1925 veröffentlichte der damals noch völlig unbekannte William Faulkner einige Skizzen und Kurzgeschichten in regionalen Zeitschriften. Einfache Leute sind das Personal dieser in New Orleans angesiedelten Genrebilder, Seeleute, Schmuggler, Bettler und Huren, Wettbetrüger und Priester.
1960 wurden diese New Orleans Sketches des mittlerweile weltberühmten Nobelpreisträgers Arno Schmidt zur Übersetzung angeboten. Er griff, wie er sagte, nur »aus Reklamegründen« zu, denn er mochte Faulkner nicht. Seine 1962 erschienene deutsche Version der Sketches ist trotzdem brillant - in Faulkners Alltagssprache war Schmidt eben zu Hause.
Eine Fortsetzung fand Schmidts Auseinandersetzung mit dem amerikanischen Schriftstellerkollegen in der Erzählung 'Piporakemes!'. Dort besucht ein englischer Faulkner-Spezialist einen gewissen Schmidt, um ihn für seine miserable Übersetzung zur Rechenschaft zu ziehen. Wie der missvergnügte und angetrunkene Schmidt den Professor durch immer haltloseres Schwadronieren abblitzen lässt, gehört zum Komischsten, was der Sprachexperimentator aus der Heide geschrieben hat. In der vorliegenden Neuausgabe ist auch diese Erzählung enthalten und setzt einen humoristischen Kontrapunkt zum Ernst von Faulkners Skizzen.
1960 wurden diese New Orleans Sketches des mittlerweile weltberühmten Nobelpreisträgers Arno Schmidt zur Übersetzung angeboten. Er griff, wie er sagte, nur »aus Reklamegründen« zu, denn er mochte Faulkner nicht. Seine 1962 erschienene deutsche Version der Sketches ist trotzdem brillant - in Faulkners Alltagssprache war Schmidt eben zu Hause.
Eine Fortsetzung fand Schmidts Auseinandersetzung mit dem amerikanischen Schriftstellerkollegen in der Erzählung 'Piporakemes!'. Dort besucht ein englischer Faulkner-Spezialist einen gewissen Schmidt, um ihn für seine miserable Übersetzung zur Rechenschaft zu ziehen. Wie der missvergnügte und angetrunkene Schmidt den Professor durch immer haltloseres Schwadronieren abblitzen lässt, gehört zum Komischsten, was der Sprachexperimentator aus der Heide geschrieben hat. In der vorliegenden Neuausgabe ist auch diese Erzählung enthalten und setzt einen humoristischen Kontrapunkt zum Ernst von Faulkners Skizzen.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.05.2017Bitte, entschuldjn Se, Mister
1960 übersetzte Arno Schmidt William Faulkners „New Orleans Sketches“
Das Übersetzen hat im Werk Arno Schmidts eine besondere Stellung inne. Es gibt sogar einen ganzen Text von ihm, der so tut, als sei er eine Übersetzung: „Die Gelehrtenrepublik“ erschien 1957 und handelt von den durchgeknallten Abenteuern des Journalisten Charles Henry Winer in einem postapokalyptischen Amerika. Den im nicht real existierenden Original von Winer auf Englisch verfassten Bericht seiner Reise soll ein „Studiendirektor (emerit.)“ namens Chr. M. Stadion ins Deutsche übertragen haben. Noch vor dem „Vorwort des Übersetzers“ werden Verfasser und Übersetzer des Textes in einer Tabelle verglichen, die sie in Kategorien wie „Größe (m)“, „Wortschatz“, „Gesundheitszustand“, „Jahreseinkommen“ und „erotic drive“ einander gegenüberstellt. Übersetzungen sind für Arno Schmidt nicht nur Handwerk, sie weisen ins Zentrum seines Schaffens und seines Humors.
