Cambara, eine willensstarke Frau, beschließt, aus ihrer Wahlheimat Toronto in ihr Geburtsland Somalia zurückzukehren. Ihr geliebter Sohn ist durch die Unachtsamkeit ihres Mannes ums Leben gekommen, doch die Reise ist nicht nur eine Flucht: Cambara will das alte Anwesen ihrer Familie den Händen eines Warlords entreißen. Das Mogadischu, in das sie kommt, ist schwer gezeichnet vom Bürgerkrieg: Jugendliche mit automatischen Waffen patrouillieren die Straßen, Clan-Rivalitäten, Langeweile und das allgegenwärtige Kaat haben die einstmals lebendige Stadt im Griff, islamistische Gruppen nutzen die Lähmung, um Einfluß zu gewinnen. Doch nach und nach gelingt es Cambara, Verbündete zu gewinnen - Heldinnen der Vernunft in einer Welt der Zerstörung.Netze ist ein bestürzendes und zugleich hoffnungsvolles Buch mit einer unvergeßlichen Hauptfigur, deren persönliche Reise in die Vergangenheit ein Zeichen für eine bessere Zukunft setzt. Ein Roman über die Realitäten hinter dem Schlagwort vom "Zerfallenen Staat".
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.12.2009Mogadischu glaubt den Tränen nicht
Die Schrecken der Gegenwart für eine bessere Zukunft einfangen: Der somalische Schriftsteller Nuruddin Farah will mit seinem Roman "Netze" seine von Gewalt und Korruption verwüstete Heimat schreibend am Leben erhalten.
Auf der Skala der Schreckensorte dieser Welt rangiert Mogadischu ganz oben, die von Bürgerkrieg und Elend bis zur Unkenntlichkeit gezeichnete, einstmals kosmopolitische Hafen- und Hauptstadt des notorisch versagenden Staates Somalia, der in jüngster Zeit als Piratennest Schlagzeilen macht. Kein Flug lässt sich im Internet in diesen Vorhof der Hölle buchen, schon beim Eingeben des Städtenamens versagen die Masken der Websites. Wir wissen nur, dass dort Menschen leben, mehr als zwei Millionen sollen es sein, aber wie sie leben, das entzieht sich längst unserer Kenntnis, nachdem Mitte der neunziger Jahre die letzten internationalen Hilfsorganisationen und Hunderttausende Flüchtlinge das Land verlassen haben. Gegen Mogadischu ist selbst Kabul ein Hort der Glückseligkeit.
In dieses urbane Inferno schickt der im südafrikanischen Exil lebende somalische Autor Nuruddin Farah Cambara, die Hauptfigur seines neuen Romans. Bereits vor Ausbruch des Bürgerkrieges 1991 hatten sich ihre geschäftstüchtigen Eltern ins kanadische Exil absetzen können, so dass Mogadischu für die junge Rückkehrerin nur als vage Kindheitserinnerung existiert. In Toronto konnte sie sich zur Schauspielerin und Visagistin ausbilden lassen und war zweimal die Ehe mit somalischen Landsmännern eingegangen, eine von der Mutter arrangierte fiktive mit einem Cousin, um diesem die Einbürgerung im Westen zu ermöglichen, und eine Liebesheirat mit traumatischen Folgen. Denn der gewalttätige Ehemann ließ den gemeinsamen Sohn im Pool des Hauses einer Geliebten unbeaufsichtigt, und der Junge ertrank. Um ihren Schmerz zu vergessen, begibt sich Cambara auf eine Himmelfahrtsmission in ihre zerstörte Geburtsstadt, wo sie die einst noble Villa der Familie den Klauen eines Warlords zu entreißen sucht.
