In diesem Bildband beschränkt sich Horst Hamann nicht auf die Panorama-Photographie, sondern arbeitet mit mehreren Formaten und Anordnungen. Neben der Architektur seiner Heimatstadt New York, zeigt er auch deren Bewohner in ganz alltäglichen Szenen. Eigens für dieses Buchprojekt hat Horst Hamann die beiliegende Musik-CD New York Lounge zu seinen Photographien zusammengestellt.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.09.2002Die Angst in den Köpfen läßt sich nicht fotografieren
"Diese Stadt ist nicht mehr die, die sie einmal war", beginnt erwartungsgemäß Stefan Nink die aktualisierte Ausgabe seines Dumont-Führers "New York" - nur um zwei Seiten später zu behaupten, alles sei wie immer. Und das ist vielleicht das Problem: Wie sollen Reiseführer reagieren auf ein Gespenst, das in den Köpfen und nicht in den Straßen sein Unwesen treibt? So folgen hier die üblichen Abrisse, Adressen und Ausflugsempfehlungen - mit einer Ausnahme: Die "Extratour 5" führt um den Ground Zero, samt Abstecher zur Besucherplattform und zur Ausstellung "Here is New York" mit Fotografien der Katastrophe vom 11. September. Man kann darüber streiten, ob es sinnvoll war, für diese Anregung den Spaziergang durch SoHo zu streichen, und pietätlos gewesen wäre, sie in die "Extra-Tour" durch die Wall Street einzufügen - also durch die direkte Nachbarschaft des Platzes, an dem einst die Türme des World Trade Center standen und auf der kleinen Karte auch nach wie vor eingezeichnet sind. Auf dem herausnehmbaren Stadtplan hingegen steht nun "World Trade Center Site", in Klammern dahinter: "Closed".
Ähnlich hat der National Geographic Verlag seinen Führer auf den jüngsten Stand gebracht: Auf der Karte und unter einem Bild wurden kurzerhand die Daten "1973-2001" angefügt. Neun ausfaltbare Straßenkarten geben in dem Bändchen diverse Stadtviertel wieder, zudem eine grobe Übersicht der Sehenswürdigkeiten sowie empfehlenswerter Bars, Restaurants und Läden. Business as usual!
Bücher über New York, diesen Eindruck konnte man immer schon gewinnen, erscheinen im Monatsrhythmus. Und daß sie, zumal die Reiseführer, mal erfolgreicher und mal weniger erfolgreich, dem aktuellen Stand hinterherhecheln, war nur selten der Weltpolitik und viel häufiger der Schnellebigkeit New Yorks geschuldet. Nun, da eine Lücke in die Skyline Manhattans gerissen wurde, lassen sich Bücher zwar augenblicklich datieren. Aber weder wird Yann Arthus-Bertrands Bildband mit Luftaufnahmen besser dadurch, daß gerade einmal zwei Abbildungen das neue Stadtbild zeigen, noch verliert Horst Hamanns Buch "New York" seinen Wert, nur weil auf dem Titelfoto die Zwillingstürme zu sehen sind.
Yann Arthus-Bertrand ist der berühmteste Luftbildfotograf der Welt und hat uns mit seinen wohl Tausenden von Bildern aus dem Himmel einen buchstäblich neuen Blick auf die Erde eröffnet. Neugier am Alltag und Spaß am Ornament führten zu ebenso bezaubernden wie bizzarren Ein- und Aufsichten - ob er nun über der Wüste und dem Meer oder über Kulturlandschaften gearbeitet hat. Den Hochhäusern New Yorks jedoch konnte er kaum Neues abgewinnen. Überraschend ist allein die Präzision, mit der hier Architektur aus schwankenden Helikoptern aufgenommen wurde.
Ganz anders bei Hamann. Vor sechs Jahren hat der deutsche Fotograf mit "New York Vertikal" einen Bildband vorgelegt, der nicht nur wegen des extremen Formats schon heute zu den Klassikern zählt. In seinem schlicht "New York" genannten Folgeband zeigt er die Stadt im Panorama und Quadrat - und wiederum gelingt es ihm, den Betrachter für das hundertfach Gesehene neu zu interessieren. Nüchterne Dokumentation, expressive Abstraktionen und Schnappschüsse skurriler Momente ergänzen sich zum kühlen Bild einer fast leblosen Stadt, in der Häuser wie Kulissen und die Einwohner wie Skulpturen wirken. Alles scheint von einer befremdenden Starre ergriffen. Es ist ein bisweilen düsterer Zauber, den diese Bilder vermitteln - und der sich fast schon prophetisch in dem Sackgassenschild "End" vor den Türmen des World Trade Center bündelt.
