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Künstler, Galerien, Kritiker: In Manhattan schlägt das Herz der Gegenwartskunst. Kaum ein großer Name, kaum eine neue Bewegung der letzten Jahrzehnte, die nicht von Manhattan ausgegangen wäre. Jed Pearl, einer der wichtigsten Kunstkritiker New Yorks, hat die Geschichte Manhattans als Kunstmetropole aufgeschrieben. Ein Who's Who der Künstler von Jackson Pollock über Andy Warhol bis Donald Judd. Und eine Liebeserklärung an Manhattan als Lebensform, die ein atemberaubendes Kapitel in der Entwicklung der Künste ermöglicht hat.

Produktbeschreibung
Künstler, Galerien, Kritiker: In Manhattan schlägt das Herz der Gegenwartskunst. Kaum ein großer Name, kaum eine neue Bewegung der letzten Jahrzehnte, die nicht von Manhattan ausgegangen wäre. Jed Pearl, einer der wichtigsten Kunstkritiker New Yorks, hat die Geschichte Manhattans als Kunstmetropole aufgeschrieben. Ein Who's Who der Künstler von Jackson Pollock über Andy Warhol bis Donald Judd. Und eine Liebeserklärung an Manhattan als Lebensform, die ein atemberaubendes Kapitel in der Entwicklung der Künste ermöglicht hat.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.10.2006

Die Stadtneurotiker der neueren Kunstgeschichte
Jed Perl beschreibt, wie New York zum Zentrum für Gegenwartskunst gemacht wurde / Von Niklas Maak

In der Kunstmetropole Paris gehen in den fünfziger Jahren die Lichter aus und alle avantgardistischen Energien fließen in und durch New York, wo man mit schiefem Blick auf Europa schaut - wie auf einen alten Hut.

Zum Beispiel Hans Hofmann: Kaum eine andere Figur verkörpert die Verlagerung der modernen Kunst von Europa in die Vereinigten Staaten, die Ablösung von Paris durch New York als Zentrum der zeitgenössischen Kunst nach 1950 so deutlich wie der deutsche Maler. Geboren 1880 im bayerischen Weißenburg, studierte er ab 1898 Kunst in München, orientierte sich am Impressionismus, ging 1904 nach Paris, lernte Picasso und Delaunay kennen und stand in Deutschland für eine französisch geprägte Moderne, bis er vor den Nationalsozialisten nach New York floh - und 1933 gründet er dort eine Kunstschule, in der er jungen amerikanischen Malern das vermittelte, was er aus dem Europa von Matisse, Picasso und Braque mitgebracht hatte.

Hofmann war ein einflußreicher Lehrer, der in Amerika aber erst richtig entdeckt wurde, als ihn Peggy Guggenheim ausstellte. Danach wurde er in den Vereinigten Staaten großzügig und nicht ohne strategische Hintergedanken dem Umfeld von Jackson Pollock, Arshile Gorky und Willem de Kooning zugerechnet, den "Abstrakten Expressionisten", die gerade mit propagandistischen Aufwand zur ersten originär amerikanischen Künstlerbewegung erklärt worden waren - zu einer Gruppe, in deren Folge sich das Zentrum der zeitgenössischen Kunst endgültig von Paris nach New York verlagerte. So wundert es nicht, daß 1960, im Alter von 80 Jahren, Hofmann auf der Kunstbiennale in Venedig wieder auftauchte - als einer von vier amerikanischen Künstlern.

"Hofmann war von gedrungener Statur, hatte einen großen, markanten Kopf und bediente sich wie ein Redner seiner Arme und Hände, wenn es einen wichtigen Aspekt zu beschreiben galt. Ein Maler, der mit einem zuweilen fast unverständlichen deutschen Akzent die Grundsätze der modernen Kunst darlegte": Mit dieser Beschreibung beginnt Jed Perls Kunst-Erzählung "New Art City". Das Buch ist, anders als Serge Guilbauts berühmtes "How New York Stole the Idea of Modern Art" keine politisch engagierte, kritische Großthese zur ideologischen Verstrickung der Kunstwelt im Kalten Krieg, sondern der Versuch einer sozio-geographischen Analyse der Kunstmetropole New York und ihrer Entstehung in den fünfziger Jahren - und auch ein Versuch, ie amerikanische Kunstgeschichte dieser Zeit von der gradlinigen Heldengeschichte des Abstrakten Expressionismus wegzuschreiben. Dem 1951 in New York geborenen Kunstkritiker Perl, der das Kunstressort des "New Republic" leitet, geht es darum, ein anderes Manhattan zu entdecken: das jener Künstler, die durch das Sieb der amerikanischen Kunstgeschichte gefallen sind, ohne die aber das Manhattan-spezifisches Klima der Ermöglichung, das schon in den dreißiger Jahren Künstler aus Europa anzog, nicht denkbar wäre und ohne die Manhattan seit 1950 wohl kaum zu jenem "Zentrum der Kunst" geworden wäre, als das einige Jahre zuvor noch Paris galt.

