Eine verehrte Dichterin voller Eleganz, verschlossen und Öffentlichkeitsscheu. Eine zierliche Kettenraucherin mit einem Faible für Camping, für Ella Fitzgerald und Woody Allen, die unter Freunden aufblühte, Limericks und practical jokes liebte. Wer war Wislawa Szymborska, die diese Facetten in sich vereinte und 1996 als Literaturnobelpreisträgerin auf einen Schlag weltberühmt wurde? Im ersten deutschsprachigen Porträt der Dichterin spürt Marta Kijowska einer Frau nach, die auf einem Landgut bei Posen aufwächst, um dann mit der Familie nach Krakau überzusiedeln. Die Biografin zeichnet ein Jahrhundert voller Verwerfungen von Krieg, Besatzung, kommunistischer Herrschaft und der anschlie- ßenden Befreiungsbewegung der Solidarnosc nach und beschreibt, wie all das sich auf Szymborskas Arbeit und ihre Beziehungen auswirkt.In Nichts kommt zweimal vor bringt uns Marta Kijowska, die große Kennerin der polnischen Literatur, eine faszinierende Persönlichkeit näher, deren vielbeachtete Gedichte - mal verspielt und selbstironisch, mal bitter und tieftraurig - bis heute berühren._Nachdruck im Paperback. Erste Auflage (HC) bereits ausverkauft!
»Indem Marta Kijowska nicht spekuliert, indem sie erzählt, aber nichts verrät, ist ihr ein zur Lebensbeschreibung geronnenes Gedicht im Duktus Wislawa Szymborskas gelungen.« Christiane Pöhlmann / Frankfurter Allgemeine Zeitung
»Marta Kijowska gelingt das Kunststück einer lebendigen, sachkundigen und dabei immer diskreten Annäherung an [Wislawa Szymborska].« Katrin Hillgruber / Badische Zeitung
»[Marta Kijowska] wechselt geschickt vom geschichtlichen Hintergrund in die persönliche Biografie und wieder zurück, sie zeigt sich aber auch als einfühlsame Interpretin von Szymborskas Lyrik.« Ulrich M. Schmid / Neue Zürcher Zeitung
»[Kijowskas] jüngstes Buch scheint mir mit besonders viel Herzblut geschrieben zu sein [...]. Und das spürt man in jeder Zeile. Ein Glücksfall!« Michael Zeller / Die Tagespost
»Die Biografie ist ein großartig zu lesender Einstieg auch für die, die die Texte dieser Dichterin noch nicht kennen.« Elke Heidenreich / Kölner Stadtanzeiger
»Mir bleibt nichts anderes, als meine Bewunderung auszudrücken für Ihre Biografie, Marta Kijowska.« Thomas Böhm / radioeins rbb
»Das Tolle an dieser Biografie, was sie auch für Menschen interessant macht, die nicht primär einen Zugang zu [Wislawa Szymborska] [haben] oder sich für Lyrik [...] interessieren: es ist die Schilderung eines Frauenlebens im 20. Jahrhundert.« Christiane Jungmeister von der Buchhandlung »Bindernagel« in Friedberg / hr2 Kultur
»Es ist immerhin die erste deutsche Biografie der polnischen Literaturnobelpreisträgerin und Marta Kijowska ist eine ideale Autorin dafür.« Anne-Dore Krohn / rbb Online
»Es sind die gut zusammengetragenen Details und Anekdoten [...], die einem die Personlichkeit Szymborskas naherbringen.« Erwin Uhrmann / Die Presse
»[Kijowska bindet] ganz unaufdringlich Szymborskas Entwicklung ins zeitgeschichtliche Umfeld ein.« Nico Bleutge / Deutschlandfunk
»Bei diesem Buch über Wislawa Szymborska handelt es sich um eine der besten Biographien, die ich überhaupt gelesen habe.« Stephan Wolting / literaturkritik.de
»Marta Kijowska gelingt das Kunststück einer lebendigen, sachkundigen und dabei immer diskreten Annäherung an [Wislawa Szymborska].« Katrin Hillgruber / Badische Zeitung
»[Marta Kijowska] wechselt geschickt vom geschichtlichen Hintergrund in die persönliche Biografie und wieder zurück, sie zeigt sich aber auch als einfühlsame Interpretin von Szymborskas Lyrik.« Ulrich M. Schmid / Neue Zürcher Zeitung
