Sprengstoff für die Wirtschaftspolitik
In der deutschen Wirtschaftspolitik sah und sieht es finster aus. Planlos führt sie uns in eine Gesellschaft wachsender Gegensätze. EineLösung der Wirtschaftsmisere ist nicht in Sicht. Oder doch?
Der international renommierte Ökonom Giacomo Corneo rechnet mit der Wirtschaftspolitik der vergangenen Jahrzehnte in Deutschland ab. Diese hat die Reichen reicher und die Armen ärmer gemacht, aber nicht zu mehr Wachstum geführt unabhängig von der Farbe der jeweiligen Bundesregierung. Corneo macht einen provokanten, plausiblen und vor allem finanzierbaren Vorschlag für eine neue Wirtschaftspolitik, die Marktdynamik und Wohlstandssicherung auf einmalige Weise verbindet. Ein Buch, das geeignet ist, der wirtschaftspolitischen Debatte eine ganz neue Richtung zu geben.
In der deutschen Wirtschaftspolitik sah und sieht es finster aus. Planlos führt sie uns in eine Gesellschaft wachsender Gegensätze. EineLösung der Wirtschaftsmisere ist nicht in Sicht. Oder doch?
Der international renommierte Ökonom Giacomo Corneo rechnet mit der Wirtschaftspolitik der vergangenen Jahrzehnte in Deutschland ab. Diese hat die Reichen reicher und die Armen ärmer gemacht, aber nicht zu mehr Wachstum geführt unabhängig von der Farbe der jeweiligen Bundesregierung. Corneo macht einen provokanten, plausiblen und vor allem finanzierbaren Vorschlag für eine neue Wirtschaftspolitik, die Marktdynamik und Wohlstandssicherung auf einmalige Weise verbindet. Ein Buch, das geeignet ist, der wirtschaftspolitischen Debatte eine ganz neue Richtung zu geben.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.04.2007Ein Ausgleich für Marktlöhne
Giacomo Corneo entwirft einen "New Deal"
Über die Diagnose, die Giacomo Corneo, Finanzwissenschaftler an der Freien Universität Berlin, zur Veröffentlichung dieses Buches veranlasst hat, dürfte weitgehend Einigkeit herrschen. Deutschland leidet seit Jahren unter einer hohen Arbeitslosigkeit und generiert zu wenig Wachstum, um auf dem Arbeitsmarkt nachhaltige Erleichterungen zu erzielen. Hinzu kommt, dass sich mit der Globalisierung und den neuen Informationstechnologien die Rahmenbedingungen geändert haben.
Aber wie ist es um die Therapie bestellt? Das "neoliberale" Modell bietet Corneo zufolge keine Lösung; die Erfahrungen Amerikas seien wenig imponierend. Doch die Art und Weise, wie der Autor sein Urteil begründet, spricht Bände: "Geboomt hat nur der Fernsehkonsum." "Mit dem Übergang zum neoliberalen Modell ging in den Vereinigten Staaten eine rasche Zunahme der Kriminalität einher." Und: "Eher gemäßigte Politologen sehen einen Wandel des politischen Systems von einer Demokratie zu einer Plutokratie." Ob das - bei aller möglicherweise berechtigten Kritik an Amerika und Präsident George Bush - eine treffende Analyse der Situation in den Vereinigten Staaten darstellt, darf man bezweifeln.
Corneo schwebt eine Alternative zum "neoliberalen" Projekt vor, die er als "New Deal" bezeichnet. Ziel sei es, die Wettbewerbsfähigkeit der Arbeitnehmer zu steigern, ohne deren Wohlfahrt zu schmälern. Allerdings fragt sich, ob die von ihm unterbreiteten Vorschläge überhaupt zusammenpassen. Einerseits möchte Corneo die Lohnkosten senken, und zwar dadurch, dass "für einen Zeitraum von etwa fünf oder sieben Jahren die Tariflöhne lediglich im Gleichschritt mit der Inflationsrate steigen". Das soll in Absprache und mit Zustimmung der Gewerkschaften geschehen. Andererseits ist Corneo bestrebt, das Steueraufkommen anzuheben, und zwar durch eine Verschärfung der Progression von Einkommensteuer und Erbschaftsteuer. Zudem sollen die Ausgaben für öffentliche Investitionen und Konsum deutlich erhöht werden. "Im New Deal wird die bittere Pille der koordinierten Lohnpolitik durch die unter den Punkten 2 und 3 genannten Maßnahmen versüßt". Der Satz macht deutlich, was dem Autor besonders am Herzen liegt. Bisweilen ist Sprache verräterisch.
