Der erste Titel zum Thema Neuroleadership!
INHALTE
- Das Trendthema aus den USA!
- Wie Erkenntnisse der Neurowissenschaften durch Führungskräfte angewendet werden können.
- Wie man Mitarbeiter richtig motiviert und belohnt, um den Unternehmenserfolg zu steigern.
- "Gehirngerechte" Entscheidungsfindungen, Verhandlungen und Kommunikation.
- Mit konkreten Anleitungen, Beispielen und Checklisten.
INHALTE
- Das Trendthema aus den USA!
- Wie Erkenntnisse der Neurowissenschaften durch Führungskräfte angewendet werden können.
- Wie man Mitarbeiter richtig motiviert und belohnt, um den Unternehmenserfolg zu steigern.
- "Gehirngerechte" Entscheidungsfindungen, Verhandlungen und Kommunikation.
- Mit konkreten Anleitungen, Beispielen und Checklisten.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.07.2009Führen mit mehr Geist oder mehr Hirn
Der letzte Schrei der Forschung: Neuroleadership. Einblicke in die Arbeitsweise unseres Denkorgans sollen betriebswirtschaftlich nützlich sein.
Hirnforscher müssen Optimisten sein. Wie sonst ließe es sich erklären, dass sie angesichts des kühnen Vorhabens, das Denkorgan mit Hilfe ebendieses Denkorgans zu enträtseln, nicht verzweifeln. Vielmehr erleben die Neurowissenschaften seit vielen Jahren eine nie dagewesene Blütezeit. Längst geht es nicht mehr nur um Grundlagenforschung und ein besseres Verständnis von krankhaften Störungen. Immer häufiger lockt auch die Anwendung des gewonnenen Wissens, und zwar nicht nur, wie zu erwarten, in der Medizin, sondern auch auf zunächst überraschenden Feldern.
Nach der Neuroökonomie, bei der sich Neurowissenschaften und Wirtschaftswissenschaften vermählt haben, um zum Beispiel herauszufinden, wie man Kaufentscheidungen beeinflussen kann, verheißt nun ein mit dem Begriff "Neuroleadership" belegter Vorstoß betriebswirtschaftlichen Nutzen. Aufgrund neurowissenschaftlicher Erkenntnisse sollen Führungskräfte befähigt werden, "gehirngerechter" zu entscheiden, wie Christian Elger das ausdrückt. Elger ist Direktor der Universitätsklinik für Epileptologie in Bonn und Wissenschaftlicher Geschäftsführer des dort ansässigen Unternehmens Life&Brain. Er sieht ein großes Potential für das noch in den Kinderschuhen steckende Forschungsgebiet, wie sein unlängst erschienenes Buch "Neuroleadership" zeigt (Rudolf Haufe Verlag, Planegg/München 2009).
Zwar nimmt Elger jene Skeptiker durchaus ernst, die argwöhnen, der 2006 in den Vereinigten Staaten geschaffene Begriff sei lediglich ein neues Wort für alte Inhalte beim Training von Führungskräften. Andererseits steht für den Wissenschaftler fest, dass die Hirnforschung zunehmend mit der klassischen Psychologie konkurriert, sie ergänzt, prüft und mitunter zu komplett neuen Ergebnissen kommt.
Das Gehirn des Menschen wird mit gutem Grund als das komplexeste Gebilde im bekannten Universum bezeichnet. Schon die nackten Zahlen sind eindrucksvoll, und sie beeindrucken sogar noch in der jetzigen Wirtschaftskrise, in der das Rechnen mit Milliarden zum alltäglichen Geschäft geworden ist. Rund einhundert Milliarden Nervenzellen, so die gängige Schätzung, beherbergt unser Gehirn. Dazu kommen zehnmal so viele Gliazellen, eine in ihrer Bedeutung für die Informationsverarbeitung lange unterschätzte Fraktion. Noch weit imposanter als die Zahl der Zellen ist die der Verknüpfungen: Mit bis zu 15 000 Kontaktstellen kann eine einzelne Nervenzelle mit anderen Nervenzellen verbunden sein. Das Ergebnis sind Aberbillionen von Verbindungen. Unfassbar jedenfalls, dass es nicht zu einem heillosen Durcheinander kommt, zumal die Verbindungen nach Bedarf wieder gekappt und durch andere ersetzt werden.