»[Kijowskas] jüngstes Buch scheint mir mit besonders viel Herzblut geschrieben zu sein [...]. Und das spürt man in jeder Zeile. Ein Glücksfall!« Michael Zeller / Die Tagespost
»Die Biografie ist ein großartig zu lesender Einstieg auch für die, die die Texte dieser Dichterin noch nicht kennen.« Elke Heidenreich / Kölner Stadtanzeiger
»Mir bleibt nichts anderes, als meine Bewunderung auszudrücken für Ihre Biografie, Marta Kijowska.« Thomas Böhm / radioeins rbb
»Das Tolle an dieser Biografie, was sie auch für Menschen interessant macht, die nicht primär einen Zugang zu [Wislawa Szymborska] [haben] oder sich für Lyrik [...] interessieren: es ist die Schilderung eines Frauenlebens im 20. Jahrhundert.« Christiane Jungmeister von der Buchhandlung »Bindernagel« in Friedberg / hr2 Kultur
»Es ist immerhin die erste deutsche Biografie der polnischen Literaturnobelpreisträgerin und Marta Kijowska ist eine ideale Autorin dafür.« Anne-Dore Krohn / rbb Online
»Es sind die gut zusammengetragenen Details und Anekdoten [...], die einem die Personlichkeit Szymborskas naherbringen.« Erwin Uhrmann / Die Presse
»[Kijowska bindet] ganz unaufdringlich Szymborskas Entwicklung ins zeitgeschichtliche Umfeld ein.« Nico Bleutge / Deutschlandfunk
»Bei diesem Buch über Wislawa Szymborska handelt es sich um eine der besten Biographien, die ich überhaupt gelesen habe.« Stephan Wolting / literaturkritik.de
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Von Marta Kijowska kann Rezensent Ulrich M. Schmid einiges über die polnische Nobelpreisträgerin Wislawa Szymborska erfahren: So widmet er sich ausführlich den verschiedenen, auch politischen Stationen, an denen sich die Dichterin im Laufe ihres Lebens aufgehalten hat. Dass sie in wechselhaften Zeiten zwischen polnischen Unabhängigkeitsbestrebungen, Nazi-Okkupation, Stalinismus und wieder Unabhängigkeit und EU-Beitritt gelebt hat, bringt die Literaturkritikerin Kijowska Schmid auf ansprechende Weise näher, aus diesen Umständen nimmt er auch neue Ansätze zur Interpretation des Werkes mit und vor allem die Erkenntnis, dass Szymborska mit ihrer Lyrik "wesentliche weltliterarische Fragen auf Polnisch" gestellt hat.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.04.2023Wir kommen untrainiert zur Welt
Ein zur Lebensbeschreibung geronnenes Gedicht: Marta Kijowskas Biographie der Literaturnobelpreisträgerin Wislawa Szymborska
Ein paar Worte, aus den Augenwinkeln wahrgenommen nur, vor einer Internetrecherche. Etwas mit Tiktok, Orangen und Dusche. Ungläubige Faszination führt spontan zur Begriffseingabe. Engagierte Erklärungen, warum diese Südfrüchte unter fließendem Wasser gegessen sein wollen: Vitamine, Hygiene, Aromatheraphie. Allerdings wohl kein ganz neuer Trend, manches kommt eben doch zweimal vor.
Aus solchen Alltagsirritationen hat Wislawa Szymborska, die "Meisterin der philosophischen Miniatur", Alltagslyrik geformt. "Was immer wir von dieser Welt denken sie macht uns staunen", hält sie fest. "Im Begriff ,Staunen' steckt jedoch eine logische Falle. Wir bestaunen schließlich das, was von bekannten, allgemein anerkannten Normen abweicht, von der Selbstverständlichkeit, die wir gewohnt waren." Trotzdem staunt sie gern, zum Beispiel darüber, dass noch nicht alle Welt die "Pickwickier" von Dickens gelesen hat. Und sie nimmt sich Zeit für dieses Tun, denkt über Fragen nach, sucht lange nach Antworten. Sie ist eine schlagfertige Frau, die sehr bedachtsam ist. Um diesen vermeintlichen Widerspruch weiß sie: "Ich hätte ich selbst sein können - doch ohne Staunen, / und das würde bedeuten, / jemand ganz anderer."
