ihm diese Welt beängstigend vertraut. "Etwas fehlte ihm, etwas, das die anderen miteinander teilten, ohne dass sie sich darum bemühen mussten." Thomas Hellweg ist verheiratet, Vater zweier Kinder und hat in den vergangenen Monaten in der städtischen Friedhofsabteilung in Abwesenheit seines Chefs die Geschäfte geführt. Er gab den Reformer, schmiss sich in die Arbeit und merkte dabei nicht, dass er zu keinem Menschen Zugang fand. In seiner Abteilung bleibt er ein Fremder, und ebenso in seiner Familie. Jutta Reichelts Romandebüt "Nebenfolgen" ist die Geschichte eines Getriebenen. Hellweg hat die Gewohnheit, auf Grabsteinen die Lebensdauer der Verstorbenen zu errechnen, seine Kinder ständig zu korrigieren und außer einem abgehalfterten Sportjournalisten hat er keine Freunde. Dieses Leben ist ein stummer Hilfeschrei. In diesem zunächst banal anmutenden Roman öffnen sich dann doch noch die Falltüren zu den Abgründen des Alltags. (Jutta Reichelt: "Nebenfolgen". Heinrich-Verlag, Hamburg 2008. 188 S., geb., 24,80 [Euro].) kito

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