»'Wenn man zu schnell geht, bekommt man Falten', sagte eine Nachbarin zu mir. Um mir das mitzuteilen, hatte sie mich mitten auf dem West Broadway angehalten. 'Tatsächlich', sagte ich. 'Davon bin ich felsenfest überzeugt', antwortete sie. Ich sah ihr Gesicht an. Sie ist um die Sechzig. Ihr Gesicht war verhältnismäßig faltenlos. 'Ich kenne Sie', sagte sie. 'Sie gehen immer sehr schnell.' Damit hatte sie recht. Ich gehe gern schnell. Es ist gar nicht so einfach auf den überfüllten Straßen Manhattans schnell zu gehen.«
Ein Jahr lang hat Lily Brett in der Wochenzeitung Die Zeit über ihr Leben in New York berichtet. Die Texte zeichnen ein Bild der Stadt und ihres Lebensgefühls; sie fügen sich aber gleichzeitig auch zu einem Selbstporträt ihrer Autorin, die mit ihrer Offenheit und ihrem Mut die Herzen ihrer Leserinnen und Leser für sich gewonnen hat.
Nach dem überwältigenden Erfolg von Einfach so (st 3033) und Zu sehen (st 3148) ist Lily Brett mit New York ein weiteres zauberhaftes Buch gelungen. Ob Lily Brett einen Schönheitssolon besucht oder mit ihrem Vater telefoniert, ob sie über einen unbeabsichtigten Nebeneffekt von Monica Lewinskys Affäre mit dem Präsidenten oder das Los des »Singles« sinniert: Ein weiteres Mal beweist Lily Brett, wie meisterhaft sie anhand scheinbar alltäglicher Situationen die großen Themen des Lebens erklären kann.
Ein Jahr lang hat Lily Brett in der Wochenzeitung Die Zeit über ihr Leben in New York berichtet. Die Texte zeichnen ein Bild der Stadt und ihres Lebensgefühls; sie fügen sich aber gleichzeitig auch zu einem Selbstporträt ihrer Autorin, die mit ihrer Offenheit und ihrem Mut die Herzen ihrer Leserinnen und Leser für sich gewonnen hat.
Nach dem überwältigenden Erfolg von Einfach so (st 3033) und Zu sehen (st 3148) ist Lily Brett mit New York ein weiteres zauberhaftes Buch gelungen. Ob Lily Brett einen Schönheitssolon besucht oder mit ihrem Vater telefoniert, ob sie über einen unbeabsichtigten Nebeneffekt von Monica Lewinskys Affäre mit dem Präsidenten oder das Los des »Singles« sinniert: Ein weiteres Mal beweist Lily Brett, wie meisterhaft sie anhand scheinbar alltäglicher Situationen die großen Themen des Lebens erklären kann.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.02.2001Ferne
"New York" von Lily Brett. Deuticke Verlag, Wien 2000. 160 Seiten. Gebunden, 29,90 Mark. ISBN 3-216-30515-5.
