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Über die Buchinger-Klinik, Tschernobyl und die ägyptische Buchmesse, über asiatische Suppen und Bienen auf dem Kuchen.
Afghanistan, Ukraine, Paraguay, der Bodensee, die Mongolei, die Schweiz - Christian Krachts Erzählungen und Reportagen spielen überall auf der Welt und sind Glanzstücke zeitgenössischer Literatur.
»Christian Kracht ist der wohl komplizierteste Ironiker der deutschen Gegenwartsliteratur«, bemerkt Volker Weidermann in seiner "Kurzen Geschichte der deutschen Literatur von 1945 bis heute". Der leichte Schwindel, der einen bei der Lektüre von Christian Krachts Romanen stets
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Produktbeschreibung
Über die Buchinger-Klinik, Tschernobyl und die ägyptische Buchmesse, über asiatische Suppen und Bienen auf dem Kuchen.

Afghanistan, Ukraine, Paraguay, der Bodensee, die Mongolei, die Schweiz - Christian Krachts Erzählungen und Reportagen spielen überall auf der Welt und sind Glanzstücke zeitgenössischer Literatur.

»Christian Kracht ist der wohl komplizierteste Ironiker der deutschen Gegenwartsliteratur«, bemerkt Volker Weidermann in seiner "Kurzen Geschichte der deutschen Literatur von 1945 bis heute". Der leichte Schwindel, der einen bei der Lektüre von Christian Krachts Romanen stets erfasst, hat sicher auch damit zu tun. Und wenn man die vielen großartigen kurzen Texte und die Reiseberichte liest, die Christian Kracht in den letzten Jahren, oft unterwegs irgendwo auf der Welt, geschrieben hat, hat man erst recht das Gefühl, auf schwankendem Boden zu stehen, weil hier auch die Gattungsschubladen souverän ignoriert werden.
Autorenporträt
Christian Kracht, 1966 in der Schweiz geboren, zählt zu den modernen deutschsprachigen Schriftstellern. Seine Romane 'Faserland', '1979', 'Ich werde hier sein im Sonnenschein und im Schatten', 'Imperium', 'Die Toten' und 'Eurotrash' sind in über 30 Sprachen übersetzt. 
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.11.2006

Überall ist es schön, wo er ist: Christian Kracht bereist die Oberfläche der östlichen Welt

Christian Kracht läßt in den Text "Et in Arcadia ego", mit dem er sein Buch "New Wave" eröffnet, ein Mantra einfließen: "Djibouti ist der teuerste Staat der Welt - nach Japan." Diese von allen Gesprächspartnern Krachts in Djibouti wiederholte Feststellung sorgt dafür, daß man als Leser von Anfang an den Charakter der in "New Wave" versammelten Texte hinterfragt: Zeugt die monontone Bemerkung von Hybris der Gewährsleute? Oder hat Kracht sie sich selbst ausgedacht?

"Ein Besuch in Djibouti" ist der Text untertitelt, und das läßt bewußt offen, ob es sich dabei um eine Reportage oder eine Erzählung handelt - wobei man Kracht zugute halten muß, daß es in seinem Buch auch einige explizit als Erzählungen ausgewiesene Texte gibt. Bei "Et in Arcadia ego" aber, dem schönsten Stück von "New Wave", ist die reale Reise derart mit delirierenden Passagen verflochten, daß man schon auf der zweiten Seite einen Bruch im Wirklichkeitsgefüge vermuten darf. Dort wird vom nachmittäglichen Kat-Genuß in Djibouti berichtet, und die narkotisierende Wirkung dieser Blätter mag den Rahmen vorgegeben haben für das Folgende, das wie das große Panoptikum eines kleinen Landes inszeniert wird, in dem Kracht eine großkopferte Bundeswehrtruppe mit kleinkarierten Vorstellungen vorfindet. Aber das schiene ihm gewiß schon zuviel Interpretation.