Vergiss Somalia, es ist tot und begraben, soll der eigene Bruder Nuruddin Farah Mitte der siebziger Jahre mit auf den Weg ins Exil gegeben haben, als dieser vor den Schergen des Diktators Siad Barre in den Westen fliehen musste. Seither hat der 1945 in Baidao geborene Farah in mehr als einem Dutzend Ländern gelebt und den fatalistischen Geleitspruch von einst in ein kämpferisches Credo gekehrt: Er wolle sein Land am Leben erhalten, sagte er einmal, indem er darüber schreibe. Dazu hat er sich die englische Sprache geliehen, die er neben Somali, Amharisch, Italienisch und Arabisch wie eine Mutterzunge beherrscht. "Netze", im englischen Original 2007 unter dem Titel "Knots" erschienen, ist sein dreizehntes Buch. Alle handeln ausnahmslos von Somalia und den Somalis im Exil. Seit 1996 kehrte Farah immer wieder nach Mogadischu zurück, ähnlich den Helden seiner letzten beiden Romane.
Während Jeebleh in "Links" (deutsch 2005) in dem von zwei verfeindeten Warlords umkämpften Mogadischu der späten neunziger Jahre nach einem verschwundenen Mädchen fahndet, sucht sich Cambara im neuen Roman einige Jahre später einen Weg durch das Chaos einer Stadt zu bahnen, in der Dutzende Warlords mittels hungriger, zerlumpter und ununterbrochen Kat kauender Kindersoldaten um die kargen Ressourcen kämpfen. Gerüstet ist sie mit einem Messer und einem Koffer voller US-Dollar. Die Islamisten - die Union of Islamist Courts - sind bereits auf dem Sprung an die Macht, die Menschen sehnen sich nach Ruhe und Frieden, wenn es sein muss auch mittels der Scharia.
Hinter den von Kugeln zersiebten Ruinen, hinter Müllbergen und von Söldnern im Sicherheitsdienst bewachten Hotels und Residenzen eröffnet sich Cambara ein überraschendes Bild. Die Freundin einer Freundin und Kopf einer Frauenselbsthilfeorganisation nimmt die Rückkehrerin unter ihre Fittiche, nachdem der Cousin und einstige Schein-Ehemann, ihr erster Anlaufpunkt in Mogadischu, auf voller Linie versagt hat. Es sind - wie in fast allen Romanen Farahs - die Frauen, auf denen seine ganze in Literatur gefasste Hoffnung ruht, Frauen, die unter widrigsten Umständen schier Unvorstellbares leisten, während die schwitzenden, stinkenden, vom Kat berauschten Männer spätestens ab mittags ziellos durch die Gegend ballern.
Die Frauen betreiben Krankenhäuser und schaffen Schutzräume für andere Frauen, richten Schulen ein und helfen einander, wo es nur geht. Denn anders als man denkt, gibt es in Mogadischu, wenn man dafür bezahlt und Beziehungen hat, so ziemlich alles - beste Internet- und Telefonverbindungen, Lehrer, die aus dem Ausland für viel Geld eingeworben werden, Handwerker, die Häuser reparieren können, und saubere Hotels, in denen Klimaanlagen und Bäder funktionieren. Mittels eines solchen Beziehungsnetzwerks will Cambara nicht nur ihr Haus zurückgewinnen, sondern dort als Zeichen der Hoffnung ein Theaterstück aufführen. Dabei stehen ihr am Ende sogar ein paar männliche Robin Hoods zur Seite, darunter ein alter Bekannter aus dem Roman "Links", in den Cambara sich zaghaft verliebt.
Ihre Kraft beziehen die Bücher Farahs aus ihrem Stoff, wer sonst schreibt aus und über diesen Ort, wer kennt die Menschen, ihren Alltag, ihre Nöte? Wie seine Vorgänger, so ist auch dieser Roman einer der Visionen, denn afrikanische Autoren, so der Autor, schrieben nicht für die Gegenwart, sondern für die Zukunft. Darin, und nicht nur darin, liegt die Crux des Buches. Die Utopie war schon immer ein Stiefkind der Literatur, zumal dann, wenn sie ganz ohne Ironie, ganz ohne Hintersinn auskommen muss. Wie ein Mantra beschwört Farah die weibliche Zivilgesellschaft, wobei der Leser ahnt, dass der Koffer voller US-Dollar bei der Mission keine ganz unwichtige Rolle spielt und die beschworene Frauengemeinschaft sehr wohl status- und zweckgebunden ist. Alles scheint klar, alles ist stringent geplant und erzählt, bis hin zur Theateraufführung mit Kindersoldaten hinter drei Sicherheitskordons. Das Elend bleibt weitgehend hinter den Scheiben der gepanzerten Fahrzeuge, mit denen Cambara durch Mogadischu chauffiert wird. Das Buch gewinnt immer dann an Dichte, wenn die Heldin die Gutmenschelei hinter sich lässt und gehüllt in eine einengende, aber schützende Burka durch die zerschossenen Straßen von Mogadischu streift.
