Mit den 1950 erstmals publizierten »New Yorker Novellen« gilt es, ein bedeutendes Werk der deutschsprachigen Exilliteratur neu zu entdecken. Der noch 1945 in New York begonnene »Zyklus in drei Nächten« umfasst die drei Novellen »Nachtigall will zum Vater fliegen«, »Der schwarze Hut« und »Die Frau und der Tod«. Ob Hans Heinz Nachtigall, der im Exil einen märchenhaften Aufstieg vom erfolglosen Dichter zum gefragten Psychiater der New Yorker Upper Class erlebt, jedoch Verrat gegenüber seinem in Europa zurückgelassenen Vater empfindet, ob der joviale Börsenmakler Alois Altkammer, der für seine verstorbene Frau eine bizarre Totenfeier veranstaltet, ob der seines Gehörs beraubte jüdische KZ-Häftling Dr. Klopstock oder der vom Krieg heimgekehrte Pilot Happy Slocum: Bechers Geschichten handeln von einsamen, durch Erfahrungen der Entwurzelung gezeichneten Außenseitern, die um einen biographischen oder künstlerischen Neuanfang in der Fremde bemüht sind. Mit einem bald ins Satirische, bald ins Groteske weisenden schwarzen Humor erzählt Becher bereits 20 Jahre vor seinem Meisterwerk »Murmeljagd« in pointierter Form, die die Verwandtschaft zu George Grosz erkennen lässt, von den biographischen Erschütterungen inmitten einer Epoche der Entmenschlichung.
Perlentaucher-Notiz zur Dlf-Rezension
Emphatisch empfiehlt Christoph Haacker diesen Band mit drei Novellen des Autors (eine vierte aus der Originalausgabe fehlt leider). Becher stellt dem Rezensenten ein bitter-satirisches Panorama des New York der unmittelbaren Nachkriegszeit vor Augen, wo auch die Emigranten nicht geschont weden. Der Band war George Grosz gewidmet - und Grosz selbst tritt in dem Band auch auf, als Maler Theodosi Boehm. Malerei, Karikatur seien bei Becher ohnehin wichtige Motive, so Haacker weiter. Für ihn gehören die Novellen zu den "Höhepunkten deutscher New-York-Literatur", und er zögert nicht, sie Bechers "grandiosem" Roman "Murmeljagd", der ebenfalls bei Schöffling erschien, an die Seite zu stellen. Was er an dem Band allenfalls vermisst, sind hier und da Erläuterungen der Herausgeber zu zeithistorischen Bezügen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Realismus, scharfe Beobachtung, gemischt mit einer Art Nebel.«George Grosz über Ulrich Becher»Becher erweist sich als meisterhaft kurzweiliger Erzähler, der die tiefen Erschütterungen des Exils in einer Epoche der Entmenschlichung mit spitzer Feder aufs Korn nimmt.«Ute Büsing, rbb Inforadio»Die Novellen sind allen, die sich für die Atmosphäre der Exilanten im Amerika der vierziger Jahre interessieren und Freude an Sprachwitz haben, unbedingt zu empfehlen.«Dorothee Wahl, Frankfurter Rundschau»Es ist gut, dass diese Erzählungen wieder in unser Bewusstsein gebracht worden sind.«Niels Beintker, BR2, Diwan»(...) Ulrich Bechers 'New Yorker Novellen' (sind) eine Wohltat, ein Vergnügen, eine Begründung dafür, sich mit Literatur zu beschäftigen.«Enno Stahl, junge Welt»In seinen Novellen glänzt der Exilautor Ulrich Becher mit schwarzem Humor und spätexpressionistischer Sprachlust.«Oliver Pfohlmann, WDR3 Mosaik»Es ist ein absurdes Welttheater, das Becher im New York der unmittelbaren Nachkriegszeit aufführt - ein Totentanz mit einem ganz eigenen Sog.«Joanna Nowotny, Der Bund (CH)