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Zwei Journalisten aus den Vereinigten Staaten sollen für ein US-Magazin eine Story über Neuschwanstein und König Ludwig II. schreiben. Als sie vor Ort mit ihren Recherchen beginnen, werden sie von einer vermummten Jugendbande verprügelt und aufgefordert, schnellstens zu verschwinden. Auch in den folgenden Tagen geschehen in und um Neuschwanstein Gewalttaten, und die Journalisten werden Zeugen, wie der Traum der Ludwigtreuen zum Albtraum wird.

Produktbeschreibung
Zwei Journalisten aus den Vereinigten Staaten sollen für ein US-Magazin eine Story über Neuschwanstein und König Ludwig II. schreiben. Als sie vor Ort mit ihren Recherchen beginnen, werden sie von einer vermummten Jugendbande verprügelt und aufgefordert, schnellstens zu verschwinden. Auch in den folgenden Tagen geschehen in und um Neuschwanstein Gewalttaten, und die Journalisten werden Zeugen, wie der Traum der Ludwigtreuen zum Albtraum wird.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.08.1996

Märchenkönigs Meisterplan
Teuflisch: Norbert Klugmann läßt Ludwig II. von Bayern leben

Der Tod König Ludwigs II. von Bayern, der 1886 mit seinem Psychiater von Gudden im Starnberger See den Tod fand, gehört zu den mysteriösesten Kriminalfällen aller Zeiten. Norbert Klugmann verdanken wir jetzt eine neue Version des sagenumwobenen Geschehens. Mord? Selbstmord? Unfall? Verschwörung? Umnachtung? Verhängnis? "Ludwig ist 1886 nicht gestorben", lautet einer der Schlüsselsätze des Historienkrimis "Neuschwanstein" - und wenigstens diese Pointe darf hier verraten werden, denn sie ist auf dem Klappentext abgedruckt. Ludwig also wurde damals nur von treuen Verehrern entführt, ein Scheinbegräbnis fand statt, und der König konnte noch ein paar Jahre wie in der Kyffhäusersage, in einem Palast im Berginneren versteckt, sein bayerisches Märchenland weiterregieren und gar mit einer schönen Försterstochter die Dynastie fortzeugen, bis ihn ein profaner Schlangenbiß dahinraffte.

Klugmann, routinierter Krimiautor und rühmenswerter Verfasser einer Heinz-Erhardt-Biographie, taucht tief in den Ludwig-Mythos ein, um ein sattes Szenario zusammenzubekommen: Zwei deutsche Magazinjournalisten geraten bei einer harmlosen Recherche um Ludwigs Lieblingsschloß Neuschwanstein in eine Verbrechensintrige. Lange läuft alles nach konventionellem Krimischema ab: nächtliche Überfälle, bedrohlich-abweisende Einheimische in und um Füssen, undurchsichtige Fremde, anonyme Warnungen. Eine Atmosphäre Orwellscher Unheimlichkeit, in der Fremdenführer, Zimmermädchen, Drachenflieger zu Überwachern mutieren. In Gestalt der Öko-Malerin Ricarda ist den beiden Journalisten als tröstliches Gegengewicht ein Objekt für eine dreisame erotische Eskapade beigegeben, welche Klugmann lustvoll und ausgiebig in einem hinterwäldlerischen Wohnwagen in Szene zu setzen weiß. Oder liegt gerade in der Orgie der Schlüssel für den teuflischen Plan?

Bis ziemlich genau zur Seite fünfhundert läßt Klugmann seine Leser im dunkeln tappen. Trotzdem liest sich der umständliche Plot über weite Strecken vergnüglich, weil der Verfasser - wie seine beiden Helden - ein Profi ist. Die Dialoge sind flüssig, trotz einiger Überdrehtheiten meist recht witzig; die Fährten ins Zentrum der Intrige sind für wachsame Leser deutlich genug ausgelegt; die Landschaftsschilderungen sind anschaulich gelungen. Zwar kommt der Autor an der Kolportage nicht vorbei, will das wohl auch gar nicht. So gerät der Fotograf Tom als treuer Ekkehard und knubbelig-spleeniger bester Freund des Erzählers manchmal gar zu originell und damit künstlich. Und die bewegte journalistische Vergangenheit unserer Superhelden, aus der uns ausgiebig berichtet wird, ist mindestens pulitzerpreiswürdig.

