Niceville. Eine Kleinstadt im Süden der USA, idyllisch, altmodisch und noch immer fest in den Händen der Gründerfamilien. Hier lässt es sich leben. Aber irgendetwas läuft schief in Niceville. An einem Sommertag verschwindet der kleine Rainey Teague. Zehn Tage später wird er gefunden - in einer alten Gruft. Er liegt im Koma. Nick Kavanaugh, der Ermittler, steht vor einem Rätsel. Niceville findet keine Ruhe mehr. Merle Zane und Charlie Danziger überfallen eine Bank und machen sich mit 2,5 Millionen Dollar aus dem Staub. Nach einer Meinungsverschiedenheit knallen sie sich gegenseitig ab. Beide überleben schwerverletzt. Niceville wird zu einem Ort ohne Gnade. Während eines inferna-lischen Wochenendes überschlagen sich die Ereignisse. Liegt ein Fluch über Niceville? Geht er aus von einem mit schwarzem Wasser gefüllten Loch indem Felsen oberhalb der Stadt? Man sagt, etwas lebt darin. Doch was?
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 26.04.2013Südstaaten-
Gespenster
Carsten Stroud startet seine
„Niceville“-Trilogie
Die Kritik ist des Lobes voll. „Hart, härter, Niceville“ ist da zu lesen über das Buch von Carsten Stroud, „perfekt gemacht“, oder „Kultverdächtig“. Einig sind sich die Kritiker darin, dass dies ein „Hybridroman“ ist, der Elemente verschiedener Genres in sich vereint: Crime, Horror, Mystery, Geistergeschichte, „hardboiled thriller“ und „Südstaatenschwelgerei“. Denn dort, im tiefen Süden der USA, wo der Bürgerkrieg immer noch nicht völlig vorbei ist, spielt das Buch.
Ob solch ein Mix in jeder Hinsicht eine gute Idee ist? Jede dieser Gattungen hat ihre eigenen Formgesetze. Der Reiz des hardboiled thriller z. B. besteht darin, dass Leute unter dem tyrannischen Druck des Faktischen Dinge tun, die sie nicht für möglich gehalten hätten. Öffnet sich in diesem hermetischen Dampfkessel plötzlich ein Ventil ins Geisterreich und erscheint einem schwerverwundeten Bankräuber auf der Flucht, der das anschließende Feuergefecht genau genommen nicht überlebt hat, das Gespenst einer energischen Südstaaten-Belle, die genau genommen seit achtzig Jahren tot ist, so wirkt dies doch stark als Griff ins fremde Register.
Der Band wird als der erste einer Niceville-Trilogie angekündigt. Ein solches Projekt bedeutet immer eine Gefahr für das Einzelbuch. Hier hat man es mit einer bloßen Exposition zu tun, die sämtliche Subplots anlegen muss, aber nicht zu Ende führen darf und auf 500 Seiten ein Personal einführt, das für 1 500 auszureichen hat. Das gerühmte Crossover findet kaum statt, die Szenen bleiben weitgehend für sich. Und die Merkfähigkeit des Lesers wird überstrapaziert: Bei mehr als drei offenen Cliffhangern gleichzeitig schaltet das Hirn auf „Overload“. Und die Versuche, am Schluss die Sphären zur verknüpfen, ernüchtern durch ihre hastig nachgelieferte Rationalität. Der Leser ist verstimmt, weil er das gehütete Geheimnis für einen Apfel und ein Ei preisgegeben findet.
Dennoch ist es keine komplette Falschmeldung, dieses Buch sei „perfekt gemacht“. Die Makro-Ökonomie weist Fehler auf, die Mikro-Ökonomie der Einzelszenen, die stets der Logik ihres Genres folgen, stimmt. Ein Mädchen bricht zusammen und findet die Kraft zum Hass, als sie erkennen muss, dass ihr Vater sie in der Pubertät mittels einer versteckten Kamera bei all ihren Verrichtungen im Badezimmer belauscht hat; dass der Vater zu den Honoratioren der Cherokee Nation gehört hat, macht die Sache überraschend, quälend und ergötzlich – denn irgendwie setzt man ja doch immer moralisch einwandfreie Indianer voraus.
