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Anthony Sampson, der Nelson Mandela seit Jahren kennt, erhielt freien Zugang zu seinen privaten Papieren, seinen Briefen aus dem Gefängnis sowie wichtigen, bisher unveröffentlichten internationalen Unterlagen.

Produktbeschreibung
Anthony Sampson, der Nelson Mandela seit Jahren kennt, erhielt freien Zugang zu seinen privaten Papieren, seinen Briefen aus dem Gefängnis sowie wichtigen, bisher unveröffentlichten internationalen Unterlagen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.09.1999

Das grelle Licht des Mythos
Anthony Sampsons Biographie des südafrikanischen Staatsmanns Nelson Mandela

Anthony Sampson: Nelson Mandela. Die Biographie. Aus dem Englischen von Irmela Arnsperger und Boike Rehbein. Deutsche Verlags-Anstalt Stuttgart, 1999. 800 Seiten, Abbildungen, 58,- Mark.

Dass Nelson Mandela diese Biographie autorisiert hat, muss nicht bedeuten, hier habe der Leser nunmehr die authentischste Lebensgeschichte dieses außergewöhnlichen Mannes in Händen und schon gar nicht die am besten geschriebene. Mandelas vor fünf Jahren erschienene Autobiographie ist von hoher literarischer Qualität. Damit kann Anthony Sampsons Buch nicht konkurrieren. Jedenfalls nicht in seiner deutschen Fassung. An zahlreichen Stellen wird deutlich, dass die Übersetzer ihre deutsche Muttersprache nur unzureichend beherrschen. Das ist rufschädigend sowohl für den Verfasser als auch für den Verlag.

Anthony Sampson, 1926 in England geboren, kam 1950 als Redakteur für das Schwarzen-Magazin "Drum" nach Johannesburg, wo er schon bald Gelegenheit hatte, Mandela und seine Mitstreiter vom "Afrikanischen Nationalkongress" (ANC) zu beobachten und viele von ihnen auch persönlich kennen zu lernen. Wahrscheinlich hat diese frühe Beziehung Sampsons zu dem damals zwischen dreißig und vierzig Jahre alten Anti-Apartheid-Aktivisten Mandela, die nach der 27 Jahre dauernden Haftzeit Mandelas und seiner Kampfgefährten erneuert und vertieft wurde, schließlich den Ausschlag gegeben für die Entscheidung Mandelas, Sampsons Vorhaben einer "autorisierten" Biographie seinen Segen zu geben, dem Verfasser für ausführliche Gespräche zur Verfügung zu stehen und ihm Einblick in alle möglichen bisher unzugänglichen privaten Papiere und Dokumente zu geben. Sampson konnte also aus dem Vollen schöpfen. Die Schwierigkeit für ihn bestand darin, mit der Fülle des Materials fertig zu werden. Das ist ihm jedoch im Großen und Ganzen gelungen.

Ein wenig enttäuschend ist, dass der Autor aus seiner langen persönlichen Bekanntschaft mit Mandela (oder sollte man sogar Freundschaft sagen?) nicht so recht Kapital zu schlagen versteht. Mandela als Persönlichkeit kommt zwar nicht zu kurz, aber immer wieder verspürt man den Wunsch, mehr über diesen Menschen erzählt zu bekommen, statt ausführlichen Schilderungen über Machtkämpfe im ANC, über dessen Vorbereitungen auf Kampagnen des zivilen Ungehorsams, über langwierige Gerichtsverhandlungen und dem quälend lange sich hinziehenden Vorbereitungsprozess für den Machtwechsel in Südafrika folgen zu müssen. Kurz, der Wunsch wäre gewesen: mehr Biographie, weniger historisch-politische Monographie, auch wenn beides natürlich zusammengehört. Es mangelt an der richtigen Mischung.

Beeindruckend an Sampsons Buch ist vor allem der Anfang und sind die Schlusskapitel, in denen der Autor Bilanz zieht. Hier zeigt sich, wie sorgfältig der Autor gearbeitet hat und wie selbstkritisch er seine Arbeit beurteilt: "Ein zeitgenössischer Biograph kann nicht darauf hoffen, in der Lage zu sein, ein definitives geschichtliches Urteil zu fällen", heißt es da beispielsweise. "Er kann nur versuchen, das Optimale aus den verfügbaren Quellen herauszuholen und die Person vor dem Hintergrund seiner eigenen Zeit zu porträtieren." Und angesichts einer manchmal übertriebenen Idolisierung Mandelas fügt er gleich die Warnung hinzu: "Man überschätzt leicht die Bedeutung einer lebenden Legende mit einer allumfassenden Ausstrahlung, auf einer Bühne, deren helle Beleuchtung vielleicht bald schwächer wird." Jeder weiß ja: "Afrika hat viele kurzlebige Erlöser gesehen, die später von ihrem Thron gestoßen wurden, aber Mandelas Statur ist in einer Zeit, in der die Welt ein verzweifeltes Verlangen nach überragenden Männern, die man bewundert, verspürt, schwerer zu bewerten."

