Auch wer das Nibelungenlied nicht gelesen hat, kennt doch dessen Protagonisten, den starken Siegfried, die schöne Kriemhild und den grimmen Hagen, oder hat vom Untergang der Burgunder am Hof des Hunnenkönigs Etzel gehört. Weitgehend unbekannt dagegen sind die zahlreichen Gedichte, die nach der Entdeckung des Nibelungenliedes im Jahre 1755 durch Jacob Hermann Obereit entstanden sind. Sie handeln von nibelungischen Helden und Situationen und wurden oft aus tagespolitischem Anlass geschrieben, wobei die Nibelungen als Synonym für Deutschland galten. Gunter E. Grimm versammelt eine repräsentative Auswahl solcher Nibelungengedichte. Die Autoren stammen aus allen weltanschaulichen Lagern; darunter sind so bekannte Dichter wie Goethe und Geibel, Heine und Hebbel, Brecht und Benn. Überwog lange Zeit die politische Indienstnahme, so ist ab der Mitte des 20. Jahrhunderts der Trend zu einer eher unbefangenen Sichtweise unverkennbar. Neben Gedichten jeglicher politischen Couleur finden sich in zunehmendem Maß heitere und humoristische Verse, die mit einem ideologisch schwer befrachteten Thema spielerisch umgehen. So vermittelt die chronologisch aufgebaute Sammlung neben historischer Erkenntnis auch unbeschwertes Lesevergnügen.