Wie mit einem erzählerischen Schaufelbagger schürft Perl im Manhattan der fünfziger und sechziger Jahre nach Anekdoten, die zeigen, wie die Kunstwelt damals funktionierte. Perl schöpft mit großer Entdeckerfreude aus dem Fundus der Künstlerlegenden. Viele Protagonisten des New Yorker Kunstbooms der fünfziger bis siebziger Jahre werden wieder ans Licht gebracht: Künstler wie Robert de Niro, Vater des gleichnamigen Schauspielers, oder der Maler Fairfield Porter, der versuchte, die amerikanische Maltradition Hoppers fortzuführen, was keine dankbare Aufgabe war in den siebziger Jahren. Perl liebt die Dissidenten der Moderne mehr als ihre amtlichen Helden, er widmet sich mit Hingabe jenen, die sich dem Mainstream entzogen, dem verschrobenen Maler Leland Bell etwa, der die zweite, figürlich gebliebene Reihe der französischen Avantgarde, André Dérain und Albert Marquet, den großen Heroen vorzog und schließlich bei einer kirchenfensterhaften Pop-art landete.

New York wird in Perls Buch auch verständlich als perfektes Sammelbecken solcher Figuren, die hier einen - konservativen, auf Hopperschen Realismus fixierten - Markt für ihre Kunst fanden. Man erfährt viel Bizarres in Perls Buch: daß etwa das deutsche Wort "Kunsthistoriker" in de Koonings Umkreis trotz der Verehrung für den Kunsthistoriker und Kritiker Meyer Schapiro als Schimpfwort benutzt wurde; daß in dem von Willem de Kooning mitgegründeten Artist's Club Hannah Arendt und John Cage auftraten, als ihn noch kaum einer kannte. Mit all diesen Anekdoten zeichnet Perl eine Topographie nach, ohne die Manhattans Aufstieg zur Kunstmetropole nur schwer nachvollziehbar wäre. Er stellt Hofmanns Schule in der achten Straße vor, die Galerien in der zehnten Straße, die Pearl Street, in der Jasper Johns und Robert Rauschenberg wohnten, dazu die Bars wie das Cedar Tavern, in der Willem de Kooning auf Jackson Pollock traf und die bald zum mythischen Ort der neuen amerikanischen Kunstleitfiguren wurde. Perl zeichnet aber auch nach, wie die New Yorker Kritiker die "Americaness" der amerikanischen Kunst propagierten und ihre europäischen Hintergründe entschlossen über Bord warfen. Es war der Kritiker Clement Greenberg, der den Holländer de Kooning zur Gallionsfigur der amerikanischen Kunst machte, als er schrieb, wie "südlich der Vierunddreißigsten Straße über das Schicksal der amerikanischen Kunst entschieden wird, und zwar von jungen Leuten, die in Behausungen ohne warmes Wasser wohnen und von der Hand in den Mund leben". Die Zehnte Straße wird als Montmartre der Amerikaner verklärt, de Kooning als ihr Chef-Bohemien, Pollock als Inbegriff des originär Amerikanischen in der Kunst.

Perl zeigt, wie in diesem ideologischen, gegen Europa gerichteten Abnabelungsprozeß die neue amerikanische Gegenwartskunst ihre Väter fraß: wie der experimentierfreudige Hans Hofmann unter die Räder der Kritik geriet, weil seine Kunst - anders als die Action Paintings von Pollock oder Rothkos flirrende Rechtecke - keinem Label entsprach. In einer Zeit, in der Amerikas Kunst zur Selbstvergewisserung ihrer "Americaness" auf Typisches und leicht wiedererkennbare Formen angewiesen war, mußte sich Hofmann von seinem Schüler Clement Greenberg kritisieren lassen, die Vielfalt dieser Malweisen wecke "den Verdacht, daß es sich um eine unangemessene Beschäftigung mit Problemen und Herausforderungen um ihrer selbst willen handelt".