Deutschland, argumentiert Corneo, kann die veränderten Rahmenbedingungen nicht umgehen. Ohnehin ist der Autor kein simpler Kritiker dieser Entwicklungen. "Die Bürger machen sich wegen des technischen Wandels und der Globalisierung Sorgen. Dennoch sind diese Prozesse aus gesamtwirtschaftlicher Sicht wahrhaft ein Segen. Technischer Fortschritt bedeutet, dass mit einer gegebenen Menge Arbeit mehr Güter hergestellt werden können und dass umgekehrt die Produktion der gleichen Menge Güter mit weniger Arbeit möglich ist. Globalisierung bedeutet neue, zusätzliche Tauschmöglichkeiten. Dadurch können Ressourcen effizienter eingesetzt werden."
Doch um die Befürchtungen der Bürger zu entkräften, fällt Corneo nichts Besseres ein als ein alter Hut: "Umverteilung ist angesagt, von den Bescherten zu den Geschädigten." Dabei denkt er keineswegs an Umverteilung durch höhere Tarifabschlüsse. Das wäre kontraproduktiv, weil es die hohen Lohnkosten in Deutschland noch weiter aufwärtstriebe. Vielmehr sollte die Umverteilung über die öffentlichen Budgets erfolgen. So würde die Einkommensunsicherheit abgefedert und die Chancengleichheit verbessert. Das heißt: "Mehr Umverteilung durch den öffentlichen Sektor als Ausgleich für marktkonformere Löhne". Nach Ansicht des Verfassers ist die Umverteilung "der einzige politische Schlüssel zur Lösung des fundamentalen Problems der deutschen Volkswirtschaft, nämlich der Massenarbeitslosigkeit".
Corneo erweist sich als Befürworter eines dritten Weges. Folgt er hier, um seine eigene Terminologie aufzugreifen, dem "Dogma des Sozialromantikers", plädiert er dort für das "Dogma des Sozialdarwinisten". So besteht die Gefahr, dass sich beide Effekte gegenseitig aufheben. Ein solcher "Deal" ist abzulehnen. Insofern handelt es sich bei Corneos drittem Weg um einen drittklassigen Weg - und damit um einen Holzweg.
RALF ALTENHOF.
Giacomo Corneo: New Deal für Deutschland. Der dritte Weg zum Wachstum. Campus Verlag, Frankfurt 2006, 215 Seiten, 24,90 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Giacomo Corneo entwirft einen "New Deal"
Über die Diagnose, die Giacomo Corneo, Finanzwissenschaftler an der Freien Universität Berlin, zur Veröffentlichung dieses Buches veranlasst hat, dürfte weitgehend Einigkeit herrschen. Deutschland leidet seit Jahren unter einer hohen Arbeitslosigkeit und generiert zu wenig Wachstum, um auf dem Arbeitsmarkt nachhaltige Erleichterungen zu erzielen. Hinzu kommt, dass sich mit der Globalisierung und den neuen Informationstechnologien die Rahmenbedingungen geändert haben.
Aber wie ist es um die Therapie bestellt? Das "neoliberale" Modell bietet Corneo zufolge keine Lösung; die Erfahrungen Amerikas seien wenig imponierend. Doch die Art und Weise, wie der Autor sein Urteil begründet, spricht Bände: "Geboomt hat nur der Fernsehkonsum." "Mit dem Übergang zum neoliberalen Modell ging in den Vereinigten Staaten eine rasche Zunahme der Kriminalität einher." Und: "Eher gemäßigte Politologen sehen einen Wandel des politischen Systems von einer Demokratie zu einer Plutokratie." Ob das - bei aller möglicherweise berechtigten Kritik an Amerika und Präsident George Bush - eine treffende Analyse der Situation in den Vereinigten Staaten darstellt, darf man bezweifeln.
