Dem Begriff der NEUEN SOZIALEN BEWEGUNGEN haftet ein merkwürdi ges Schicksal an. Zu Zeiten, als die Phänomene, die er beschreiben soll, die politische Landschaft der Bundesrepublik nachhaltig vor Anpassungsprobleme stellten und damit nicht zu übersehen waren, überwiegte in den Sozialwissenschaften die Skepsis, ob es denn berechtigt sei, diese Phänomene mit einem Begriff zu belegen. Hinter dieser nur scheinbar übertriebenen Zurückhaltung stand der berechtigte Zweifel, ob es denn wirklich genügend Gemeinsamkeiten in den Entstehungsbedingungen und den Zielset zungen der viel faltigen Einzelphänomene gebe, die zudem in einem ausreichendem Sinne als neu zu bestimmen seien. Hinzu kam die Unsicherheit darüber, welche be sondere Existenzweise soziale Bewegungen überhaupt annehmen. Heute ist diese Si tuation, vielleicht aber auch die Existenz der NEUEN SOZIALEN BEWEGUNGEN insgesamt schon Geschichte. Ihr Begriff hat sich in den Sozialwissenschaften weitge hend durchgesetzt, während sich die Phänomene zumindest nicht mehr in der gleichen Stärke öffentlich artikulieren. Nun könnte man über diese Merkwürdigkeit noch mit Hinweis auf die Behaup tung Hegels hinweggehen, daß eine "Gestalt des Lebens" immer erst dann zu begrei fen ist, wenn sie in die Jahre kommt, wenn sie selbst "reif" geworden ist und von der Eule der Klugheit, die bekanntlich erst in der Abenddämmerung fliegt, in ihrer ferti gen Gestalt bewundert werden kann. Doch ist hier Vorsicht angebracht - vielleicht verhält es sich auch genau umgekehrt.
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