Neben dem hochgradig ironischen Spiel mit den kleinen und großen Angriffsflächen, die fast alle Übersetzungen bieten, hat Arno Schmidt auch selbst Übersetzungen nicht nur erfunden, sondern auch angefertigt. Eine davon ist der als „New Orleans Skizzen“ bekannte, frühe Texte William Faulkners. Im März 1960 nahm Schmidt den Übersetzungsauftrag an. Obwohl er nach eigenen Angaben „jedes Jahr 6 – 10 dergleichen Anfragen“ bekomme, und meist ablehne, sagt er bei Faulkner zu, wohl in der Hoffnung, einen vielversprechenden Text des Nobelpreisträgers übertragen zu dürfen. Doch er wird bitter enttäuscht: Am 20. Mai schreibt er in seinem Tagebuch: „Der Faulkner ist mir unsäglich zuwider ! So ein Schleimer vom Einfach=Leben! Diese kunstvoll=Kunstlosigkeit; raffinierte Schlichtheit! Na, ich mach’s aus Reklamegründen!“ Bernd Rauschenbach hat die unterhaltsamen Korrespondenzen und Quellen um die Übersetzung im Nachwort zusammengetragen.
Die zu übersetzenden Texte Faulkners entstanden im Frühjahr 1925, noch vor der Veröffentlichung seines ersten Romans „Soldatenlohn“ im folgenden Jahr, als eine Art literarische Reportage aus New Orleans für die Zeitschrift Double Dealer. 1958 erschienen die Texte neu bei der Rutgers University Press. Diese Ausgabe ist es, die Schmidt übersetzen sollte.
Schmidts Unmut ist verständlich. Obwohl sich in Faulkners Skizzen, wie das ebenfalls übersetzte Vorwort der englischen Ausgabe herausarbeitet, schon viele Verfahren und Motive aus seinen späteren Werken finden, bleibt doch der Eindruck von etwas überambitionierten literarischen Gehversuchen und oberflächlicher Sozialkritik, die aber trotzdem „maßlos interessant für den Fachmann und Literaturhistoriker“ sind, wie Schmidt selbst urteilt. Bei der Übersetzung der Mundart konnte er sich dafür hemmungslos austoben: „Bitte, entschuldjn Se, Mister.“
Diese sehr schöne Neuauflage bei Suhrkamp versteht zum Glück Spaß und hat der Übersetzung Schmidts Erzählung „Piporakemes“ beigefügt, in der er selbst beim Wässern einer neu gepflanzten Thujenhecke (siehe Bild oben auf dieser Seite) Besuch von dem Literaturkritiker Dr. Mac Intosh (ein Anagramm von Arno Schmidt) bekommt, der sich über die in seinen Augen missglückte Faulkner-Übersetzung beschweren möchte.
NICOLAS FREUND
William Faulkner: New Orleans. Skizzen und Erzählungen. Aus dem Englischen von Arno Schmidt. Mit einer Kurzgeschichte von Arno Schmidt und einem Nachwort von Bernd Rauschenbach. Suhrkamp Verlag, Berlin 2017. 236 Seiten. 25 Euro.
Er begleitete seine Frau oft ins Schwimmbad Höfer, ging aber selbst nie ins Wasser.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
1960 übersetzte Arno Schmidt William Faulkners „New Orleans Sketches“
Das Übersetzen hat im Werk Arno Schmidts eine besondere Stellung inne. Es gibt sogar einen ganzen Text von ihm, der so tut, als sei er eine Übersetzung: „Die Gelehrtenrepublik“ erschien 1957 und handelt von den durchgeknallten Abenteuern des Journalisten Charles Henry Winer in einem postapokalyptischen Amerika. Den im nicht real existierenden Original von Winer auf Englisch verfassten Bericht seiner Reise soll ein „Studiendirektor (emerit.)“ namens Chr. M. Stadion ins Deutsche übertragen haben. Noch vor dem „Vorwort des Übersetzers“ werden Verfasser und Übersetzer des Textes in einer Tabelle verglichen, die sie in Kategorien wie „Größe (m)“, „Wortschatz“, „Gesundheitszustand“, „Jahreseinkommen“ und „erotic drive“ einander gegenüberstellt. Übersetzungen sind für Arno Schmidt nicht nur Handwerk, sie weisen ins Zentrum seines Schaffens und seines Humors.
