Das offenherzige Selbstporträt eines der bedeutendsten Fotojournalisten Deutschlands, Robert Lebeck, Top-Fotoreporter während der glorreichen Zeit des Stern, erzählt die spannende Geschichte seines Lebens hinter der Kamera. Die Jagd nach Bildern führte ihn um die ganze Welt und in keineswegs alltägliche Situationen. Auf seiner Suche nach Motiven kam er zahlllosen Persönlichkeiten aus Politik, Kultur und Gesellschaft nahe und wurde zu einem der wichtigsten Chronisten seiner Zeit.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.03.2014Er hat die Welt für uns entdeckt
Der Fotograf Robert Lebeck gab als Fotograf unserer Erinnerung ein so präzises Bild, als wären wir selbst dabei gewesen.
Es war Liebe auf den ersten Blick." So beginnt die Autobiographie von Robert Lebeck. Und es dauert dann immerhin gut anderthalb Seiten, bis er endlich den Namen nennt: Retina. Genauer noch: "Retina 1a". Es war ein Fotoapparat, den ihm seine Frau hübsch verpackt mit dem Hinweis überreicht hatte, er könne doch Bildreporter werden. Heute ist das auf den Tag genau zweiundsechzig Jahre her. Die Kamera war ihr Geschenk zu seinem dreiundzwanzigsten Geburtstag.
Sein erster selbstgestellter Auftrag führte Robert Lebeck in den Heidelberger Zoo, wo er drei Schwarzbären im Gegenlicht fotografierte. Mit dem Bild machte er sich schnurstracks auf den Weg zur "Rhein-Neckar-Zeitung", die ihn allerdings ebenso schnurstracks wieder zur Tür hinausbeförderte. Im zweiten Anlauf war er erfolgreicher. Beim Baden-Badener Rosenfest hatte er zufällig Bundeskanzler Adenauer und den südbadischen Ministerpräsidenten Leo Wohleb gemeinsam auf der Bühne gesehen. Zwei seiner Bilder erschienen auf der Titelseite. Und seine Karriere als Fotoreporter entwickelte sich, wie er schreibt, "mit zunehmender, erfreulicher Geschwindigkeit".
Nach Stationen bei "Revue" und "Kristall" landete Lebeck 1966 beim "Stern" und zählte bald zu den Bekanntesten seines Berufs. Aus dem Stegreif lassen sich heute Dutzende Motive nennen, mit denen er Fotografiegeschichte geschrieben hat - und zugleich unserer Erinnerung ein solch präzises Bild gegeben hat, als wären wir in diesen Momenten selbst dabei gewesen: Adenauers Empfang für Winston Churchill, 1956; Elvis Presley als Soldat in einer Kaserne in Friedberg, 1958; der Kongolese, der König Baudouin den Degen entreißt, 1960; Jackie Kennedy und ihre Schwester Lee Radziwill am Sarg von Robert Kennedy, 1968; Joseph Beuys mit Axt auf dem Sofa, 1970; Willy Brandt mit seinem Hund am Strand, 1972, und im selben Jahr Helmut Kohl in der Pose Napoleons vor dem Capitol in Washington; Romy Schneider tanzend in einer Bar in Quiberon, 1981.
Allesamt sind es unaufdringliche Bilder - nie geprägt von Sensationsgier oder dem Willen zu verblüffen. Und nie hat Lebeck sich von großen Namen korrumpieren lassen, obwohl die Liste derer, die er fotografiert hat, einem Who's who der Zeitgeschichte gleicht. Vielmehr sind die Aufnahmen geprägt von einer Unaufgeregtheit, hinter der sich Welt- und Lebenserfahrung verbergen. "Keine Kinkerlitzchen", nannte Lebeck einmal das Motto seiner Arbeit. Und damit meinte er wohl auch sein Engagement bei noch dem vermeintlich banalsten Auftrag. Denn natürlich bewegte sich Lebeck nicht nur zwischen Empfängen und Großereignissen hin und her; er widmete sich mit gleichem Interesse dem Alltag überall auf dem Globus, ob er eine Augenklinik in Bangladesch besucht hat, Fischer in Spanien oder eine Musikschule in Odessa - genaugenommen hat er für das deutsche Publikum der Nachkriegszeit die Welt überhaupt erst entdeckt.
