Kann ein Fotograf sich an einer Auszeichnung freuen, die die Ästhetik des Leidens prämiert, oder ist dies eine zutiefst unmoralische Emotion? Was macht der Krieg mit einem Menschen, auch wenn er ihn nur durch den Sucher seiner Kamera betrachtet? Wird durch die Teilnahme, wenn auch distanziert, ein
Harmoniebedürfnis übermächtig und führt dazu, dass man sein bisheriges Leben komplett in Frage stellt…mehrKann ein Fotograf sich an einer Auszeichnung freuen, die die Ästhetik des Leidens prämiert, oder ist dies eine zutiefst unmoralische Emotion? Was macht der Krieg mit einem Menschen, auch wenn er ihn nur durch den Sucher seiner Kamera betrachtet? Wird durch die Teilnahme, wenn auch distanziert, ein Harmoniebedürfnis übermächtig und führt dazu, dass man sein bisheriges Leben komplett in Frage stellt und nur noch den Ausweg des Komplettausstiegs sieht? Und was geschieht, wenn sich durch unvorhergesehene Ereignisse Kummer und Leid in den Alltag einschleichen?
Franz Mathys, Kriegsfotograf mit Auszeichnung, kann den psychischen Belastungen seiner Einsätze in den Kriegsgebieten der Welt nicht länger standhalten und beschließt den Rückzug ins Private. Weg von der Zivilisation, auf einen alten Bauernhof, idyllisch im Wald gelegen. Und obwohl die Beziehung zu seiner Frau zerrüttet ist und sie ihn verlässt, richtet er sich dort doch sein Leben gemütlich ein. Zuerst leistet ihm nur sein Sohn, später dann auch sein verwitweter Vater Gesellschaft.
Das Zusammenleben verläuft harmonisch und friedvoll, dann aber schlägt das Schicksal unbarmherzig zu. Zuerst eine schwere Krankheit des Sohnes und dann dessen lebensgefährlicher Unfall, der Mathys Frau an dessen Fähigkeiten als Beschützer zweifeln lässt und damit endet, dass sie kurzentschlossen den Sohn mit zu sich nach Genf nimmt. Als dann noch sein Vater von zwei Wilderern zu Tode geprügelt wird, bricht das Dunkel über Mathys herein und er kann sich dem Wunsch nach Rache und Vergeltung nicht entziehen. Eine unheilvolle Spirale setzt sich in Gang.
Willi Achtens Roman, der bestimmt wird von dem Verhältnis Mensch zu Mensch zu Natur lebt von exakten Beschreibungen. Ob das nun innen oder außen, die Seelenzustände seiner Personen oder die Landschaften, für all dies findet der Autor die richtigen Worte und kreiert damit diese ganz besondere Atmosphäre, die sich stimmig und intensiv durch die komplette Handlung zieht. Unterschiedliche Handlungsstränge und verschiedene Zeitebenen verknüpft Achten sehr geschickt und zeigt damit deren Auswirkungen auf das Verhalten seines Protagonisten. Der Krieg im Kleinen holt ihn wieder ein, Friedfertigkeit wandelt sich zu Berserkertum, und es stellt sich unweigerlich die Frage, ob dieses Gewaltpotential nicht in jedem Menschen angelegt ist und beim entsprechenden Anlass zum Ausbruch drängt.
Klare, treffende Sprache, stimmig geplottet, ein Roman, der die menschlichen Emotionen in all ihren Facetten auslotet. Lesen!