Wichtig ist Perl die Psychotopographie der Kunststadt Manhattan. "Für einen Empiriker kann ein Ort größte Bedeutung haben, ob es sich nun um das Atelier handelt, in dem er arbeitet, oder um die Straße oder die Landschaft, die er täglich sieht", schreibt Perl. Der Kunstkritiker ist dabei durchaus anfällig für den "Mythos Manhattan", dessen Entstehung er analysieren will: Er gönnt sich einen bei den kritischen Materialisten seiner Branche nicht gern gehörten, schwärmerischen Tonfall, wenn es um Kunstwerke geht oder um das Licht Manhattans. Dieses Licht wird bei ihm zur kunsthistorischen Kategorie: Perl sieht Phasen, in denen die New Yorker Kunst sich eher der Nacht-, und Jahre, in denen sie sich eher den Tagseiten Manhattans zuwandte: "Die Metropole, in die sich de Kooning in den dreißiger Jahren verliebt hatte und die er in den schwarzweißen Abstraktionen seiner ersten Ausstellung 1948 bei Charles Egan verewigt hatte, war im übernatürlichen Sinne eine Stadt der Nacht gewesen, die Stadt des Traums. Fairfield Porters New York der siebziger Jahre war auf eine triumphierende Weise die Stadt des Tageslichts."

Perl zeigt aber auch anhand von reichem literarischen Quellenmaterial, wie Künstler aus dem Freundeskreis von Willem de Kooning, allen voran der Schriftsteller Edwin Denby, die New Yorker "Herden von Fahrzeugen, die im Himmel verschwinden wie in der Prärie", feiern und damit ein Bild von Manhattans absoluter Modernität schaffen, das im uramerikanischen Mythos der Siedlerromantik gründet: Die Straßenschlucht erscheint als Canyon. Der Maler Barnett Newman feiert Manhattan in den vierziger Jahren als eine "heterogene Kosmopolis", in der zwei Amerikas aufeinanderstoßen, was den Ort einzigartig mache - das klassische, vorindustrielle Amerika mit seinen unentdeckten Weiten und das hyperrationalistische, absolut moderne.

Es überzeugt, selbst wenn Perls Grundaxiome der Kunstbetrachtung durchaus kritisiert werden können, wie er Haltungen und Entwicklungen an einer bestimmten Stadttopographie festmacht: wie er etwa den Gegensatz zwischen dem eiskalt rationalistischen Bauhaus-Internationalismus, der um 1955 in Midtown Einzug hielt, und den rußigen alten Backsteinhäusern in der Zehnten Straße von Manhattan beschreibt, wo die meisten Künstler lebten. Ausgerechnet die modernen Künstler, deren Lehrer vom Bauhaus kamen, reagierten mißtrauisch auf den Siegeszug einer kapitalistisch befeuerten Bauhaus-Eleganz vierzig Straßen weiter nördlich. Die perfekt polierten Glas-und-Stahl-Fassaden des Lever House oder des Seagram Building waren ihnen ein Ausdruck jener mechanistisch durchrationalisierten Welt, gegen die sich die in den Häusern des präindustriellen Amerikas verschanzten Künstler des abstrakten Expressionismus mit ihren farbschleudernden Spontansubjektivismen in Stellung brachten. In diesem Licht wird Jackson Pollocks Selbststilisierung als Eremitengenie im Holzschuppen am Meer, wo er seine Action Paintings fertigte, noch einmal ganz anders verständlich. Die These leuchtet ein, daß die Positionierung der amerikanischen Gegenwartskunst gegen einen Bauhaus-Internationalismus, der die gleichen Wurzeln hatte wie sie, gern auf eine dichotomische Topografie zurückgriff: kapitalistische Stahl-Eleganz in Midtown gegen sudelfreudige, höchstpersönlich gestische All-Over-Paintings in den Schuppen am Meer und in den haptisch vor sich hinbröckelnden Backsteinidyllen von Downtown. In einem letzten Kapitel zeigt Perl, wie sich die Pop-art gegen die abstrakten Expressionisten auch dadurch positionierte, indem sie deren topographisches und ästhetisches Freund-Feind-System ignorierte.

Was Perl am New York der vierziger bis sechziger Jahre untersucht, den Mechanismus, mit dem eine Stadt zum Zentrum für "Gegenwartskunst gemacht wird, funktioniert ganz ähnlich im London der späten achtziger und im Berlin der neunziger Jahre - so gesehen geht seine Manhattan-Analyse über den Ort hinaus und beschreibt allgemeine Denkschemata einer Kunstwelt, die bei aller Globalität Figuren und Orte braucht, an denen ihre Selbststilisierungen und Frontverläufe greifbar werden können. Unter all diesen Orten ist Manhattan sicherlich der erfolgreichste, den die Geschichte der modernen Kunst kennt.