"Welt" heißt nun auch so schlicht wie unpräzis sein dieser Tage erschienener Bildband, quasi ein Geschenk der großartigen Reihe "Stern Portfolio" zu Lebecks 85. Geburtstag, den er heute feiert. Es ist keine Auswahl von Höhepunkten aus seinem Dutzend anderer Bücher; im Gegenteil. Und doch sind diese kaum bekannten Motive aus fast einem halben Jahrhundert allesamt klassische Lebecks, wenn man sich erst einmal daran gewöhnt hat, dass es sich ausnahmslos um Farbaufnahmen handelt. Die meisten scheinen en passant entstanden zu sein, wie aus dem Handgelenk aufgenommen. Lebeck ist hier ganz Flaneur, mit wachem Blick, nicht neugieriger Störenfried. Wenn er einen Spielplatz in Belfast fotografiert, wenn Schüler sich bei einem Ausflug nach Dachau zum Rauchen hinter eine Mauer verdrücken oder wenn Gäste eines Cafés in der Via Veneto in der Sonne dösen, dann scheint kaum je jemand mitbekommen zu haben, dass Lebeck überhaupt anwesend war. Es ist eine unaufdringliche, zurückhaltende Empathie, die aus den Bildern spricht. Selbst dort, wo auf einer Party in Monte Carlo ein Rolls- Royce an einem Swimmingpool geparkt ist, verkneift er sich Ironie. Das Leben, zeigt er uns, hat eben viele Facetten.
Dass er, um diesen Beweis anzutreten, bisweilen auch geschummelt hat, gesteht er in einem der kleinen, oft augenzwinkernd verfassten Texte des Buchs: Weil er auf Bali nirgendwo mehr das überholte Ritual des Zähneschleifens fotografieren konnte, stellte er die Szene kurzerhand nach - mit seiner Dolmetscherin und einem Restaurantbesitzer, der dafür die Feile und Kopfschmuck besorgte. Es ist ein beeindruckendes Bild. Auch darin zeigt sich Welterfahrung.
FREDDY LANGER
Robert Lebeck: "Welt". Edition stern Fotografie, Portfolio Nr. 75, Hamburg 2014. 96 S., Abb., geb., 18.- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der Fotograf Robert Lebeck gab als Fotograf unserer Erinnerung ein so präzises Bild, als wären wir selbst dabei gewesen.
Es war Liebe auf den ersten Blick." So beginnt die Autobiographie von Robert Lebeck. Und es dauert dann immerhin gut anderthalb Seiten, bis er endlich den Namen nennt: Retina. Genauer noch: "Retina 1a". Es war ein Fotoapparat, den ihm seine Frau hübsch verpackt mit dem Hinweis überreicht hatte, er könne doch Bildreporter werden. Heute ist das auf den Tag genau zweiundsechzig Jahre her. Die Kamera war ihr Geschenk zu seinem dreiundzwanzigsten Geburtstag.
Sein erster selbstgestellter Auftrag führte Robert Lebeck in den Heidelberger Zoo, wo er drei Schwarzbären im Gegenlicht fotografierte. Mit dem Bild machte er sich schnurstracks auf den Weg zur "Rhein-Neckar-Zeitung", die ihn allerdings ebenso schnurstracks wieder zur Tür hinausbeförderte. Im zweiten Anlauf war er erfolgreicher. Beim Baden-Badener Rosenfest hatte er zufällig Bundeskanzler Adenauer und den südbadischen Ministerpräsidenten Leo Wohleb gemeinsam auf der Bühne gesehen. Zwei seiner Bilder erschienen auf der Titelseite. Und seine Karriere als Fotoreporter entwickelte sich, wie er schreibt, "mit zunehmender, erfreulicher Geschwindigkeit".