Die mythischen Geschichten über Familie, Clan und Sexualität, mit denen Farah besonders in seinem Roman "Geheimnisse" (deutsch 2000) die Leser in den Bann zog, mussten der Banalität eines Bürgerkrieges weichen. Dem magischen Realismus von einst folgte ein nüchterner Stil, den dieses Mal Reinhild und Gunter Böhnke ins Deutsche übertragen haben. Der Suhrkamp Verlag erweist seinem Autor, der seit Jahren als Anwärter für den Nobelpreis gehandelt wird, keinen guten Dienst, indem er ihm immer wieder neue Übersetzer zur Seite stellt. Farahs OEuvre, das eine Enzyklopädie des Überlebenswillens in Afrika darstellt, hätte Besseres verdient. Die alten weisen Frauen und Männer aus früheren Romanen wurden entzaubert und durch eine Garde bis an die Zähne bewaffneter moderner Geschäftsfrauen ersetzt, die - eine vielleicht unfreiwillige Botschaft - nicht etwa aus Hilflosigkeit an einem Ort wie Mogadischu verharren, sondern auch, weil man hier gute Geschäfte machen kann.
SABINE BERKING
Nuruddin Farah: "Netze". Roman. Aus dem Englischen von Reinhild und Gunter Böhnke. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2009. 490 S., geb., 28,80 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die Schrecken der Gegenwart für eine bessere Zukunft einfangen: Der somalische Schriftsteller Nuruddin Farah will mit seinem Roman "Netze" seine von Gewalt und Korruption verwüstete Heimat schreibend am Leben erhalten.
Auf der Skala der Schreckensorte dieser Welt rangiert Mogadischu ganz oben, die von Bürgerkrieg und Elend bis zur Unkenntlichkeit gezeichnete, einstmals kosmopolitische Hafen- und Hauptstadt des notorisch versagenden Staates Somalia, der in jüngster Zeit als Piratennest Schlagzeilen macht. Kein Flug lässt sich im Internet in diesen Vorhof der Hölle buchen, schon beim Eingeben des Städtenamens versagen die Masken der Websites. Wir wissen nur, dass dort Menschen leben, mehr als zwei Millionen sollen es sein, aber wie sie leben, das entzieht sich längst unserer Kenntnis, nachdem Mitte der neunziger Jahre die letzten internationalen Hilfsorganisationen und Hunderttausende Flüchtlinge das Land verlassen haben. Gegen Mogadischu ist selbst Kabul ein Hort der Glückseligkeit.
In dieses urbane Inferno schickt der im südafrikanischen Exil lebende somalische Autor Nuruddin Farah Cambara, die Hauptfigur seines neuen Romans. Bereits vor Ausbruch des Bürgerkrieges 1991 hatten sich ihre geschäftstüchtigen Eltern ins kanadische Exil absetzen können, so dass Mogadischu für die junge Rückkehrerin nur als vage Kindheitserinnerung existiert. In Toronto konnte sie sich zur Schauspielerin und Visagistin ausbilden lassen und war zweimal die Ehe mit somalischen Landsmännern eingegangen, eine von der Mutter arrangierte fiktive mit einem Cousin, um diesem die Einbürgerung im Westen zu ermöglichen, und eine Liebesheirat mit traumatischen Folgen. Denn der gewalttätige Ehemann ließ den gemeinsamen Sohn im Pool des Hauses einer Geliebten unbeaufsichtigt, und der Junge ertrank. Um ihren Schmerz zu vergessen, begibt sich Cambara auf eine Himmelfahrtsmission in ihre zerstörte Geburtsstadt, wo sie die einst noble Villa der Familie den Klauen eines Warlords zu entreißen sucht.