Kracht ist immer dann grandios, wenn er es auf die Ununterscheidbarkeit von Reisebericht und Imagination anlegt. In einem als "Besuch in der Mongolei" ausgewiesenen Aufsatz - in dem von nichts anderem erzählt wird als von dem unbezähmbaren Wunsch des Autors zu reisen, und sei es auch noch dem größten Phantasma hinterher - wird Kracht zwar nach Strich und Faden von den Mongolen betrogen; doch er revanchiert sich mit seinem Porträt ihres Landes. In dem nach bayerischem Vorbild gestalteten Biergarten "Khan Bräu" in Ulan Bator, so erzählt er, "saßen Mongolen vor Maßkrügen schäumenden Biers und sprachen in ihrer konsonantenreichen, wohlklingenden Sprache abwechselnd in Mobiltelefone und mit ihren Tischnachbarn". Es gibt also nichts, was uns diese Mongolen Besonderes zu bieten hätten. Das ist die subtile Rache von Kracht: Wo sämtliche anderen Mongolei-Reiseberichte sich in Staunen ergehen über Passanten an den Straßen, die ihre Mobiltelefone hochhalten und sich den Autofahrern als lebendige Telefonzellen anbieten, da zerstört er gerade diesen Topos der Berichterstattung und läßt dem Land kaum einen Rest an Exotik.

Man begleitet Kracht auf Reisen nach Afghanistan, Paraguay, Ägypten oder Vanuatu, und immer erweckt die narrative Ruhe, die selbst im Moment der Beschreibung von höchst Skurrilem herrscht, den Eindruck eines englischen Kolonialoffiziers, der im Schrankkoffer alles mit sich trägt, was im Ernstfall ein Mindestmaß an Zivilisation garantiert. Kracht bleibt in der Fremde fremd und dennoch sympathetisch, und das macht die Intensität seines Blicks aus, der gemeinhin weder von Skurrilitäten noch vom Tourismus getrübt ist.

Daran mag es liegen, daß sich meiner eine tiefe Enttäuschung bemächtigte, als ich las, daß Kracht auf seiner Reise in die Mongolei wie jeder x-beliebige Studiosus-Reisende eine Biographie des Kosakenführers Robert von Ungern-Sternberg im Gepäck mitgeführt hat. Es paßt nicht zu ihm, mühsam nach tiefergehender Information zu suchen. Sein Wunsch zu reisen wird nicht ergänzt vom Wunsch, einen publizistischen Meisterschuß zu tun, sondern von dem, konsequent an der Oberfläche zu bleiben. An Kracht ist alles Wahrnehmung, nichts Wahrheit. In seiner Erinnerung an den Verleger Axel Springer - Krachts Vater war dessen Generalbevollmächtigter in der Schweiz - findet sich eine bezeichnende Selbsteinschätzung: "Jene kleinen, oberflächlichen Dinge zu beschreiben, das ist der Versuch meines Respekts diesem Herrn, diesem Gentleman gegenüber." Es ist auch das ästhetische Programm seiner Reiseberichte.

Deutlich wird das auch in Krachts zweiter Publikation dieses Herbstes, in dem von ihm mit einem Text eingeleiteten Fotoband "Die totale Erinnerung". Gemeinsam mit der Regisseurin Eva Munz und dem Fotografen Lukas Nikol hat Kracht Nordkorea bereist. Dort sind Aufnahmen entstanden, die die kleinen, oberflächlichen Dinge unter dem Regiment von Kim Jong-il festhalten: ein Verkehrspolizist auf einer unbefahrenen Kreuzung, ein kleiner Junge vor einer Personenkultstätte, eine Cola-Dose in einer Kantine. Und diesen Blicken aus der und auf die Kulisse sind Zitate aus einem Buch beigegeben, das Kim Jong-il über Filmkunst geschrieben hat. Kim ist nun mit Sicherheit kein Gentleman; trotzdem zollt ihm der Fotoband Respekt als Meister der Fassadenkunst. Nordkorea muß ein Traum für Kracht gewesen sein: "Wie Millionen von Koreanern leben, was sie essen, wie sie zur Arbeit gehen, was sie dort tun, wir wissen es nicht." Wir müssen uns dies mit wohlig-versonnener Stimme gesprochen vorstellen.