Nach Stationen bei "Revue" und "Kristall" landete Lebeck 1966 beim "Stern" und zählte bald zu den Bekanntesten seines Berufs. Aus dem Stegreif lassen sich heute Dutzende Motive nennen, mit denen er Fotografiegeschichte geschrieben hat - und zugleich unserer Erinnerung ein solch präzises Bild gegeben hat, als wären wir in diesen Momenten selbst dabei gewesen: Adenauers Empfang für Winston Churchill, 1956; Elvis Presley als Soldat in einer Kaserne in Friedberg, 1958; der Kongolese, der König Baudouin den Degen entreißt, 1960; Jackie Kennedy und ihre Schwester Lee Radziwill am Sarg von Robert Kennedy, 1968; Joseph Beuys mit Axt auf dem Sofa, 1970; Willy Brandt mit seinem Hund am Strand, 1972, und im selben Jahr Helmut Kohl in der Pose Napoleons vor dem Capitol in Washington; Romy Schneider tanzend in einer Bar in Quiberon, 1981.
Allesamt sind es unaufdringliche Bilder - nie geprägt von Sensationsgier oder dem Willen zu verblüffen. Und nie hat Lebeck sich von großen Namen korrumpieren lassen, obwohl die Liste derer, die er fotografiert hat, einem Who's who der Zeitgeschichte gleicht. Vielmehr sind die Aufnahmen geprägt von einer Unaufgeregtheit, hinter der sich Welt- und Lebenserfahrung verbergen. "Keine Kinkerlitzchen", nannte Lebeck einmal das Motto seiner Arbeit. Und damit meinte er wohl auch sein Engagement bei noch dem vermeintlich banalsten Auftrag. Denn natürlich bewegte sich Lebeck nicht nur zwischen Empfängen und Großereignissen hin und her; er widmete sich mit gleichem Interesse dem Alltag überall auf dem Globus, ob er eine Augenklinik in Bangladesch besucht hat, Fischer in Spanien oder eine Musikschule in Odessa - genaugenommen hat er für das deutsche Publikum der Nachkriegszeit die Welt überhaupt erst entdeckt.
"Welt" heißt nun auch so schlicht wie unpräzis sein dieser Tage erschienener Bildband, quasi ein Geschenk der großartigen Reihe "Stern Portfolio" zu Lebecks 85. Geburtstag, den er heute feiert. Es ist keine Auswahl von Höhepunkten aus seinem Dutzend anderer Bücher; im Gegenteil. Und doch sind diese kaum bekannten Motive aus fast einem halben Jahrhundert allesamt klassische Lebecks, wenn man sich erst einmal daran gewöhnt hat, dass es sich ausnahmslos um Farbaufnahmen handelt. Die meisten scheinen en passant entstanden zu sein, wie aus dem Handgelenk aufgenommen. Lebeck ist hier ganz Flaneur, mit wachem Blick, nicht neugieriger Störenfried. Wenn er einen Spielplatz in Belfast fotografiert, wenn Schüler sich bei einem Ausflug nach Dachau zum Rauchen hinter eine Mauer verdrücken oder wenn Gäste eines Cafés in der Via Veneto in der Sonne dösen, dann scheint kaum je jemand mitbekommen zu haben, dass Lebeck überhaupt anwesend war. Es ist eine unaufdringliche, zurückhaltende Empathie, die aus den Bildern spricht. Selbst dort, wo auf einer Party in Monte Carlo ein Rolls- Royce an einem Swimmingpool geparkt ist, verkneift er sich Ironie. Das Leben, zeigt er uns, hat eben viele Facetten.
Dass er, um diesen Beweis anzutreten, bisweilen auch geschummelt hat, gesteht er in einem der kleinen, oft augenzwinkernd verfassten Texte des Buchs: Weil er auf Bali nirgendwo mehr das überholte Ritual des Zähneschleifens fotografieren konnte, stellte er die Szene kurzerhand nach - mit seiner Dolmetscherin und einem Restaurantbesitzer, der dafür die Feile und Kopfschmuck besorgte. Es ist ein beeindruckendes Bild. Auch darin zeigt sich Welterfahrung.
FREDDY LANGER
Robert Lebeck: "Welt". Edition stern Fotografie, Portfolio Nr. 75, Hamburg 2014. 96 S., Abb., geb., 18.- [Euro].
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