Was dann ab Seite fünfhundert ausgebreitet wird, kann hier nicht verraten werden. Immerhin soviel: Es ist eine Art Weltverschwörung im Geiste des toten oder gar nicht so toten Königs Ludwig. Die Spuren führen nicht zum Starnberger, sondern zur Südsee. Sogar das Haus Wittelsbach ist in diesen Masterplan aus dem Geiste des Märchenkönigs verstrickt. Klugmann spart hier wahrlich nicht mit Phantasie, und es kommt so weit, daß weiten Teilen Oberbayerns die Sintflut droht oder wenigstens Schloß Neuschwanstein in die Luft fliegen könnte. Gerade diese Gigantomanie, die ja auch schon dem historischen Ludwig zum Verhängnis wurde, läßt das schlau gemachte Buch wirr ausufern.

Eine englische Autorin hätte nach soviel mühevoller Vorarbeit die Intrige wieder auf den Boden des Who-done-it geholt: Dann hätte sich der gutmütige Gärtner von Neuschwanstein als perverser Touristinnenschreck entpuppt oder ein größenwahnsinniger Ludwig-Adept hätte ein paar Stangen Dynamit im königlichen Prunkbett versteckt, und ein cooler Detektiv hätte dem Bösewicht in letzter Sekunde elegant die Maske vom Gesicht gerissen. Doch, wie gesagt, Klugmann will mehr. Deshalb kommt der Leser auf den immerhin noch gut zweihundert Seiten des Endkampfs zwischen Gut und Böse, Verrückt und Vernünftig, Ludwig und dem Rest der Welt ziemlich durcheinander. Personen tauchen auf und verschwinden wieder, eine unzerstörbare Zeitmaschine tickt, ganze Wälder kippen um, wie bei Hitchcock fallen Vögel einen einbalsamierten Ludwig-Leichnam an. Und nichts davon wird, wie vorher das kleinste Detail, logisch erklärt. Es ist wie eine Schachpartie, die nach dem sechzigsten Zug mit Rugby-Regeln weitergeht.

Noch ärger als bei Peter Høeg, der die mit genialer Hand ausgelegten Handlungsfäden seiner "Fräulein Smilla" nicht mehr zusammenbekam und seinen Bösewicht am Ende wie Frankensteins Monster ins arktische Eis schicken mußte, zerläuft auch Klugmanns Krimi-Backwerk zum Schluß wie ein Sahnebaiser an der Sonne. Vielleicht sollte sich hier der Krimi zum Symbolroman auswachsen? Ludwigs Lebenstraum der ästhetisierten Welt geht in der häßlichen Moderne restlos zuschanden? Neuschwanstein ist zu schön für diese Welt? Solche Überfrachtung, die selbst einen Richard Wagner zuweilen schwer verdaulich macht, ist für einen Krimi tödlich. Immerhin gelingen dem Autor im apokalyptischen Finale hübsche Visionen habgieriger, grapschender Touristenmeuten, die über das verlassene Schloß herfallen wie ein Termitenschwarm. Offenbar hat die Recherche vor Ort bei Klugmann einen gesunden Ekel vor dem Massentourismus freigesetzt.

Doch sonst, nach so vielen Seiten geschickter Prosa: Wahn, Wahn überall nur Wahn. Vielleicht ist dies das Schicksal aller, die sich mit dem märchenhaften Ludwig mit solcher Leidenschaft befassen. So mysteriös das Ende im Starnberger See auch ist - es taugt wohl nicht zum Krimi. Eine Oper müßte es schon sein. DIRK SCHÜMER

Norbert Klugmann: "Neuschwanstein". Roman. Haffmans Verlag, Zürich 1996. 719 S., geb., 48,- DM

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