Auch der deutsche Fotograf Lance Lensfield, der eigentlich Stefan May heißt, konnte von dem terroristischen Anschlag nichts wissen, als er begann, New York zu fotografieren - fügt nun aber Aufnahmen der zerstörten Türme und der Rettungsmannschaften nach dem Einsturz in sein Buch, als habe er von Anfang an die Geschichte einer Katastrophe erzählen wollen. Mit Bewegungsunschärfen, gekippter Kamera und gezoomten Motiven zeigt er - bisweilen nah am optischen Kitsch - New York in einem kaum beherrschbaren Wirbel, der im Anschlag kulminiert und mit friedlichen Szenen einen Neubeginn heraufbeschwört.
Wie wunderbar unprätentiös dagegen die Bilder von Inge Morath. Fast ein halbes Jahrhundert lang hat sie in der Stadt fotografiert, sich immer wieder für die kleinen Szenen des Alltags begeistert, die wohl mehr über Menschen und Menschliches als über New York aussagen. Kein Stadtporträt, sondern eine Art Autobiographie ist dieses Buch geworden - und ein Vermächtnis. Das Erscheinen hat Inge Morath nicht mehr erlebt. Sie ist im vorigen Januar gestorben.
F.L.
"New York" von Stefan Nink. Erschienen in der Reihe: "Dumont-Extra". DuMont Verlag, Köln 2002. 96 Seiten, zahlreiche Fotos und Karten sowie ein Stadtplan zum Herausnehmen. Broschiert, 6,95 Euro. ISBN 3-7701-5777-X.
"New York". Erschienen in der Reihe: "Der National Geographic Walker". G+J, RBA, Hamburg 2002. Ohne Paginierung, zahlreiche Fotos und Karten. Gebunden, 7,95 Euro. ISBN 3-934385-49-4.
"New York von oben - Eine Architekturgeschichte" von Yann Arthus-Bertrand (Fotos) und John Tauranac (Text). Knesebeck Verlag, München 2002. 160 Seiten, zahlreiche Farbfotografien, eine Karte. Gebunden, 39,90 Euro. ISBN 3-89660-122-9.
"New York" von Lance Lensfield, mit einem Text von Anthony Haden-Guest. teNeues Verlag, Kempen 2002. 129 Seiten, 104 Schwarzweißfotografien. Gebunden, 45 Euro. ISBN 3-8238-5579-4.
"New York" von Inge Morath, mit Texten von Arthur Miller und anderen. Edition Fotohof im Otto Müller Verlag, Wien 2002. 130 Seiten, 100 Schwarzweiß- und Farbfotografien. Gebunden, 36 Euro. ISBN 3-7013-1048-3.
"New York" von Horst Hamann, Edition Panorama, Mannheim 2001. 166 Seiten, mehr als 150 Schwarzweißfotografien, eine Musik-CD. Gebunden, 86 Euro. ISBN 3-89823-161-5
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Diese Stadt ist nicht mehr die, die sie einmal war", beginnt erwartungsgemäß Stefan Nink die aktualisierte Ausgabe seines Dumont-Führers "New York" - nur um zwei Seiten später zu behaupten, alles sei wie immer. Und das ist vielleicht das Problem: Wie sollen Reiseführer reagieren auf ein Gespenst, das in den Köpfen und nicht in den Straßen sein Unwesen treibt? So folgen hier die üblichen Abrisse, Adressen und Ausflugsempfehlungen - mit einer Ausnahme: Die "Extratour 5" führt um den Ground Zero, samt Abstecher zur Besucherplattform und zur Ausstellung "Here is New York" mit Fotografien der Katastrophe vom 11. September. Man kann darüber streiten, ob es sinnvoll war, für diese Anregung den Spaziergang durch SoHo zu streichen, und pietätlos gewesen wäre, sie in die "Extra-Tour" durch die Wall Street einzufügen - also durch die direkte Nachbarschaft des Platzes, an dem einst die Türme des World Trade Center standen und auf der kleinen Karte auch nach wie vor eingezeichnet sind. Auf dem herausnehmbaren Stadtplan hingegen steht nun "World Trade Center Site", in Klammern dahinter: "Closed".
Ähnlich hat der National Geographic Verlag seinen Führer auf den jüngsten Stand gebracht: Auf der Karte und unter einem Bild wurden kurzerhand die Daten "1973-2001" angefügt. Neun ausfaltbare Straßenkarten geben in dem Bändchen diverse Stadtviertel wieder, zudem eine grobe Übersicht der Sehenswürdigkeiten sowie empfehlenswerter Bars, Restaurants und Läden. Business as usual!
Bücher über New York, diesen Eindruck konnte man immer schon gewinnen, erscheinen im Monatsrhythmus. Und daß sie, zumal die Reiseführer, mal erfolgreicher und mal weniger erfolgreich, dem aktuellen Stand hinterherhecheln, war nur selten der Weltpolitik und viel häufiger der Schnellebigkeit New Yorks geschuldet. Nun, da eine Lücke in die Skyline Manhattans gerissen wurde, lassen sich Bücher zwar augenblicklich datieren. Aber weder wird Yann Arthus-Bertrands Bildband mit Luftaufnahmen besser dadurch, daß gerade einmal zwei Abbildungen das neue Stadtbild zeigen, noch verliert Horst Hamanns Buch "New York" seinen Wert, nur weil auf dem Titelfoto die Zwillingstürme zu sehen sind.