Von Störungen lernen
Die Wandlungsfähigkeit oder Plastizität des Gehirns, die dem Menschen lebenslang die Fähigkeit zum Lernen und zur Weiterentwicklung verleiht, stellt den Grundpfeiler für Neuroleadership dar. Diese Plastizität lässt sich auf der Ebene der Materie festmachen, wie die Hirnforschung gezeigt hat: In Sekundenschnelle können sich schon bestehende Kontaktstellen, die Synapsen, zwischen Nervenzellen verstärken. Bei Bedarf werden auch neue Synapsen angelegt, was vielleicht Stunden dauert. Beides dient dem Lernen und dem Gedächtnis. Entgegen einem lange zäh verteidigten Dogma können im Gehirn von Erwachsenen sogar neue Nervenzellen heranwachsen. Auch dieser Prozess, der Tage erfordert, steht im Dienste des Lernens. Die Möglichkeiten, die sich infolge der Plastizität für die Weiterentwicklung des Menschen ergeben, wird nach Elgers Überzeugung noch nicht voll erkannt, zum Beispiel in der Wirtschaft.
Maßgeblich dazu beitragen sollen bildgebende Verfahren, allen voran die funktionelle Kernspintomographie. Mit ihr können die Forscher die Aktivitäten des Gehirns sichtbar machen und dadurch eine Vorstellung davon erhalten, welche Regionen bei bestimmten Aufgaben gefordert sind. Auch für die Bonner Arbeitsgruppe, die Elger zusammen mit Bernd Weber leitet, ist die funktionelle Kernspintomographie ein unersetzliches Werkzeug. Es gibt aber noch ein weiteres Instrument, und zwar eines, das "gewöhnlichen" Forschergruppen versagt bleibt: Elektroden im Gehirn. Was zunächst nach höchst verwerflichen Menschenversuchen klingen mag, entpuppt sich schnell als unbedenklich, wenn man sich die eigentliche Aufgabe der Klinik für Epileptologie vergegenwärtigt. Elger und seine Mitarbeiter sind ständig mit Patienten konfrontiert, die ihre Anfallskrankheit durch Medikamente nicht in den Griff bekommen und daher eine Operation in Erwägung ziehen. Die Suche nach dem Krampfherd im Gehirn erfordert höchste Präzision und bleibt hochspezialisierten Zentren wie demjenigen in Bonn vorbehalten. Nicht selten müssen zur exakten Lokalisierung Elektroden tief in das Gehirn eingeführt werden. Wenn die Patienten einverstanden sind, nutzen die Bonner Forscher das dazu, Hirnfunktionen mit ansonsten unerreichbarer räumlicher und zeitlicher Genauigkeit zu messen.
Manche Epilepsien haben ihren Ursprung in Hirngebieten, die beim Thema Neuroleadership ins Spiel kommen. Beispiele dafür sind der Hippocampus, eine für Lernen und Gedächtnis wichtige Struktur, oder der für das emotionale Einfärben von Informationen zuständige Mandelkern. Aus der Aktivität solcher Zellverbände unter bestimmten Versuchsbedingungen lassen sich Rückschlüsse auf neuronale Muster in Alltagssituationen ziehen - etwa darauf, wie eine Führungskraft auf die Belegschaft eines Unternehmens wirkt.
Hirn hasst Zufall
Insgesamt sind es vier Hirnsysteme, die im Konzept von Neuroleadership über Erfolg oder Misserfolg entscheiden. Als zentrale Schaltstelle wird das Belohnungssystem angesehen. Hierbei handelt es sich um eine Funktionseinheit, bestehend aus mehreren Strukturen, vor allem aus dem Nucleus accumbens im Striatum und Arealen im Mittelhirn und Stirnlappen. Wenn das Belohnungssystem aktiviert wird, fühlt man sich wohl und motiviert. Erkenntnissen der Hirnforschung zufolge verstärkt, verändert oder hemmt dieses System, ohne dass dies dem Menschen bewusst wird, Gedankenprozesse und Verhaltensweisen, die man im Nachhinein rational zu begründen versucht. Im Berufsleben wird es zum Beispiel aktiviert, wenn das Erlernen neuer Arbeitsabläufe umgehend honoriert wird und man die Gelegenheit bekommt, Erlerntes auch anzuwenden. Fairness und Vertrauen spielen ebenfalls eine große Rolle.