Der extrem unsympathische, narzisstische, gewalttätige Chef einer Sicherheitsfirma muss bei einer Polizeikontrolle feststellen, dass ihm eine CD, die er unbedingt zurückhaben wollte, längst von seinem gehässigen Feind unter den Ersatzreifen seines Humvees gejubelt wurde. Wann benötigt ein solch potentes Gefährt schon mal einen Ersatzreifen? Nie! Das wusste dieser Dreckskerl. Der Gelackmeierte besitzt das Corpus delicti nicht, insofern er es braucht, sehr wohl aber, insofern es ihm das Genick brechen kann. Ein bisschen ist das wie E. A. Poes entwendeter Brief. Dem Übersetzer Dirk van Gunsteren sei gedankt, dass er auch solchen trickreichen Passagen im Deutschen zur Wirksamkeit verhilft.
BURKHARD MÜLLER
Carsten Stroud: Niceville. Roman. Aus dem Englischen von Dirk van Gunsteren. DuMont Verlag, Köln 2012. 506 Seiten, 19,99 Euro.
Dies ist ein „Hybridroman“ aus
Crime, Horror und Mystery
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Gespenster
Carsten Stroud startet seine
„Niceville“-Trilogie
Die Kritik ist des Lobes voll. „Hart, härter, Niceville“ ist da zu lesen über das Buch von Carsten Stroud, „perfekt gemacht“, oder „Kultverdächtig“. Einig sind sich die Kritiker darin, dass dies ein „Hybridroman“ ist, der Elemente verschiedener Genres in sich vereint: Crime, Horror, Mystery, Geistergeschichte, „hardboiled thriller“ und „Südstaatenschwelgerei“. Denn dort, im tiefen Süden der USA, wo der Bürgerkrieg immer noch nicht völlig vorbei ist, spielt das Buch.
Ob solch ein Mix in jeder Hinsicht eine gute Idee ist? Jede dieser Gattungen hat ihre eigenen Formgesetze. Der Reiz des hardboiled thriller z. B. besteht darin, dass Leute unter dem tyrannischen Druck des Faktischen Dinge tun, die sie nicht für möglich gehalten hätten. Öffnet sich in diesem hermetischen Dampfkessel plötzlich ein Ventil ins Geisterreich und erscheint einem schwerverwundeten Bankräuber auf der Flucht, der das anschließende Feuergefecht genau genommen nicht überlebt hat, das Gespenst einer energischen Südstaaten-Belle, die genau genommen seit achtzig Jahren tot ist, so wirkt dies doch stark als Griff ins fremde Register.
Der Band wird als der erste einer Niceville-Trilogie angekündigt. Ein solches Projekt bedeutet immer eine Gefahr für das Einzelbuch. Hier hat man es mit einer bloßen Exposition zu tun, die sämtliche Subplots anlegen muss, aber nicht zu Ende führen darf und auf 500 Seiten ein Personal einführt, das für 1 500 auszureichen hat. Das gerühmte Crossover findet kaum statt, die Szenen bleiben weitgehend für sich. Und die Merkfähigkeit des Lesers wird überstrapaziert: Bei mehr als drei offenen Cliffhangern gleichzeitig schaltet das Hirn auf „Overload“. Und die Versuche, am Schluss die Sphären zur verknüpfen, ernüchtern durch ihre hastig nachgelieferte Rationalität. Der Leser ist verstimmt, weil er das gehütete Geheimnis für einen Apfel und ein Ei preisgegeben findet.
Dennoch ist es keine komplette Falschmeldung, dieses Buch sei „perfekt gemacht“. Die Makro-Ökonomie weist Fehler auf, die Mikro-Ökonomie der Einzelszenen, die stets der Logik ihres Genres folgen, stimmt. Ein Mädchen bricht zusammen und findet die Kraft zum Hass, als sie erkennen muss, dass ihr Vater sie in der Pubertät mittels einer versteckten Kamera bei all ihren Verrichtungen im Badezimmer belauscht hat; dass der Vater zu den Honoratioren der Cherokee Nation gehört hat, macht die Sache überraschend, quälend und ergötzlich – denn irgendwie setzt man ja doch immer moralisch einwandfreie Indianer voraus.
