Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 25.06.2009Reisebuch
Die vergessene Hälfte
Michael Palin erkundet Europas Osten
Man sollte sich keine falschen Vorstellungen machen von diesem Buch. Dass sein Autor Michael Palin einst ein Monty Python war, bedeutet nicht, dass er sich nun als eine Art Borat auf „Europareise” begibt. Er sucht nicht gezielt nach Absurditäten, auch wenn er auf einige stößt. Bloßstellen will er auch niemanden. Das schaffen seine Gesprächspartner im Zweifel ohne sein Zutun, etwa der rumänische Krawallpolitiker George Becali.
Aber natürlich kommt diesem außergewöhnlichen Reisebericht zugute, dass Palin gewitzt und geistreich ist. Seit nunmehr 20 Jahren dreht der Brite für die BBC Reisereportagen und schreibt über diese Touren Bücher. Die „Europareise” war ein besonderes Unternehmen: Binnen eines Jahres von Mai 2006 an hat Palin 22 Wochen lang mit großer Neugier und Offenheit in jenem Teil des Kontinents recherchiert, der zwischen dem einstigen Eisernen Vorhang und Russland liegt. Nur Weißrussland hat er ausgelassen; und als er auf dem Balkan unterwegs war, waren Montenegro und der Kosovo noch nicht unabhängig.
Sehr schnell wird Michael Palin der Kontinent sehr fremd: die slawische Sprache und Kultur auf dem Balkan, der Islam in Bosnien und der Türkei, die militärisch angespannte Lage in Moldawien und Transnistrien. Aber Palin ist ein guter Zuhörer. Er trifft Künstler und Politiker, von ihnen und all den Zufallsbekanntschaften auf seiner Reise lässt er sich erzählen – über ihre Heimat, über den Wandel seit dem Zusammenbruch des Kommunismus, über ihre Ideen für die Zukunft. Hinzu kommt seine Fähigkeit, sich für Landschaften, Städte und das Essen begeistern zu können.
Palin lässt sich ein auf die Menschen, er lässt sich aber nicht vereinnahmen von ihnen. Er bleibt Beobachter. Und nimmt die Dinge, wie sie sind. Mögen sie auch noch so ominös erscheinen wie die paneurythmischen Tänze der Universellen Weißen Bruderschaft in Bulgarien. Das entscheidend Wohltuende an dem Buch ist, dass Palin sich weder als Abenteurer aufspielt noch als Entdecker oder Deuter. Die Dinge sind für jeden sichtbar zwischen Baltikum und Bosporus. Man muss sich nur die Mühe machen, dorthin aufzubrechen. STEFAN FISCHER
MICHAEL PALIN: Europareise. Wie ein Engländer einen alten Kontinent neu entdeckt. Aus dem Englischen von Ulrike Frey. Malik Verlag, München 2009. 400 Seiten, 22,95 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
Die vergessene Hälfte
Michael Palin erkundet Europas Osten
Man sollte sich keine falschen Vorstellungen machen von diesem Buch. Dass sein Autor Michael Palin einst ein Monty Python war, bedeutet nicht, dass er sich nun als eine Art Borat auf „Europareise” begibt. Er sucht nicht gezielt nach Absurditäten, auch wenn er auf einige stößt. Bloßstellen will er auch niemanden. Das schaffen seine Gesprächspartner im Zweifel ohne sein Zutun, etwa der rumänische Krawallpolitiker George Becali.
Aber natürlich kommt diesem außergewöhnlichen Reisebericht zugute, dass Palin gewitzt und geistreich ist. Seit nunmehr 20 Jahren dreht der Brite für die BBC Reisereportagen und schreibt über diese Touren Bücher. Die „Europareise” war ein besonderes Unternehmen: Binnen eines Jahres von Mai 2006 an hat Palin 22 Wochen lang mit großer Neugier und Offenheit in jenem Teil des Kontinents recherchiert, der zwischen dem einstigen Eisernen Vorhang und Russland liegt. Nur Weißrussland hat er ausgelassen; und als er auf dem Balkan unterwegs war, waren Montenegro und der Kosovo noch nicht unabhängig.
Sehr schnell wird Michael Palin der Kontinent sehr fremd: die slawische Sprache und Kultur auf dem Balkan, der Islam in Bosnien und der Türkei, die militärisch angespannte Lage in Moldawien und Transnistrien. Aber Palin ist ein guter Zuhörer. Er trifft Künstler und Politiker, von ihnen und all den Zufallsbekanntschaften auf seiner Reise lässt er sich erzählen – über ihre Heimat, über den Wandel seit dem Zusammenbruch des Kommunismus, über ihre Ideen für die Zukunft. Hinzu kommt seine Fähigkeit, sich für Landschaften, Städte und das Essen begeistern zu können.
Palin lässt sich ein auf die Menschen, er lässt sich aber nicht vereinnahmen von ihnen. Er bleibt Beobachter. Und nimmt die Dinge, wie sie sind. Mögen sie auch noch so ominös erscheinen wie die paneurythmischen Tänze der Universellen Weißen Bruderschaft in Bulgarien. Das entscheidend Wohltuende an dem Buch ist, dass Palin sich weder als Abenteurer aufspielt noch als Entdecker oder Deuter. Die Dinge sind für jeden sichtbar zwischen Baltikum und Bosporus. Man muss sich nur die Mühe machen, dorthin aufzubrechen. STEFAN FISCHER
MICHAEL PALIN: Europareise. Wie ein Engländer einen alten Kontinent neu entdeckt. Aus dem Englischen von Ulrike Frey. Malik Verlag, München 2009. 400 Seiten, 22,95 Euro.
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He observes shrewdly, writes wittily; laughs with, not at, the people he meets, and charmingly slips in a huge amount of information. His approach still towers above its imitators Independent