Im Fokus der Neuroleadership-Forschung steht auch das emotionale System, das Reaktionen wie Vorfreude, Wut, Furcht und Panik hervorruft. Als wichtige Struktur wurde der paarige Mandelkern identifiziert, der mit vielen anderen Hirnteilen in Verbindung steht. Er kann eintreffende Informationen aufwerten und zum Beispiel bewirken, dass Hormone ausgeschüttet werden, die das Wohlbefinden fördern. Anders als im Alltag wird in der Forschung zwischen Emotion und Gefühl unterschieden. Emotionen steuern unser Verhalten und werden uns erst bewusst, wenn sie sich als Gefühl äußern. Neuroleadership zielt darauf, mit eigenen und fremden Emotionen so umzugehen, dass das Belohnungssystem aktiviert wird.
Als weitere Säule erfolgreicher Führungspraxis gilt das Wissen um das Gedächtnissystem. Die Hauptaufgabe des Gedächtnisses sehen die Wissenschaftler nicht darin, uns in Erinnerungen schwelgen zu lassen, sondern Fähigkeiten bereitzustellen, die in der Zukunft nützlich sein könnten. Das Gehirn, so die Annahme, macht ständig Vorhersagen darüber, welche Informationen als nächste eintreffen werden. Dementsprechend plant es die Reaktionen darauf. "Nichts ist dem Gehirn so verhasst wie der schiere Zufall", sagt Elger. Zur Vorhersage benötigt das Gehirn Erinnerungen. Diese sind nicht in Stein gemeißelt, sondern werden ständig überarbeitet, oft auch durch neue ersetzt. Das macht den unersetzlichen Wert der Erfahrung aus. Gute Führungspraxis wird diesen Schatz zu nutzen wissen.
Ob ein Vorhaben letztlich umgesetzt wird, hängt vom Entscheidungssystem ab. Diese im Cortex des Stirnlappens beheimatete Instanz gilt als oberstes Kontrollzentrum für Entscheidungen und eine der Situation angemessene Steuerung von Handlungen. Sie entwickelt Strategien und langfristige Planungen. Zur Ausübung seiner Macht ist das Entscheidungszentrum aber auf Signale aus den drei anderen Systemen angewiesen. Das werden gute Führungskräfte berücksichtigen.
Neuroleadership vermittelt eine Ahnung davon, mit welcher Wucht die Neurowissenschaften die Zuordnung von Hirnleistungen zu Hirnstrukturen weiterhin vorantreiben werden. Bei aller Faszination und bei allem prognostizierten medizinischen Nutzen weckt diese Materialisierung des Ichs auch Unbehagen. Sie kann auf erschreckend ernüchternde Weise das Wesen eines Menschen zu einem Stückchen Hirngewebe verdichten. An der Bonner Klinik wurde einmal ein an epileptischen Anfällen leidender Mann behandelt, der schon seit seiner Kindheit keinen sozialen Normen folgte und als berüchtigter Schläger, Einbrecher und Dieb zu vier Jahren Haft verurteilt worden war. Als Ursache der Epilepsie identifizierte man eine Missbildung im Stirnhirn. Nachdem die Ärzte die Struktur von knapp Fingerhutgröße chirurgisch entfernt hatten, traten keine Anfälle mehr auf. Zudem legte der Patient nun ein gänzlich anderes Verhalten an den Tag, geprägt von Verantwortungsbewusstsein, Mitgefühl und Moral. Er leitet inzwischen ein Unternehmen. Durch das Herausoperieren des Stückchens Hirngewebe wurde er nach Elgers Worten "ein anderer Mensch". Zum Glück ein besserer.
REINHARD WANDTNER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der letzte Schrei der Forschung: Neuroleadership. Einblicke in die Arbeitsweise unseres Denkorgans sollen betriebswirtschaftlich nützlich sein.