Diese sokratische Bescheidenheit des Dokumentaristen fehlt jedoch in den rein fiktiven Texten, die sich in "New Wave" finden - seien es im schlechteren Sinne popliterarische wie Krachts jüngste Arbeit, das 2006 verfaßte, zäh zu lesende Theaterstück "Hubbard"; seien es konzentrierte Miniaturen wie die fünf Jahre alte Erzählung "Retard". Ihre Betrachtungsweise ist überästhetisiert. Zudem verdanken sie sich zu vielen Einflüssen, was vor allem die beiden in "New Wave" abgedruckten Textfassungen von Krachts 1995 erschienenem Debütroman "Faserland" - ein Filmtreatment und ein Ausschnitt des Drehbuchs - zu erkennen geben. Der als Prosa geschickt amalgamierte Akkord des Erzählens zerfällt hier in seine einzelnen Stimmen: Robert Harris, Lars von Trier, David Lynch, David Cronenberg. Immerhin gelingt es Kracht, noch einmal ein Rätsel einzubauen, wenn er das Drehbuch vor dem Treatment datiert. Womöglich sind dies nur Fingerübungen eines Vielbegabten, Fiktionen von Fiktion.

Beide Bücher kommen zur rechten Zeit: Der Bildband über Nordkorea erscheint mitten in der Nuklearkrise, zu der Kracht nur sagt: "Vielleicht ist ja alles nur ein Bluff, eine Projektion, ein konfuzianisches Theaterstück." Auf jeden Fall aber ist "New Wave" dies. Nur wer das Buch als Oberflächenphänomen begreift, wird Kracht jenen Respekt zollen, den man ihm schuldet. Und weil dazu selbst die zehn freien, mit "Notizen" überschriebenen letzten Seiten des Buchs gehören, hat der Rezensent alle diese Überlegungen brav auf das Vorsatzpapier geschrieben.

ANDREAS PLATTHAUS

Christian Kracht: "New Wave". Ein Kompendium 1999-2006. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2006. 318 S., geb., 19,90 [Euro].

Christian Kracht, Eva Munz, Lukas Nikol: "Die totale Erinnerung". Kim Jong-ils Nordkorea. Rogner & Bernhard bei Zweitausendeins, Berlin 2006. 132 S., 100 Abb., geb., 24,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Etwas unausgegoren scheint Rezensent Andreas Platthaus dieser Band mit Texten von Christian Kracht. Neben glänzenden Reisereportagen findet er auch ziemliche zäh zu lesende Stücke. Das Besondere an Kracht sieht Platthaus in dessen Blick, der konsequent an der Oberfläche bleibt. Gerade bei den Reiseberichten aus Afghanistan, Paraguay, Ägypten oder Vanuatu funktioniert das seines Erachtens ganz gut. Hier bescheinigt er Kracht eine "narrative Ruhe", selbst bei der Beschreibung von höchst skurrilen Begebenheiten. Platthaus hebt hervor, dass Kracht das Fremde "fremd und dennoch sympathetisch" bleibe. Das macht für ihn die Intensität von Krachts Blick aus. Weniger gefallen haben Platthaus dagegen die rein fiktiven Texte des Bands, deren Betrachtungsweise er schlicht für "überästhetisiert" hält.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Kracht ins desolateste, absurdeste Djibouti oder nach Afghanistan zu folgen, ist ein Beutezug eigener Art. Man kehrt mit Bildern heim, die sehr lange nicht weichen.« Wolfgang Büscher