Der deutsche Fotograf Peter Bialobrzeski (geboren 1961 in Wolfsburg) wurde 2003 bei den begehrten World Press Photo Awards in der Kategorie "Kunst" mit dem ersten Preis ausgezeichnet.
In seiner Arbeit Neon Tigers verschmelzen die sieben asiatischen Metropolen Bangkok, Kuala Lumpur, Hongkong, Schanghai, Jakarta, Singapur und Shenzhen zu einer virtuellen Megastadt. Die Bilder scheinen keine reale Welt mehr widerzuspiegeln, sondern wirken wie die Traumwelten eines durchgeknallten Filmarchitekten oder Computerspielproduzenten. Ihre realen Bezüge lösen im Betrachter einen Konflikt aus: Die Schönheit des Absurden konkurriert mit dem Wissen, dass hier eine unumkehrbare Veränderung städtischer Lebensräume thematisiert wird. Dabei stehen sich zwei Wachstumsmodelle gegenüber: völlig hemmungsloses, unkontrolliertes Wachstum wie in Bangkok und völlig kontrolliertes Wachstum, nicht weniger hemmungslos, etwa in Schanghai.
Bialobrzeskis Fotografien sind aufgeladen mit einer Vielzahl sich widersprechender, oft für den Westler nicht lesbarer Zeichen. Eine Art semiotischer Overkill, dem nur noch der Bildrahmen Halt verleiht.
In seiner Arbeit Neon Tigers verschmelzen die sieben asiatischen Metropolen Bangkok, Kuala Lumpur, Hongkong, Schanghai, Jakarta, Singapur und Shenzhen zu einer virtuellen Megastadt. Die Bilder scheinen keine reale Welt mehr widerzuspiegeln, sondern wirken wie die Traumwelten eines durchgeknallten Filmarchitekten oder Computerspielproduzenten. Ihre realen Bezüge lösen im Betrachter einen Konflikt aus: Die Schönheit des Absurden konkurriert mit dem Wissen, dass hier eine unumkehrbare Veränderung städtischer Lebensräume thematisiert wird. Dabei stehen sich zwei Wachstumsmodelle gegenüber: völlig hemmungsloses, unkontrolliertes Wachstum wie in Bangkok und völlig kontrolliertes Wachstum, nicht weniger hemmungslos, etwa in Schanghai.
Bialobrzeskis Fotografien sind aufgeladen mit einer Vielzahl sich widersprechender, oft für den Westler nicht lesbarer Zeichen. Eine Art semiotischer Overkill, dem nur noch der Bildrahmen Halt verleiht.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.06.2004NEUE REISEBÜCHER
Für den Tisch Der erste Schock in einem Hotel in Tokio ist der Blick aus dem Fenster bei Nacht. Denn man sieht: Nicht weniger als Millionen von anderen erleuchteten Fenstern, gegenüber, weiter hinten bis zum Horizont und darüber hinaus, zig Millionen Fenster, von denen man nur ein paar genau erkennen kann, dort, direkt gegenüber, putzt sich einer die Zähne, einer probiert Schuhe an, einer schreibt einen Liebesbrief, obwohl, genau weiß man auch das nicht, könnte auch ein Drohbrief sein oder einfach eine Rechnung (Aber legt man beim Rechnungschreiben den Kopf schief? Weint ein bißchen? Schreibt dann zitternd weiter? - Nur wenn es eine hohe Rechnung ist). Und es ist genau dieses Gefühl, das zugleich die Schönheit und die Hysterie der asiatischen Mega-Metropolen Hongkong, Bangkok, Kuala Lumpur und Shanghai ausmacht, deren verheißungsvoll leuchtende Masse dieser Fotoband so schön festhält wie kein anderer: Millionen Menschen kommen hierher, kommen aus schrottigen kleinen Dörfern, ziehen in gigantische Türme mit hunderttausend Fenstern, suchen einen Job, suchen das Glück, rasen mit zu kleinen Autos über siebenstöckige Autobahnen, geraten ins Schleudern, besaufen sich in winzigen Wohnungen, gehen im geistesgestörten Ne0nflimmern endloser Straßenschluchten aus, tanzen mit Fremden, schlafen mit den Falschen, vergessen Socken in fremden Wohnungen, hocken an quadratischen Fenstern und hören traurige und wütende Lieder und hoffen und starren in die Nacht, die ihnen aus Millionen anderer Fenster entgegenleuchtet, und mit ihr das Versprechen der Mega-Stadt: Daß dort draußen eine, einer, viele warten. Das große Glück. Irgendwo hinter einem der tausend blinden Leuchtkegel. Etwas Plötzliches, Unerwartetes, Großes, das es auf dem Dorf, wo man alles, alle kennt, nie geben wird.