Die letzten Zeilen sind tatsächlich eine der wenigen klaren Selbstauskünfte, die sie lyrisch gibt. Trotzdem verwies sie in Interviews stur auf diese Quelle und verweigerte Antworten auf allzu persönliche Fragen. In ihrer "Abneigung gegen jede Form von Kollektivität, Feierlichkeit, Pomp" und offizielle Ehrungen wächst sich alles rund um den Nobelpreis, der ihr 1996 zuerkannt wurde, für sie zur "Stockholmer Tragödie" aus. Als Bollwerk gegen den journalistischen Ansturm soll ein Sekretär her. Ein junger Akademiker spricht vor, eine Besucherin geht, sie geben sich die Klinke in die Hand, das Telefon schrillt, kurzerhand schneidet er das Kabel durch - und ist eingestellt.
Biographisch ist das ein Glücksfall, denn der junge Mann war bis zu ihrem Tod 2012 an ihrer Seite und hat - diskrete - Erinnerungen festgehalten. Szymborska war eine äußerst diskrete Frau, selbst ihren wenigen langjährigen Freundinnen gegenüber wahrte sie eine gewisse Reserviertheit. Bei chronischer Lachlust und gut gepflegter Ironie führte das dazu, dass die ersten Biographinnen in Polen sehr zum Verdruss der Dichterin ihr Leben als sorgenfreies "Schmetterlingsdasein" zeichneten. Sie begann, zumindest über eine postum andere Darstellung zu grübeln. Nun hat Marta Kijowska eine erste deutsche Biographie verfasst. Im Vorwort legt sie die Karten offen auf den Tisch: Sie wird nicht bohren, sondern das Geheimnis von Szymborskas Talent wahren, es nicht enträtseln, sondern davon erzählen, lieber mit einer Anekdote mehr als mit einem Fakt zu viel, verehrend, aber nie verklärend.
Die sprichwörtlichen drei Wünsche lassen sich bei der Lektüre einer Biographie klarer formulieren als bei einem Roman, und Kijowska erfüllt sie alle. "Nichts kommt zweimal vor" ist sehr gut geschrieben. Nach einem grandiosen Vorwort ist das erste Kapitel anfangs mit Namen und geschichtlichen Verweisen etwas überfrachtet, doch nach wenigen Seiten ist das vergessen. Dann kommt Kijowska - Wunsch zwei - zu Zeit, Land und Leuten. Die Besatzung der Deutschen, der Kommunismus, Tauwetter, neuerliche Erstarrung, Wojtyla und Solidarnosc, der Nobelpreis für Czeslaw Milosz und das Kriegsrecht, nebenbei noch ein wunderbares Porträt von Krakau. Und schließlich Szymborska selbst, die hier so lebendig, eigenwillig und selbstbewusst hervortritt, dass nach der letzten Seite der Biographie ein neuer Wunsch da ist: ihre Lyrik zu lesen. Erstmals, erneut, einerlei.
Kijowska ist eine profunde Kennerin von Szymborskas Werk, verzichtet aber auf eine Darstellung im literaturwissenschaftlichen Jargon, sondern erzählt auch hier. Von der Lyrikerin, die anfangs vor Stalin-Gedichten nicht zurückgeschreckt ist. Die jedoch reifte und sich im ersten Schritt "halbwegs anständig" verhielt. Die auch als Opposition und ihre Sprache quasi aufeinander zugewachsen waren, ihre eigene Verführbarkeit immer durchschimmern ließ. "Links liegt der See der Tiefen Überzeugung" heißt es in einem Gedicht, "Ich bin mir lieber als Menschenfreund / denn als Freund der Menschheit" in einem anderen. Vor allem in Szymborskas wenigen Briefen funkelt ihre Ironie. Da schafft sie es, allein mit der Anrede ein Lachen zu entlocken und in ihr einen ganzen Gefühlsfächer unterzubringen: "Kornel, du Mangelware!" Der flapsige Ausdruck kaschiert, wie sehr sie sich während einer Kur nach ihrem Lebensgefährten sehnt, deutet gleichzeitig an, wie stark ihr der Mangel an Privatsphäre im Sanatorium zusetzt, und ist sicher auch ein kleiner Seitenhieb auf den allgemeinen Mangel. Wo nicht alles gesagt werden kann, steckt bei Szymborska bereits in einem einzigen Wort mehr als in manch langem Satz.