Neben dem hochgradig ironischen Spiel mit den kleinen und großen Angriffsflächen, die fast alle Übersetzungen bieten, hat Arno Schmidt auch selbst Übersetzungen nicht nur erfunden, sondern auch angefertigt. Eine davon ist der als „New Orleans Skizzen“ bekannte, frühe Texte William Faulkners. Im März 1960 nahm Schmidt den Übersetzungsauftrag an. Obwohl er nach eigenen Angaben „jedes Jahr 6 – 10 dergleichen Anfragen“ bekomme, und meist ablehne, sagt er bei Faulkner zu, wohl in der Hoffnung, einen vielversprechenden Text des Nobelpreisträgers übertragen zu dürfen. Doch er wird bitter enttäuscht: Am 20. Mai schreibt er in seinem Tagebuch: „Der Faulkner ist mir unsäglich zuwider ! So ein Schleimer vom Einfach=Leben! Diese kunstvoll=Kunstlosigkeit; raffinierte Schlichtheit! Na, ich mach’s aus Reklamegründen!“ Bernd Rauschenbach hat die unterhaltsamen Korrespondenzen und Quellen um die Übersetzung im Nachwort zusammengetragen.
Die zu übersetzenden Texte Faulkners entstanden im Frühjahr 1925, noch vor der Veröffentlichung seines ersten Romans „Soldatenlohn“ im folgenden Jahr, als eine Art literarische Reportage aus New Orleans für die Zeitschrift Double Dealer. 1958 erschienen die Texte neu bei der Rutgers University Press. Diese Ausgabe ist es, die Schmidt übersetzen sollte.
Schmidts Unmut ist verständlich. Obwohl sich in Faulkners Skizzen, wie das ebenfalls übersetzte Vorwort der englischen Ausgabe herausarbeitet, schon viele Verfahren und Motive aus seinen späteren Werken finden, bleibt doch der Eindruck von etwas überambitionierten literarischen Gehversuchen und oberflächlicher Sozialkritik, die aber trotzdem „maßlos interessant für den Fachmann und Literaturhistoriker“ sind, wie Schmidt selbst urteilt. Bei der Übersetzung der Mundart konnte er sich dafür hemmungslos austoben: „Bitte, entschuldjn Se, Mister.“
Diese sehr schöne Neuauflage bei Suhrkamp versteht zum Glück Spaß und hat der Übersetzung Schmidts Erzählung „Piporakemes“ beigefügt, in der er selbst beim Wässern einer neu gepflanzten Thujenhecke (siehe Bild oben auf dieser Seite) Besuch von dem Literaturkritiker Dr. Mac Intosh (ein Anagramm von Arno Schmidt) bekommt, der sich über die in seinen Augen missglückte Faulkner-Übersetzung beschweren möchte.
NICOLAS FREUND
William Faulkner: New Orleans. Skizzen und Erzählungen. Aus dem Englischen von Arno Schmidt. Mit einer Kurzgeschichte von Arno Schmidt und einem Nachwort von Bernd Rauschenbach. Suhrkamp Verlag, Berlin 2017. 236 Seiten. 25 Euro.
Er begleitete seine Frau oft ins Schwimmbad Höfer, ging aber selbst nie ins Wasser.
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Schon in den frühen, erstmals 1925 erschienenen Prosawerken ist die ganze Meisterschaft William Faulkners zu erkennen, stellt Rezensent Friedhelm Rathjen nach der Lektüre der hier versammelten Skizzen und Erzählungen fest. Allein wie sicher Faulkner in diesen Charakterporträts eigensinniger Figuren vom Rande der Gesellschaft mit extrem subjektiven Perspektiven umgeht und durch modernistische Techniken wie dem Bewusstseinsstrom, dem inneren Monolog oder dem Traumprotokoll große Sog- und Suggestivkraft entwickelt, ringt dem Kritiker größte Anerkennung ab. Zufrieden ist Rathjen auch mit der hier vorliegenden Übersetzung durch Arno Schmidt, der Faulkners frühe Texte zwar verabscheute, der sich aber aus Imagegründen besondere Mühe gab und eine "frische", dem Original gerecht werdende Fassung ohne "Schmidtsche Sprachmarotten" lieferte, lobt der Rezensent. Bernd Rauschenbachs kenntnisreiches Nachwort und Schmidts herrlich selbstironische Erzählung über seine Übersetzungstätigkeit vollenden den Band, schwärmt Rathjen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»In Deutschland ... wurde Faulkner zur Inspiration einer Generation. ... Einige der schöpferischsten Romane der Zeit sind recht eigentlich durchtränkt von der Atmosphäre und vom Sprachklang seiner Bücher.« Friedhelm Rathjen Neue Zürcher Zeitung 20170617