Hirnforscher müssen Optimisten sein. Wie sonst ließe es sich erklären, dass sie angesichts des kühnen Vorhabens, das Denkorgan mit Hilfe ebendieses Denkorgans zu enträtseln, nicht verzweifeln. Vielmehr erleben die Neurowissenschaften seit vielen Jahren eine nie dagewesene Blütezeit. Längst geht es nicht mehr nur um Grundlagenforschung und ein besseres Verständnis von krankhaften Störungen. Immer häufiger lockt auch die Anwendung des gewonnenen Wissens, und zwar nicht nur, wie zu erwarten, in der Medizin, sondern auch auf zunächst überraschenden Feldern.
Nach der Neuroökonomie, bei der sich Neurowissenschaften und Wirtschaftswissenschaften vermählt haben, um zum Beispiel herauszufinden, wie man Kaufentscheidungen beeinflussen kann, verheißt nun ein mit dem Begriff "Neuroleadership" belegter Vorstoß betriebswirtschaftlichen Nutzen. Aufgrund neurowissenschaftlicher Erkenntnisse sollen Führungskräfte befähigt werden, "gehirngerechter" zu entscheiden, wie Christian Elger das ausdrückt. Elger ist Direktor der Universitätsklinik für Epileptologie in Bonn und Wissenschaftlicher Geschäftsführer des dort ansässigen Unternehmens Life&Brain. Er sieht ein großes Potential für das noch in den Kinderschuhen steckende Forschungsgebiet, wie sein unlängst erschienenes Buch "Neuroleadership" zeigt (Rudolf Haufe Verlag, Planegg/München 2009).
Zwar nimmt Elger jene Skeptiker durchaus ernst, die argwöhnen, der 2006 in den Vereinigten Staaten geschaffene Begriff sei lediglich ein neues Wort für alte Inhalte beim Training von Führungskräften. Andererseits steht für den Wissenschaftler fest, dass die Hirnforschung zunehmend mit der klassischen Psychologie konkurriert, sie ergänzt, prüft und mitunter zu komplett neuen Ergebnissen kommt.
Das Gehirn des Menschen wird mit gutem Grund als das komplexeste Gebilde im bekannten Universum bezeichnet. Schon die nackten Zahlen sind eindrucksvoll, und sie beeindrucken sogar noch in der jetzigen Wirtschaftskrise, in der das Rechnen mit Milliarden zum alltäglichen Geschäft geworden ist. Rund einhundert Milliarden Nervenzellen, so die gängige Schätzung, beherbergt unser Gehirn. Dazu kommen zehnmal so viele Gliazellen, eine in ihrer Bedeutung für die Informationsverarbeitung lange unterschätzte Fraktion. Noch weit imposanter als die Zahl der Zellen ist die der Verknüpfungen: Mit bis zu 15 000 Kontaktstellen kann eine einzelne Nervenzelle mit anderen Nervenzellen verbunden sein. Das Ergebnis sind Aberbillionen von Verbindungen. Unfassbar jedenfalls, dass es nicht zu einem heillosen Durcheinander kommt, zumal die Verbindungen nach Bedarf wieder gekappt und durch andere ersetzt werden.
Von Störungen lernen
Die Wandlungsfähigkeit oder Plastizität des Gehirns, die dem Menschen lebenslang die Fähigkeit zum Lernen und zur Weiterentwicklung verleiht, stellt den Grundpfeiler für Neuroleadership dar. Diese Plastizität lässt sich auf der Ebene der Materie festmachen, wie die Hirnforschung gezeigt hat: In Sekundenschnelle können sich schon bestehende Kontaktstellen, die Synapsen, zwischen Nervenzellen verstärken. Bei Bedarf werden auch neue Synapsen angelegt, was vielleicht Stunden dauert. Beides dient dem Lernen und dem Gedächtnis. Entgegen einem lange zäh verteidigten Dogma können im Gehirn von Erwachsenen sogar neue Nervenzellen heranwachsen. Auch dieser Prozess, der Tage erfordert, steht im Dienste des Lernens. Die Möglichkeiten, die sich infolge der Plastizität für die Weiterentwicklung des Menschen ergeben, wird nach Elgers Überzeugung noch nicht voll erkannt, zum Beispiel in der Wirtschaft.