nma
Peter Bialobrzeski: Neontigers. Mit Texten von Florian Hanig und Christof Ribbat. Verlag Hatje Cantz, 112 Seiten, 39,80 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Für den Tisch Der erste Schock in einem Hotel in Tokio ist der Blick aus dem Fenster bei Nacht. Denn man sieht: Nicht weniger als Millionen von anderen erleuchteten Fenstern, gegenüber, weiter hinten bis zum Horizont und darüber hinaus, zig Millionen Fenster, von denen man nur ein paar genau erkennen kann, dort, direkt gegenüber, putzt sich einer die Zähne, einer probiert Schuhe an, einer schreibt einen Liebesbrief, obwohl, genau weiß man auch das nicht, könnte auch ein Drohbrief sein oder einfach eine Rechnung (Aber legt man beim Rechnungschreiben den Kopf schief? Weint ein bißchen? Schreibt dann zitternd weiter? - Nur wenn es eine hohe Rechnung ist). Und es ist genau dieses Gefühl, das zugleich die Schönheit und die Hysterie der asiatischen Mega-Metropolen Hongkong, Bangkok, Kuala Lumpur und Shanghai ausmacht, deren verheißungsvoll leuchtende Masse dieser Fotoband so schön festhält wie kein anderer: Millionen Menschen kommen hierher, kommen aus schrottigen kleinen Dörfern, ziehen in gigantische Türme mit hunderttausend Fenstern, suchen einen Job, suchen das Glück, rasen mit zu kleinen Autos über siebenstöckige Autobahnen, geraten ins Schleudern, besaufen sich in winzigen Wohnungen, gehen im geistesgestörten Ne0nflimmern endloser Straßenschluchten aus, tanzen mit Fremden, schlafen mit den Falschen, vergessen Socken in fremden Wohnungen, hocken an quadratischen Fenstern und hören traurige und wütende Lieder und hoffen und starren in die Nacht, die ihnen aus Millionen anderer Fenster entgegenleuchtet, und mit ihr das Versprechen der Mega-Stadt: Daß dort draußen eine, einer, viele warten. Das große Glück. Irgendwo hinter einem der tausend blinden Leuchtkegel. Etwas Plötzliches, Unerwartetes, Großes, das es auf dem Dorf, wo man alles, alle kennt, nie geben wird.
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Peter Bialobrzeski: Neontigers. Mit Texten von Florian Hanig und Christof Ribbat. Verlag Hatje Cantz, 112 Seiten, 39,80 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Richtiggehend begeistert zeigt sich Rezensent Ulf Erdmann Ziegler von Peter Bialobrzeskis fotografischen Porträts der "Neontiger"(wie er die asiatischen "Turbostädte" augenzwinkernd nennt). Mit seinen vierzig "detailreichen Bildern" beweise das vorliegende Buch, das lediglich die erste Phase des "gigantischen Projekts" wiedergibt, nicht nur Bialobrzeskis virtuosen Umgang mit den Mitteln der Architekturfotografie, sondern auch ein erstaunliches "Verständnis für die Spezifik des Zusammenhangs", das gerade aus der Wahl der "Perspektiven und Tageszeiten" spreche. Zwar scheinen die Neontiger in ihrem Wettstreit um "die Goldmedaille für Größenwahn" auf den ersten Blick vieles gemeinsam zu haben, zumal die Vertikalität ihrer "Wucherungen". Doch Bialobrzeskis Bilder, so der Rezensent, suchen - und treffen - die jeweilige Eigentümlichkeit der Städte. Sehr gefallen hat dem Rezensenten ebenfalls, dass der Texter Florian Hanig dem einheimischen Blick den Vorzug gibt und asiatische Architekten und Akademiker zu Wort kommen lässt. Insgesamt überzeuge der Band durch seine Thesenlosigkeit: Hier gehe es nicht darum, das alte Europa mit dem hochmodernen Asien zu erschrecken, sondern darum "sich bedacht und strategisch umzusehen, mit der Vorsicht eines Besuchers und der Bestimmtheit eines Dompteurs".
© Perlentaucher Medien GmbH
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