Es sind viele verschiedene Bewertungen Mandelas in diesem Buch enthalten: Mandela der Revolutionär, der Agitator, der Guerrillaführer, der in der Haft Gestählte, aber auch Geläuterte, der schließlich zum großen Versöhner und Vergeber wurde; aber auch der Autokrat, der Rechthaber, der Starrsinnige. All das ist Mandela zu verschiedenen Zeiten und manchmal auch gleichzeitig gewesen, bevor sich schließlich alles in ihm zu einem Mythos gemischt hat, zur Ikone Mandela. Sampson ist jedoch fest davon überzeugt, dass die jahrzehntelange Haft entscheidend für Mandelas Metamorphose vom kompromisslosen Widerstandskämpfer zum versöhnungsbereiten, flexiblen Politiker war: "Die Jahre im Gefängnis werden oft als eine große Lücke in Mandelas politischer Karriere dargestellt, aber für mich sind sie der Schlüssel zum Verständnis seiner Entwicklung vom starrköpfigen Aktivisten zu einem Staatsmann von Welt, der nachdenkt und voller Selbstdisziplin ist."

Zu einer ähnlichen Einschätzung kamen übrigens schon 1982, also acht Jahre vor der 1990 vom damaligen südafrikanischen Präsidenten de Klerk verkündeten Freilassung Mandelas und der dadurch eingeleiteten Wende in Südafrika, Mandelas weiße Bewacher, als sie dem Justizminister Kobie Coetsee in einem von Sampson erstmals zitierten Dokument berichteten: "Es besteht kein Zweifel, dass Mandela alle Eigenschaften besitzt, der Schwarzenführer Nummer eins in Südafrika zu sein. Seine Zeit im Gefängnis hat seine psycho-politische Stellung eher verbessert als verschlechtert, und damit hat er nunmehr das charakteristische Gefängnischarisma des zeitgenössischen Führers einer Befreiungsbewegung erworben." Coetsee hat sich daraufhin mehrfach mit Mandela getroffen und war am Ende maßgeblich beteiligt am Zustandekommen jener Vereinbarungen, die den friedlichen Machtwechsel in Südafrika in den neunziger Jahren ermöglichten. Warum es nicht schneller ging, hat Sampson ausführlich dargelegt.

Deutsche Leser werden mit besonderem Interesse jene Abschnitte des Buches verfolgen, in denen der Verfasser das Verhältnis zwischen Mandela und seinem Mithäftling Neville Alexander schildert. Alexander, der in Deutschland studiert hat und promoviert wurde, war zwar nicht die ganze Zeit mit Mandela auf Robben Island zusammen, aber doch etliche Jahre. Dort haben sie oft miteinander gesprochen, manchmal auch heftig miteinander gestritten. Insgesamt waren diese Diskussionen jedoch für beide offenbar eine Erfahrung, die sie als Bereicherung empfunden haben und nicht missen möchten. Überhaupt haben auf Robben Island viele tief schürfende Gespräche unter den politischen Gefangenen stattgefunden, über die Sampson erstmals viele bislang unbekannte Einzelheiten zu berichten weiß.

Zwischen solchen bewegenden Schilderungen gibt es dann leider immer wieder viel Leerlauf, vor allem für Leser, die mit den politischen Verhältnissen in Südafrika nicht besonders vertraut sind und die sich dafür auch nicht im Detail interessieren. Sie müssen sich halt die Stellen herauspicken, die Antwort zu geben versuchen auf die Frage, wie sich der "Privatmann" Mandela "zum öffentlichen Mythos verhält". Tatsächlich hat sich der Verfasser große Mühe gegeben, "den unveränderlichen Mann hinter all den Facetten seiner verwirrenden und weitgefächerten Karriere" aufzuspüren: "den Sohn eines afrikanischen Häuptlings, der viele seiner ländlichen Werte beibehielt, während er die Weltbühne eroberte", wie der Verlag etwas pathetisch in seiner Werbung für Sampsons Buch schreibt. Der Autor sah sich dabei sogar unter Druck gesetzt: "Ich möchte nichts Schlechtes über ihn lesen", hätten ihm einige Leute gedroht. Mandela selbst hat jedoch nie etwas dagegen, wenn man ihn kritisch sieht. "Ich weiß, dass ich kein Engel bin", hat er unzählige Male gesagt. Aber auch ohne Einschüchterung von Leuten, die jedes Kratzen am Bild des großen Mandela als Majestätsbeleidigung ansehen, ist es nach Sampsons Ansicht schwierig für jeden Biographen, "den Nelson Mandela hinter der Ikone darzustellen: Es ist eher, als wolle man jemanden gegen grelles Licht stellen. Der Mythos ist so mächtig, dass er die Wirklichkeit verschwimmen lässt, alles in eine Show verwandelt."

KLAUS NATORP

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