Maßgeblich dazu beitragen sollen bildgebende Verfahren, allen voran die funktionelle Kernspintomographie. Mit ihr können die Forscher die Aktivitäten des Gehirns sichtbar machen und dadurch eine Vorstellung davon erhalten, welche Regionen bei bestimmten Aufgaben gefordert sind. Auch für die Bonner Arbeitsgruppe, die Elger zusammen mit Bernd Weber leitet, ist die funktionelle Kernspintomographie ein unersetzliches Werkzeug. Es gibt aber noch ein weiteres Instrument, und zwar eines, das "gewöhnlichen" Forschergruppen versagt bleibt: Elektroden im Gehirn. Was zunächst nach höchst verwerflichen Menschenversuchen klingen mag, entpuppt sich schnell als unbedenklich, wenn man sich die eigentliche Aufgabe der Klinik für Epileptologie vergegenwärtigt. Elger und seine Mitarbeiter sind ständig mit Patienten konfrontiert, die ihre Anfallskrankheit durch Medikamente nicht in den Griff bekommen und daher eine Operation in Erwägung ziehen. Die Suche nach dem Krampfherd im Gehirn erfordert höchste Präzision und bleibt hochspezialisierten Zentren wie demjenigen in Bonn vorbehalten. Nicht selten müssen zur exakten Lokalisierung Elektroden tief in das Gehirn eingeführt werden. Wenn die Patienten einverstanden sind, nutzen die Bonner Forscher das dazu, Hirnfunktionen mit ansonsten unerreichbarer räumlicher und zeitlicher Genauigkeit zu messen.
Manche Epilepsien haben ihren Ursprung in Hirngebieten, die beim Thema Neuroleadership ins Spiel kommen. Beispiele dafür sind der Hippocampus, eine für Lernen und Gedächtnis wichtige Struktur, oder der für das emotionale Einfärben von Informationen zuständige Mandelkern. Aus der Aktivität solcher Zellverbände unter bestimmten Versuchsbedingungen lassen sich Rückschlüsse auf neuronale Muster in Alltagssituationen ziehen - etwa darauf, wie eine Führungskraft auf die Belegschaft eines Unternehmens wirkt.
Hirn hasst Zufall
Insgesamt sind es vier Hirnsysteme, die im Konzept von Neuroleadership über Erfolg oder Misserfolg entscheiden. Als zentrale Schaltstelle wird das Belohnungssystem angesehen. Hierbei handelt es sich um eine Funktionseinheit, bestehend aus mehreren Strukturen, vor allem aus dem Nucleus accumbens im Striatum und Arealen im Mittelhirn und Stirnlappen. Wenn das Belohnungssystem aktiviert wird, fühlt man sich wohl und motiviert. Erkenntnissen der Hirnforschung zufolge verstärkt, verändert oder hemmt dieses System, ohne dass dies dem Menschen bewusst wird, Gedankenprozesse und Verhaltensweisen, die man im Nachhinein rational zu begründen versucht. Im Berufsleben wird es zum Beispiel aktiviert, wenn das Erlernen neuer Arbeitsabläufe umgehend honoriert wird und man die Gelegenheit bekommt, Erlerntes auch anzuwenden. Fairness und Vertrauen spielen ebenfalls eine große Rolle.
Im Fokus der Neuroleadership-Forschung steht auch das emotionale System, das Reaktionen wie Vorfreude, Wut, Furcht und Panik hervorruft. Als wichtige Struktur wurde der paarige Mandelkern identifiziert, der mit vielen anderen Hirnteilen in Verbindung steht. Er kann eintreffende Informationen aufwerten und zum Beispiel bewirken, dass Hormone ausgeschüttet werden, die das Wohlbefinden fördern. Anders als im Alltag wird in der Forschung zwischen Emotion und Gefühl unterschieden. Emotionen steuern unser Verhalten und werden uns erst bewusst, wenn sie sich als Gefühl äußern. Neuroleadership zielt darauf, mit eigenen und fremden Emotionen so umzugehen, dass das Belohnungssystem aktiviert wird.