Ich erwachte mit dem dringenden Wunsch, aus der Stadt herauszukommen", beginnt Lily Brett ihre Aufsatzsammlung. Das ist ein wunderbarer Satz, aber leider kein verblüffender Anfang für ein Buch mit dem Titel "New York". Daß sich die Autorin schon auf der anderen Seite des Hudson über die Provinz aufzuregen beginnen wird, ist nur zu vorhersehbar. Um aber das Buch überhaupt einleiten zu dürfen, ist das Textchen nicht etwa mit "Provinz" oder gar "Heimweh" überschrieben, sondern heißt "Auf dem Land". Dann folgen fünfzig weitere Gedanken, Impressionen und Erlebnisse in der Reihenfolge des Alphabets: von "Ausschuß" und "Auto" über "Kleidergrößen" und "Leopardenhosen" bis "Yankees" und "Zwischenmahlzeit". Worum es darin geht, hat ein wenig mit New York, ein wenig mehr mit Frauen und sehr viel mit Lily Brett zu tun, von der wir unter anderem erfahren, daß sie von Schlammasken und Zellulitispackungen klaustrophobische Anwandlungen bekommt und sie das "ganze Gehupe und Getute" in den Straßen von Manhattan nicht leiden mag. Neurotikerin mag man sie deshalb noch lange nicht nennen; aber den Zugang zur Liga der präzis beobachtenden Flaneure und deren geschliffenen Feuilletons verwehrt sie sich selbst durch die vielen Verweise auf persönliche Wehwehchen. Liebe, Religion und Wetter zu Zeiten eines entkriminalisierten New Yorks - was wären das für Themen? Und mitunter gelingen Liliy Brett durchaus originelle Aperçus. Meist jedoch plätschert alles so brav dahin wie der Wasserfall in der Eingangshalle des Trump Tower. Ursprünglich als Kolummnen in der "Zeit" erschienen und damit für den schnellen Verbrauch bestimmt, sind die Texte vielleicht aber auch einfach nur von den zwei Buchdeckeln, die sie nun umkleiden, überfordert. Andererseits weiß Lily Brett ihre amüsant-belanglosen Plaudereien durchaus zu begründen. "New Yorker halten nicht gern inne", schreibt sie. "Die Stadt lädt nicht zum Nachdenken ein." In Deutschland geboren, 1946, und in Australien aufgewachsen, ist New York zwar nur ihre Wahlheimat. Auch dann aber färbt die Stadt ganz offenkundig ab. (F.L.)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"New York" von Lily Brett. Deuticke Verlag, Wien 2000. 160 Seiten. Gebunden, 29,90 Mark. ISBN 3-216-30515-5.
Ich erwachte mit dem dringenden Wunsch, aus der Stadt herauszukommen", beginnt Lily Brett ihre Aufsatzsammlung. Das ist ein wunderbarer Satz, aber leider kein verblüffender Anfang für ein Buch mit dem Titel "New York". Daß sich die Autorin schon auf der anderen Seite des Hudson über die Provinz aufzuregen beginnen wird, ist nur zu vorhersehbar. Um aber das Buch überhaupt einleiten zu dürfen, ist das Textchen nicht etwa mit "Provinz" oder gar "Heimweh" überschrieben, sondern heißt "Auf dem Land". Dann folgen fünfzig weitere Gedanken, Impressionen und Erlebnisse in der Reihenfolge des Alphabets: von "Ausschuß" und "Auto" über "Kleidergrößen" und "Leopardenhosen" bis "Yankees" und "Zwischenmahlzeit". Worum es darin geht, hat ein wenig mit New York, ein wenig mehr mit Frauen und sehr viel mit Lily Brett zu tun, von der wir unter anderem erfahren, daß sie von Schlammasken und Zellulitispackungen klaustrophobische Anwandlungen bekommt und sie das "ganze Gehupe und Getute" in den Straßen von Manhattan nicht leiden mag. Neurotikerin mag man sie deshalb noch lange nicht nennen; aber den Zugang zur Liga der präzis beobachtenden Flaneure und deren geschliffenen Feuilletons verwehrt sie sich selbst durch die vielen Verweise auf persönliche Wehwehchen. Liebe, Religion und Wetter zu Zeiten eines entkriminalisierten New Yorks - was wären das für Themen? Und mitunter gelingen Liliy Brett durchaus originelle Aperçus. Meist jedoch plätschert alles so brav dahin wie der Wasserfall in der Eingangshalle des Trump Tower. Ursprünglich als Kolummnen in der "Zeit" erschienen und damit für den schnellen Verbrauch bestimmt, sind die Texte vielleicht aber auch einfach nur von den zwei Buchdeckeln, die sie nun umkleiden, überfordert. Andererseits weiß Lily Brett ihre amüsant-belanglosen Plaudereien durchaus zu begründen. "New Yorker halten nicht gern inne", schreibt sie. "Die Stadt lädt nicht zum Nachdenken ein." In Deutschland geboren, 1946, und in Australien aufgewachsen, ist New York zwar nur ihre Wahlheimat. Auch dann aber färbt die Stadt ganz offenkundig ab. (F.L.)
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