Vergiss Somalia, es ist tot und begraben, soll der eigene Bruder Nuruddin Farah Mitte der siebziger Jahre mit auf den Weg ins Exil gegeben haben, als dieser vor den Schergen des Diktators Siad Barre in den Westen fliehen musste. Seither hat der 1945 in Baidao geborene Farah in mehr als einem Dutzend Ländern gelebt und den fatalistischen Geleitspruch von einst in ein kämpferisches Credo gekehrt: Er wolle sein Land am Leben erhalten, sagte er einmal, indem er darüber schreibe. Dazu hat er sich die englische Sprache geliehen, die er neben Somali, Amharisch, Italienisch und Arabisch wie eine Mutterzunge beherrscht. "Netze", im englischen Original 2007 unter dem Titel "Knots" erschienen, ist sein dreizehntes Buch. Alle handeln ausnahmslos von Somalia und den Somalis im Exil. Seit 1996 kehrte Farah immer wieder nach Mogadischu zurück, ähnlich den Helden seiner letzten beiden Romane.
Während Jeebleh in "Links" (deutsch 2005) in dem von zwei verfeindeten Warlords umkämpften Mogadischu der späten neunziger Jahre nach einem verschwundenen Mädchen fahndet, sucht sich Cambara im neuen Roman einige Jahre später einen Weg durch das Chaos einer Stadt zu bahnen, in der Dutzende Warlords mittels hungriger, zerlumpter und ununterbrochen Kat kauender Kindersoldaten um die kargen Ressourcen kämpfen. Gerüstet ist sie mit einem Messer und einem Koffer voller US-Dollar. Die Islamisten - die Union of Islamist Courts - sind bereits auf dem Sprung an die Macht, die Menschen sehnen sich nach Ruhe und Frieden, wenn es sein muss auch mittels der Scharia.
Hinter den von Kugeln zersiebten Ruinen, hinter Müllbergen und von Söldnern im Sicherheitsdienst bewachten Hotels und Residenzen eröffnet sich Cambara ein überraschendes Bild. Die Freundin einer Freundin und Kopf einer Frauenselbsthilfeorganisation nimmt die Rückkehrerin unter ihre Fittiche, nachdem der Cousin und einstige Schein-Ehemann, ihr erster Anlaufpunkt in Mogadischu, auf voller Linie versagt hat. Es sind - wie in fast allen Romanen Farahs - die Frauen, auf denen seine ganze in Literatur gefasste Hoffnung ruht, Frauen, die unter widrigsten Umständen schier Unvorstellbares leisten, während die schwitzenden, stinkenden, vom Kat berauschten Männer spätestens ab mittags ziellos durch die Gegend ballern.
Die Frauen betreiben Krankenhäuser und schaffen Schutzräume für andere Frauen, richten Schulen ein und helfen einander, wo es nur geht. Denn anders als man denkt, gibt es in Mogadischu, wenn man dafür bezahlt und Beziehungen hat, so ziemlich alles - beste Internet- und Telefonverbindungen, Lehrer, die aus dem Ausland für viel Geld eingeworben werden, Handwerker, die Häuser reparieren können, und saubere Hotels, in denen Klimaanlagen und Bäder funktionieren. Mittels eines solchen Beziehungsnetzwerks will Cambara nicht nur ihr Haus zurückgewinnen, sondern dort als Zeichen der Hoffnung ein Theaterstück aufführen. Dabei stehen ihr am Ende sogar ein paar männliche Robin Hoods zur Seite, darunter ein alter Bekannter aus dem Roman "Links", in den Cambara sich zaghaft verliebt.
