Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.12.1999Das Leben ist gleich einer Blum
Als Maria Sibylla Merian im Jahr 1647 in Frankfurt am Main geboren wurde, lag der Zusammenbruch des Tulpenmarktes bereits zehn Jahre zurück. Die erste Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts waren die Jahre des Tulpenwahns: Für Tulpengärten und einzelne Pflanzen wurden Unsummen bezahlt. Es kam zu Börsenspekulationen, in deren Folge der Markt zusammenbrach. In ihrem "Neuen Blumenbuch", dessen erster Teil 1675 erschien, finden sich zwar sechzehn "schöne Tulipane" wie der "Hevelmann" und die "Wittfrau", aber in der Häufigkeit der abgebildeten Blumen stehen Anemone, Ranunkel, Rose und Iris vor der Tulpe, die in den meisten Florilegien des siebzehnten Jahrhunderts dominierte. Auch in der Auswahl ihrer Motive zum "Neuen Blumenbuch" schenkte die Merian den Konventionen ihrer Zeit nicht mehr Respekt als unbedingt nötig.
Die Tochter des Frankfurter Kupferstechers Matthäus Merian, eine der interessantesten und eigensinnigsten Frauen ihrer Zeit, begann als Dreizehnjährige mit dem Studium der Insekten, vor allem der Seidenraupen, deren Metamorphose sie 1679 in dem Band "Der Raupen wunderbare Verwandelung" beschrieb. Naturwissenschaftliches Erkenntnisinteresse und Präzision der Beobachtung mischten sich mit dem Bedürfnis, die Schönheit der Schöpfung auch in ihren kleinsten Kreaturen zu preisen. Neben die künstlerische und wissenschaftliche Begabung trat eine ungewöhnliche Lebenstüchtigkeit: Nach der Scheidung sicherte sie den Lebensunterhalt für sich und ihre beiden Töchter durch den Handel mit Blumenbildern, präparierten Insekten und Farben. Die Geschäfte waren so einträglich, dass die Zweiundfünfzigjährige 1699 zu einer selbst finanzierten zweijährigen Forschungsreise nach Surinam aufbrechen konnte. Der Versuch, die Früchte dieser Reise zu publizieren, führte jedoch zum Ruin. Bevor der dritte Band ihrer "Metamorphosis Insectorum Surinamensium erschien, starb Maria Sibylla Merian 1717 in Amsterdam. Ihr Erstlingswerk, das "Neue Blumenbuch", hat sich in nur sechs Exemplaren erhalten. Jetzt hat der Prestel Verlag es in einer wunderschönen zweibändigen Ausgabe neu herausgebracht, all jenen zum Geschenk, die glauben, was die Merianin ihrem Dichterfreund Christoph Arnold über eine gemalte Rose schrieb: "Deß Menschen leben ist gleich einer Blum." (Maria Sibylla Merian: "Neues Blumenbuch". Mit Beiträgen von Thomas Bürger und Marina Heilmeyer. Prestel Verlag, München 1999. Zwei Bände, in Kass., Abb., geb., 198,- DM.)
igl
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Als Maria Sibylla Merian im Jahr 1647 in Frankfurt am Main geboren wurde, lag der Zusammenbruch des Tulpenmarktes bereits zehn Jahre zurück. Die erste Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts waren die Jahre des Tulpenwahns: Für Tulpengärten und einzelne Pflanzen wurden Unsummen bezahlt. Es kam zu Börsenspekulationen, in deren Folge der Markt zusammenbrach. In ihrem "Neuen Blumenbuch", dessen erster Teil 1675 erschien, finden sich zwar sechzehn "schöne Tulipane" wie der "Hevelmann" und die "Wittfrau", aber in der Häufigkeit der abgebildeten Blumen stehen Anemone, Ranunkel, Rose und Iris vor der Tulpe, die in den meisten Florilegien des siebzehnten Jahrhunderts dominierte. Auch in der Auswahl ihrer Motive zum "Neuen Blumenbuch" schenkte die Merian den Konventionen ihrer Zeit nicht mehr Respekt als unbedingt nötig.
Die Tochter des Frankfurter Kupferstechers Matthäus Merian, eine der interessantesten und eigensinnigsten Frauen ihrer Zeit, begann als Dreizehnjährige mit dem Studium der Insekten, vor allem der Seidenraupen, deren Metamorphose sie 1679 in dem Band "Der Raupen wunderbare Verwandelung" beschrieb. Naturwissenschaftliches Erkenntnisinteresse und Präzision der Beobachtung mischten sich mit dem Bedürfnis, die Schönheit der Schöpfung auch in ihren kleinsten Kreaturen zu preisen. Neben die künstlerische und wissenschaftliche Begabung trat eine ungewöhnliche Lebenstüchtigkeit: Nach der Scheidung sicherte sie den Lebensunterhalt für sich und ihre beiden Töchter durch den Handel mit Blumenbildern, präparierten Insekten und Farben. Die Geschäfte waren so einträglich, dass die Zweiundfünfzigjährige 1699 zu einer selbst finanzierten zweijährigen Forschungsreise nach Surinam aufbrechen konnte. Der Versuch, die Früchte dieser Reise zu publizieren, führte jedoch zum Ruin. Bevor der dritte Band ihrer "Metamorphosis Insectorum Surinamensium erschien, starb Maria Sibylla Merian 1717 in Amsterdam. Ihr Erstlingswerk, das "Neue Blumenbuch", hat sich in nur sechs Exemplaren erhalten. Jetzt hat der Prestel Verlag es in einer wunderschönen zweibändigen Ausgabe neu herausgebracht, all jenen zum Geschenk, die glauben, was die Merianin ihrem Dichterfreund Christoph Arnold über eine gemalte Rose schrieb: "Deß Menschen leben ist gleich einer Blum." (Maria Sibylla Merian: "Neues Blumenbuch". Mit Beiträgen von Thomas Bürger und Marina Heilmeyer. Prestel Verlag, München 1999. Zwei Bände, in Kass., Abb., geb., 198,- DM.)
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