Als weitere Säule erfolgreicher Führungspraxis gilt das Wissen um das Gedächtnissystem. Die Hauptaufgabe des Gedächtnisses sehen die Wissenschaftler nicht darin, uns in Erinnerungen schwelgen zu lassen, sondern Fähigkeiten bereitzustellen, die in der Zukunft nützlich sein könnten. Das Gehirn, so die Annahme, macht ständig Vorhersagen darüber, welche Informationen als nächste eintreffen werden. Dementsprechend plant es die Reaktionen darauf. "Nichts ist dem Gehirn so verhasst wie der schiere Zufall", sagt Elger. Zur Vorhersage benötigt das Gehirn Erinnerungen. Diese sind nicht in Stein gemeißelt, sondern werden ständig überarbeitet, oft auch durch neue ersetzt. Das macht den unersetzlichen Wert der Erfahrung aus. Gute Führungspraxis wird diesen Schatz zu nutzen wissen.
Ob ein Vorhaben letztlich umgesetzt wird, hängt vom Entscheidungssystem ab. Diese im Cortex des Stirnlappens beheimatete Instanz gilt als oberstes Kontrollzentrum für Entscheidungen und eine der Situation angemessene Steuerung von Handlungen. Sie entwickelt Strategien und langfristige Planungen. Zur Ausübung seiner Macht ist das Entscheidungszentrum aber auf Signale aus den drei anderen Systemen angewiesen. Das werden gute Führungskräfte berücksichtigen.
Neuroleadership vermittelt eine Ahnung davon, mit welcher Wucht die Neurowissenschaften die Zuordnung von Hirnleistungen zu Hirnstrukturen weiterhin vorantreiben werden. Bei aller Faszination und bei allem prognostizierten medizinischen Nutzen weckt diese Materialisierung des Ichs auch Unbehagen. Sie kann auf erschreckend ernüchternde Weise das Wesen eines Menschen zu einem Stückchen Hirngewebe verdichten. An der Bonner Klinik wurde einmal ein an epileptischen Anfällen leidender Mann behandelt, der schon seit seiner Kindheit keinen sozialen Normen folgte und als berüchtigter Schläger, Einbrecher und Dieb zu vier Jahren Haft verurteilt worden war. Als Ursache der Epilepsie identifizierte man eine Missbildung im Stirnhirn. Nachdem die Ärzte die Struktur von knapp Fingerhutgröße chirurgisch entfernt hatten, traten keine Anfälle mehr auf. Zudem legte der Patient nun ein gänzlich anderes Verhalten an den Tag, geprägt von Verantwortungsbewusstsein, Mitgefühl und Moral. Er leitet inzwischen ein Unternehmen. Durch das Herausoperieren des Stückchens Hirngewebe wurde er nach Elgers Worten "ein anderer Mensch". Zum Glück ein besserer.
REINHARD WANDTNER
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"Das Buch will die neuesten Ergebnisse der Hirnforschung vorstellen und zeigen, wie sie für die Führung von Mitarbeitern angewandt werden können. Es soll dargestellt werden, wie Neuroleadership auch Führungskräften die Möglichkeit geben kann, sich selbst realistischer wahrzunehmen. Konkrete Beispiele mit Führungssituationen veranschaulichen die Grundprinzipien und helfen bei der Umsetzung." -- IHK Bochum: Wirtschaft im Revier
"Christian E. Elger, Direktor der Klinik für Epileptologie im Universitätsklinikum Bonn, zeigt in seinem Buch 'Neuroleadership', wie Führungskräfte im Berufsalltag aktuelle Erkenntnisse der Hirnforschung nutzen können. Der Leser erfährt, wie man veraltete Denkmuster aufbrechen und 'hirngerecht' führen kann. Der Autor zeigt, wie man Mitarbeiter richtig motiviert und belohnt. Elger gibt konkretet Anleitungen, arbeitet viel mit Beispielen und Checklisten." -- Main Echo
"Christian E. Elger, Direktor der Klinik für Epileptologie im Universitätsklinikum Bonn, zeigt in seinem Buch 'Neuroleadership', wie Führungskräfte im Berufsalltag aktuelle Erkenntnisse der Hirnforschung nutzen können. Der Leser erfährt, wie man veraltete Denkmuster aufbrechen und 'hirngerecht' führen kann. Der Autor zeigt, wie man Mitarbeiter richtig motiviert und belohnt. Elger gibt konkretet Anleitungen, arbeitet viel mit Beispielen und Checklisten." -- Main Echo