Der extrem unsympathische, narzisstische, gewalttätige Chef einer Sicherheitsfirma muss bei einer Polizeikontrolle feststellen, dass ihm eine CD, die er unbedingt zurückhaben wollte, längst von seinem gehässigen Feind unter den Ersatzreifen seines Humvees gejubelt wurde. Wann benötigt ein solch potentes Gefährt schon mal einen Ersatzreifen? Nie! Das wusste dieser Dreckskerl. Der Gelackmeierte besitzt das Corpus delicti nicht, insofern er es braucht, sehr wohl aber, insofern es ihm das Genick brechen kann. Ein bisschen ist das wie E. A. Poes entwendeter Brief. Dem Übersetzer Dirk van Gunsteren sei gedankt, dass er auch solchen trickreichen Passagen im Deutschen zur Wirksamkeit verhilft.
BURKHARD MÜLLER
Carsten Stroud: Niceville. Roman. Aus dem Englischen von Dirk van Gunsteren. DuMont Verlag, Köln 2012. 506 Seiten, 19,99 Euro.
Dies ist ein „Hybridroman“ aus
Crime, Horror und Mystery
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"Souverän geschnittener, gelungener Mix aus Crime, Horror und Mystery." Platz 3 KrimiZEIT Bestenliste "Mischt wild Horror- und Detektivroman, ist drastisch und sarkastisch, ein Feuerwerk der Rätsel, als habe David Lynch einen besonders boshaften Tag erwischt." STERN "Einer der ungewöhnlichsten Hybridromane der vergangenen Jahre. ,Niceville' ist hardboiled thriller, Geistergeschichte und Südstaatenschwelgerei, eine Verbeugung vor Ambrose Bierce und William Faulkner ebenso wie vor Stephen King und Dashiell Hammett." SPIEGEL ONLINE "Herrlich abgründiger Horrorschocker." ANNABELLE "'Niceville', das ist über hundert Seiten hinweg nahezu perfekt inszenierte Effekte- und Affekte-Literatur, die fliegende Wechsel der Lesarten erfordert, ein beständiges Changieren zwischen Realismus, Kriminalroman und Phantastik. Das ist ausgesprochen spannend, und wer beim Lesen partout nicht auf tieferen Gehalt verzichten will, kann hier per Selbstversuch studieren, wie Genreliteratur funktioniert." SÜDDEUTSCHE ZEITUNG "Carsten Stroud ist einer der unablässigen Verschwörungswitterer unter den Krimiautoren. Einer, der stets die Vermutung nährt, dass finstere Mächte am Werke sind, dunkle Geheimnisse aus der Vergangenheit ihr Gift verbreiten, alte Rechnungen, die noch nicht beglichen sind und als Rachedurst über Generationen weiter gegeben wurden. Dabei verwischt er die Grenzen des üblichen Krimiromans zum Nachbarfach Fantasy." NDR.DE "Die Geschichte ist mysteriös, gruselig, sehr brutal und ungemein spannend. [...] Vor 'Niceville' müsste man eigentlich warnen: Bitte nicht nachts lesen! Und freut sich zugleich auf die beiden Folgebände." WESTDEUTSCHE ALLGEMEINE ZEITUNG "Mit ,Niceville' - Auftakt einer monumentalen Südstaaten-Trilogie - wandelt der kanadische Thriller-Spezialist Carsten Stroud auf den Spuren von Stephen King und schafft eine Mischung aus actiongeladenem Krimi und subtilem Horrorroman, die Fans beider Genres begeistert." SONNTAGSZEITUNG "Carsten Stroud versammelt sehr geschickt zuerst das hartgesottene Personal eines Polizeit-Thrillers, um dann die Falltüren der Unterwelt zu öffnen. [...] Auch von den beiden Fortsetzungen lässt man sich demnächst gerne den Nachtschlaf rauben." KÖLNISCHE RUNDSCHAU "Eine rabenschwarze, extrem zynische Story, schauderhaft gut." KLEINE ZEITUNG