Szymborska hatte eine Schwäche für Kitsch, Jazz und Seifenopern. Ungeachtet aller Zurückhaltung war sie im kleinen bis mittleren Kreis gesellig, liebte Spottreimwettbewerbe und lud auch ihre Leserschaft begeistert zum "intellektuellen Spiel" ein. Bei ihrer Beerdigung wurden auf dem Friedhof Ella Fitzgerald und am Markt von Krakau ein vertontes Gedicht von ihr gespielt, das mittlerweile längst zum Schlager geworden war. "Nichts kommt zweimal vor, / auch wenn es uns anders schiene. / Wir kommen untrainiert zur Welt / und sterben ohne Routine." Spekulationen sind müßig - oder intellektuelles Spiel. Ob dieser Schluss Szymborska gefallen hätte?
Indem Marta Kijowska nicht spekuliert, indem sie erzählt, aber nichts verrät, ist ihr ein zur Lebensbeschreibung geronnenes Gedicht im Duktus Wislawa Szymborskas gelungen. Es bleibt nur zu staunen. CHRISTIANE PÖHLMANN
Marta Kijowska: "Nichts kommt zweimal vor".
Wislawa Szymborska - Eine Biografie.
Schöffling & Co., Frankfurt am Main 2023. 320 S., geb., Abb., 28,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ein zur Lebensbeschreibung geronnenes Gedicht: Marta Kijowskas Biographie der Literaturnobelpreisträgerin Wislawa Szymborska
Ein paar Worte, aus den Augenwinkeln wahrgenommen nur, vor einer Internetrecherche. Etwas mit Tiktok, Orangen und Dusche. Ungläubige Faszination führt spontan zur Begriffseingabe. Engagierte Erklärungen, warum diese Südfrüchte unter fließendem Wasser gegessen sein wollen: Vitamine, Hygiene, Aromatheraphie. Allerdings wohl kein ganz neuer Trend, manches kommt eben doch zweimal vor.
Aus solchen Alltagsirritationen hat Wislawa Szymborska, die "Meisterin der philosophischen Miniatur", Alltagslyrik geformt. "Was immer wir von dieser Welt denken sie macht uns staunen", hält sie fest. "Im Begriff ,Staunen' steckt jedoch eine logische Falle. Wir bestaunen schließlich das, was von bekannten, allgemein anerkannten Normen abweicht, von der Selbstverständlichkeit, die wir gewohnt waren." Trotzdem staunt sie gern, zum Beispiel darüber, dass noch nicht alle Welt die "Pickwickier" von Dickens gelesen hat. Und sie nimmt sich Zeit für dieses Tun, denkt über Fragen nach, sucht lange nach Antworten. Sie ist eine schlagfertige Frau, die sehr bedachtsam ist. Um diesen vermeintlichen Widerspruch weiß sie: "Ich hätte ich selbst sein können - doch ohne Staunen, / und das würde bedeuten, / jemand ganz anderer."
Die letzten Zeilen sind tatsächlich eine der wenigen klaren Selbstauskünfte, die sie lyrisch gibt. Trotzdem verwies sie in Interviews stur auf diese Quelle und verweigerte Antworten auf allzu persönliche Fragen. In ihrer "Abneigung gegen jede Form von Kollektivität, Feierlichkeit, Pomp" und offizielle Ehrungen wächst sich alles rund um den Nobelpreis, der ihr 1996 zuerkannt wurde, für sie zur "Stockholmer Tragödie" aus. Als Bollwerk gegen den journalistischen Ansturm soll ein Sekretär her. Ein junger Akademiker spricht vor, eine Besucherin geht, sie geben sich die Klinke in die Hand, das Telefon schrillt, kurzerhand schneidet er das Kabel durch - und ist eingestellt.
Biographisch ist das ein Glücksfall, denn der junge Mann war bis zu ihrem Tod 2012 an ihrer Seite und hat - diskrete - Erinnerungen festgehalten. Szymborska war eine äußerst diskrete Frau, selbst ihren wenigen langjährigen Freundinnen gegenüber wahrte sie eine gewisse Reserviertheit. Bei chronischer Lachlust und gut gepflegter Ironie führte das dazu, dass die ersten Biographinnen in Polen sehr zum Verdruss der Dichterin ihr Leben als sorgenfreies "Schmetterlingsdasein" zeichneten. Sie begann, zumindest über eine postum andere Darstellung zu grübeln. Nun hat Marta Kijowska eine erste deutsche Biographie verfasst. Im Vorwort legt sie die Karten offen auf den Tisch: Sie wird nicht bohren, sondern das Geheimnis von Szymborskas Talent wahren, es nicht enträtseln, sondern davon erzählen, lieber mit einer Anekdote mehr als mit einem Fakt zu viel, verehrend, aber nie verklärend.