Jed Perl: "New Art City". Manhattan und die Erfindung der Gegenwartskunst. Aus dem Amerikanischen von Jörg Trobitius. Carl Hanser Verlag, München 2006. 716 S., geb., 39,80 [Euro].

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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 31.10.2006

Sachbücher des Monats November
Empfohlen werden nach einer monatlich erstellten Rangliste Bücher der Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften sowie angrenzender Gebiete.
1.SAUL FRIEDLÄNDER: Die Jahre der Vernichtung. Das Dritte Reich und die Juden. Zweiter Band 1939 - 1945. Aus dem Englischen von Martin Pfeiffer. C.H. Beck Verlag, 869 S., 34,90 Euro.
2.JED PERL: New Art City. Manhattan und die Erfindung der Gegenwartskunst. Aus dem Amerikanischen von Jörg Trobitius. Carl Hanser Verlag, 720 Seiten, 39,80 Euro.
3.AMNESTY INTERNATIONAL: Jahresbericht 2006. S. Fischer Verlag, 528 Seiten, 14,90 Euro.
4.PETER SLOTERDIJK:Zorn und Zeit. Politisch-psychologischer Versuch. Suhrkamp Verlag, 356 Seiten, 22,80 Euro.
5.HELMUT DUBIEL:Tief im Hirn. Verlag Antje Kunstmann, 144 Seiten, 14,90 Euro.
6 - 7. RALPH BOLLMANN: Lob des Imperiums. Der Untergang Roms und die Zukunft des Westens. Wolf Jobst Siedler Verlag, 220 Seiten, 18 Euro.
ERNST PÖPPEL: Der Rahmen. Ein Blick des Gehirns auf unser Ich. Carl Hanser Verlag, 552 Seiten, 25,90 Euro.
8.WOLF LEPENIES: Kultur und Politik. Deutsche Geschichten. Carl Hanser Verlag, 448 Seiten, 29,90 Euro.
9. MICHAEL ZÜRN, STEPHAN LEIBFRIED (Hg.):Transformationen des Staates? Suhrkamp Verlag, 354 Seiten, 19,80 Euro.
10.GERHARD HIRSCHFELD, GERD KRUMEICH, IRINA RENZ (Hg.): Die Deutschen an der Somme 1914 - 1918. Krieg, Besatzung, Verbrannte Erde. Klartext Verlag, 281 Seiten, 18,90 Euro.
Besondere Empfehlung des Monats November 2006 von Jörg Dieter Kogel: MARTIN KÄMPCHEN: Ghosaldanga. Geschichten aus dem indischen Alltag, Wallstein Verlag, 208 Seiten, 16 Euro.
Mitglieder der Jury: Rainer Blasius, Eike Gebhardt, Fritz Göttler, Wolfgang Hagen, Daniel Haufler, Otto Kallscheuer, Matthias Kamann, Petra Kammann, Guido Kalberer, Elisabeth Kiderlen, Jörg-Dieter Kogel, Hans Martin Lohmann, Ludger Lütkehaus, Herfried Münkler, Johannes Saltzwedel, Wolfgang Ritschl, Florian Rötzer, Albert von Schirnding, Norbert Seitz, Eberhard Sens, Hilal Sezgin, Volker Ullrich, Andreas Wang, Uwe Justus Wenzel.
Redaktion: Andreas Wang (NDR)
Die nächste SZ/NDR/BuchJournal-
Liste erscheint am 30. November.
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Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Mit Gewinn hat Niklas Maak dieses Buch über die Kunstmetropole New York und ihre Entstehung in den 1950er Jahren gelesen. Er bescheinigt dem Autor Jed Perl, den Prozess der Verlagerung der modernen Kunst nach New York und ihre Abnabelung von Europa gekonnt herauszuarbeiten. Dabei unterstreicht er besonders das Interesse des Autors an den weniger bekannten Künstlern, den "Dissidenten der Moderne", die nicht im Zuge des Kunstbooms um den "Abstrakten Expressionismus" und seiner Helden wie Jackson Pollock, Arhile Gorky und Willem de Koonig nach oben gespült wurden. Auch Perls mit zahlreichen skurrilen Anekdoten und Künstlerlegenden garnierte Schilderung der New Yorker Kunstszene der 50er und 60er Jahre hat ihm sichtlich gefallen. Überzeugt hat ihm zudem, wie der Autor Entwicklungen der Kunstszene mit der Topografie der Stadt in Beziehung setzt.

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