Yann Arthus-Bertrand ist der berühmteste Luftbildfotograf der Welt und hat uns mit seinen wohl Tausenden von Bildern aus dem Himmel einen buchstäblich neuen Blick auf die Erde eröffnet. Neugier am Alltag und Spaß am Ornament führten zu ebenso bezaubernden wie bizzarren Ein- und Aufsichten - ob er nun über der Wüste und dem Meer oder über Kulturlandschaften gearbeitet hat. Den Hochhäusern New Yorks jedoch konnte er kaum Neues abgewinnen. Überraschend ist allein die Präzision, mit der hier Architektur aus schwankenden Helikoptern aufgenommen wurde.
Ganz anders bei Hamann. Vor sechs Jahren hat der deutsche Fotograf mit "New York Vertikal" einen Bildband vorgelegt, der nicht nur wegen des extremen Formats schon heute zu den Klassikern zählt. In seinem schlicht "New York" genannten Folgeband zeigt er die Stadt im Panorama und Quadrat - und wiederum gelingt es ihm, den Betrachter für das hundertfach Gesehene neu zu interessieren. Nüchterne Dokumentation, expressive Abstraktionen und Schnappschüsse skurriler Momente ergänzen sich zum kühlen Bild einer fast leblosen Stadt, in der Häuser wie Kulissen und die Einwohner wie Skulpturen wirken. Alles scheint von einer befremdenden Starre ergriffen. Es ist ein bisweilen düsterer Zauber, den diese Bilder vermitteln - und der sich fast schon prophetisch in dem Sackgassenschild "End" vor den Türmen des World Trade Center bündelt.
Auch der deutsche Fotograf Lance Lensfield, der eigentlich Stefan May heißt, konnte von dem terroristischen Anschlag nichts wissen, als er begann, New York zu fotografieren - fügt nun aber Aufnahmen der zerstörten Türme und der Rettungsmannschaften nach dem Einsturz in sein Buch, als habe er von Anfang an die Geschichte einer Katastrophe erzählen wollen. Mit Bewegungsunschärfen, gekippter Kamera und gezoomten Motiven zeigt er - bisweilen nah am optischen Kitsch - New York in einem kaum beherrschbaren Wirbel, der im Anschlag kulminiert und mit friedlichen Szenen einen Neubeginn heraufbeschwört.
Wie wunderbar unprätentiös dagegen die Bilder von Inge Morath. Fast ein halbes Jahrhundert lang hat sie in der Stadt fotografiert, sich immer wieder für die kleinen Szenen des Alltags begeistert, die wohl mehr über Menschen und Menschliches als über New York aussagen. Kein Stadtporträt, sondern eine Art Autobiographie ist dieses Buch geworden - und ein Vermächtnis. Das Erscheinen hat Inge Morath nicht mehr erlebt. Sie ist im vorigen Januar gestorben.
F.L.
"New York" von Stefan Nink. Erschienen in der Reihe: "Dumont-Extra". DuMont Verlag, Köln 2002. 96 Seiten, zahlreiche Fotos und Karten sowie ein Stadtplan zum Herausnehmen. Broschiert, 6,95 Euro. ISBN 3-7701-5777-X.
"New York". Erschienen in der Reihe: "Der National Geographic Walker". G+J, RBA, Hamburg 2002. Ohne Paginierung, zahlreiche Fotos und Karten. Gebunden, 7,95 Euro. ISBN 3-934385-49-4.
"New York von oben - Eine Architekturgeschichte" von Yann Arthus-Bertrand (Fotos) und John Tauranac (Text). Knesebeck Verlag, München 2002. 160 Seiten, zahlreiche Farbfotografien, eine Karte. Gebunden, 39,90 Euro. ISBN 3-89660-122-9.
"New York" von Lance Lensfield, mit einem Text von Anthony Haden-Guest. teNeues Verlag, Kempen 2002. 129 Seiten, 104 Schwarzweißfotografien. Gebunden, 45 Euro. ISBN 3-8238-5579-4.
"New York" von Inge Morath, mit Texten von Arthur Miller und anderen. Edition Fotohof im Otto Müller Verlag, Wien 2002. 130 Seiten, 100 Schwarzweiß- und Farbfotografien. Gebunden, 36 Euro. ISBN 3-7013-1048-3.
"New York" von Horst Hamann, Edition Panorama, Mannheim 2001. 166 Seiten, mehr als 150 Schwarzweißfotografien, eine Musik-CD. Gebunden, 86 Euro. ISBN 3-89823-161-5
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main