Ihre Kraft beziehen die Bücher Farahs aus ihrem Stoff, wer sonst schreibt aus und über diesen Ort, wer kennt die Menschen, ihren Alltag, ihre Nöte? Wie seine Vorgänger, so ist auch dieser Roman einer der Visionen, denn afrikanische Autoren, so der Autor, schrieben nicht für die Gegenwart, sondern für die Zukunft. Darin, und nicht nur darin, liegt die Crux des Buches. Die Utopie war schon immer ein Stiefkind der Literatur, zumal dann, wenn sie ganz ohne Ironie, ganz ohne Hintersinn auskommen muss. Wie ein Mantra beschwört Farah die weibliche Zivilgesellschaft, wobei der Leser ahnt, dass der Koffer voller US-Dollar bei der Mission keine ganz unwichtige Rolle spielt und die beschworene Frauengemeinschaft sehr wohl status- und zweckgebunden ist. Alles scheint klar, alles ist stringent geplant und erzählt, bis hin zur Theateraufführung mit Kindersoldaten hinter drei Sicherheitskordons. Das Elend bleibt weitgehend hinter den Scheiben der gepanzerten Fahrzeuge, mit denen Cambara durch Mogadischu chauffiert wird. Das Buch gewinnt immer dann an Dichte, wenn die Heldin die Gutmenschelei hinter sich lässt und gehüllt in eine einengende, aber schützende Burka durch die zerschossenen Straßen von Mogadischu streift.
Die mythischen Geschichten über Familie, Clan und Sexualität, mit denen Farah besonders in seinem Roman "Geheimnisse" (deutsch 2000) die Leser in den Bann zog, mussten der Banalität eines Bürgerkrieges weichen. Dem magischen Realismus von einst folgte ein nüchterner Stil, den dieses Mal Reinhild und Gunter Böhnke ins Deutsche übertragen haben. Der Suhrkamp Verlag erweist seinem Autor, der seit Jahren als Anwärter für den Nobelpreis gehandelt wird, keinen guten Dienst, indem er ihm immer wieder neue Übersetzer zur Seite stellt. Farahs OEuvre, das eine Enzyklopädie des Überlebenswillens in Afrika darstellt, hätte Besseres verdient. Die alten weisen Frauen und Männer aus früheren Romanen wurden entzaubert und durch eine Garde bis an die Zähne bewaffneter moderner Geschäftsfrauen ersetzt, die - eine vielleicht unfreiwillige Botschaft - nicht etwa aus Hilflosigkeit an einem Ort wie Mogadischu verharren, sondern auch, weil man hier gute Geschäfte machen kann.
SABINE BERKING
Nuruddin Farah: "Netze". Roman. Aus dem Englischen von Reinhild und Gunter Böhnke. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2009. 490 S., geb., 28,80 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Sehr interessant fand es Karl-Markus Gauß, aus diesem Roman Nuruddin Farahs mehr über die Zustände in Somalia zu erfahren, als die Schreckensmeldungen in den Medien berichten. Der Schriftsteller, der, wie der Rezensent weiß, selbst lange Zeit als somalischer Flüchtling in Italien, Deutschland und den USA verbrachte, lässt seine in Kanada lebende Protagonistin Cambarra in das Land ihrer Herkunft zurückkehren. Wie Gauß berichtet, erzählt das Buch von der Konfrontation der gebürtigen und von zahllosen Schicksalsschlägen heimgesuchten Somalierin mit den Zuständen in ihrem Heimatland, in dem "skrupellose Kriegsfürsten und islamistische Sittenwächter" das Sagen haben. Von Drogen berauschte Kindersoldaten und Frauen in Ganzkörperschleier bilden laut dem Rezensenten die Kulisse von "Netze". Doch einen Hoffnungsschimmer erkennt Gauß in dieser schrecklichen Szenerie: die Frauen. So naiv das auch klinge, meint der Rezensent, so zeige Farah in seinem Roman eine Form von weiblichem Widerstand, der lebensbejahend wirke. Trotz einigen umständlichen und detailreichen Beschreibungen lobt Gauß den Roman, in dem laut ihm "kleine Inseln der Zivilisation im Meer der Barbarei" entstünden.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Ihre Kraft beziehen die Bücher Farahs aus ihrem Stoff. Wie seine Vorgänger, so ist auch dieser Roman einer der Visionen, denn afrikanische Autoren, so der Autor, schrieben nicht für die Gegenwart, sondern für die Zukunft.« Sabine Berking Frankfurter Allgemeine Zeitung 20091204