Die sprichwörtlichen drei Wünsche lassen sich bei der Lektüre einer Biographie klarer formulieren als bei einem Roman, und Kijowska erfüllt sie alle. "Nichts kommt zweimal vor" ist sehr gut geschrieben. Nach einem grandiosen Vorwort ist das erste Kapitel anfangs mit Namen und geschichtlichen Verweisen etwas überfrachtet, doch nach wenigen Seiten ist das vergessen. Dann kommt Kijowska - Wunsch zwei - zu Zeit, Land und Leuten. Die Besatzung der Deutschen, der Kommunismus, Tauwetter, neuerliche Erstarrung, Wojtyla und Solidarnosc, der Nobelpreis für Czeslaw Milosz und das Kriegsrecht, nebenbei noch ein wunderbares Porträt von Krakau. Und schließlich Szymborska selbst, die hier so lebendig, eigenwillig und selbstbewusst hervortritt, dass nach der letzten Seite der Biographie ein neuer Wunsch da ist: ihre Lyrik zu lesen. Erstmals, erneut, einerlei.
Kijowska ist eine profunde Kennerin von Szymborskas Werk, verzichtet aber auf eine Darstellung im literaturwissenschaftlichen Jargon, sondern erzählt auch hier. Von der Lyrikerin, die anfangs vor Stalin-Gedichten nicht zurückgeschreckt ist. Die jedoch reifte und sich im ersten Schritt "halbwegs anständig" verhielt. Die auch als Opposition und ihre Sprache quasi aufeinander zugewachsen waren, ihre eigene Verführbarkeit immer durchschimmern ließ. "Links liegt der See der Tiefen Überzeugung" heißt es in einem Gedicht, "Ich bin mir lieber als Menschenfreund / denn als Freund der Menschheit" in einem anderen. Vor allem in Szymborskas wenigen Briefen funkelt ihre Ironie. Da schafft sie es, allein mit der Anrede ein Lachen zu entlocken und in ihr einen ganzen Gefühlsfächer unterzubringen: "Kornel, du Mangelware!" Der flapsige Ausdruck kaschiert, wie sehr sie sich während einer Kur nach ihrem Lebensgefährten sehnt, deutet gleichzeitig an, wie stark ihr der Mangel an Privatsphäre im Sanatorium zusetzt, und ist sicher auch ein kleiner Seitenhieb auf den allgemeinen Mangel. Wo nicht alles gesagt werden kann, steckt bei Szymborska bereits in einem einzigen Wort mehr als in manch langem Satz.
Szymborska hatte eine Schwäche für Kitsch, Jazz und Seifenopern. Ungeachtet aller Zurückhaltung war sie im kleinen bis mittleren Kreis gesellig, liebte Spottreimwettbewerbe und lud auch ihre Leserschaft begeistert zum "intellektuellen Spiel" ein. Bei ihrer Beerdigung wurden auf dem Friedhof Ella Fitzgerald und am Markt von Krakau ein vertontes Gedicht von ihr gespielt, das mittlerweile längst zum Schlager geworden war. "Nichts kommt zweimal vor, / auch wenn es uns anders schiene. / Wir kommen untrainiert zur Welt / und sterben ohne Routine." Spekulationen sind müßig - oder intellektuelles Spiel. Ob dieser Schluss Szymborska gefallen hätte?
Indem Marta Kijowska nicht spekuliert, indem sie erzählt, aber nichts verrät, ist ihr ein zur Lebensbeschreibung geronnenes Gedicht im Duktus Wislawa Szymborskas gelungen. Es bleibt nur zu staunen. CHRISTIANE PÖHLMANN
Marta Kijowska: "Nichts kommt zweimal vor".
Wislawa Szymborska - Eine Biografie.
Schöffling & Co., Frankfurt am Main 2023. 320 S., geb., Abb., 28,- Euro.
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