Corneo schwebt eine Alternative zum "neoliberalen" Projekt vor, die er als "New Deal" bezeichnet. Ziel sei es, die Wettbewerbsfähigkeit der Arbeitnehmer zu steigern, ohne deren Wohlfahrt zu schmälern. Allerdings fragt sich, ob die von ihm unterbreiteten Vorschläge überhaupt zusammenpassen. Einerseits möchte Corneo die Lohnkosten senken, und zwar dadurch, dass "für einen Zeitraum von etwa fünf oder sieben Jahren die Tariflöhne lediglich im Gleichschritt mit der Inflationsrate steigen". Das soll in Absprache und mit Zustimmung der Gewerkschaften geschehen. Andererseits ist Corneo bestrebt, das Steueraufkommen anzuheben, und zwar durch eine Verschärfung der Progression von Einkommensteuer und Erbschaftsteuer. Zudem sollen die Ausgaben für öffentliche Investitionen und Konsum deutlich erhöht werden. "Im New Deal wird die bittere Pille der koordinierten Lohnpolitik durch die unter den Punkten 2 und 3 genannten Maßnahmen versüßt". Der Satz macht deutlich, was dem Autor besonders am Herzen liegt. Bisweilen ist Sprache verräterisch.
Deutschland, argumentiert Corneo, kann die veränderten Rahmenbedingungen nicht umgehen. Ohnehin ist der Autor kein simpler Kritiker dieser Entwicklungen. "Die Bürger machen sich wegen des technischen Wandels und der Globalisierung Sorgen. Dennoch sind diese Prozesse aus gesamtwirtschaftlicher Sicht wahrhaft ein Segen. Technischer Fortschritt bedeutet, dass mit einer gegebenen Menge Arbeit mehr Güter hergestellt werden können und dass umgekehrt die Produktion der gleichen Menge Güter mit weniger Arbeit möglich ist. Globalisierung bedeutet neue, zusätzliche Tauschmöglichkeiten. Dadurch können Ressourcen effizienter eingesetzt werden."
Doch um die Befürchtungen der Bürger zu entkräften, fällt Corneo nichts Besseres ein als ein alter Hut: "Umverteilung ist angesagt, von den Bescherten zu den Geschädigten." Dabei denkt er keineswegs an Umverteilung durch höhere Tarifabschlüsse. Das wäre kontraproduktiv, weil es die hohen Lohnkosten in Deutschland noch weiter aufwärtstriebe. Vielmehr sollte die Umverteilung über die öffentlichen Budgets erfolgen. So würde die Einkommensunsicherheit abgefedert und die Chancengleichheit verbessert. Das heißt: "Mehr Umverteilung durch den öffentlichen Sektor als Ausgleich für marktkonformere Löhne". Nach Ansicht des Verfassers ist die Umverteilung "der einzige politische Schlüssel zur Lösung des fundamentalen Problems der deutschen Volkswirtschaft, nämlich der Massenarbeitslosigkeit".
Corneo erweist sich als Befürworter eines dritten Weges. Folgt er hier, um seine eigene Terminologie aufzugreifen, dem "Dogma des Sozialromantikers", plädiert er dort für das "Dogma des Sozialdarwinisten". So besteht die Gefahr, dass sich beide Effekte gegenseitig aufheben. Ein solcher "Deal" ist abzulehnen. Insofern handelt es sich bei Corneos drittem Weg um einen drittklassigen Weg - und damit um einen Holzweg.
RALF ALTENHOF.
Giacomo Corneo: New Deal für Deutschland. Der dritte Weg zum Wachstum. Campus Verlag, Frankfurt 2006, 215 Seiten, 24,90 Euro.
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