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Musician, novelist, poet, actor: Nick Cave (b. 1957) is a Renaissance man.
His wide-ranging artistic output-always uncompromising, hypnotic, and intense-is defined by an extraordinary gift for storytelling. In Nick Cave: Mercy on Me, Reinhard Kleist employs a cast of characters drawn from Cave's music and writing to tell the story of a formidable artist and influencer.
Kleist paints an expressive and enthralling portrait of Cave's childhood in Australia; his early years fronting The Birthday Party; the sublime highs of his success with The Bad Seeds; and the crippling lows of his battle
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Produktbeschreibung
Musician, novelist, poet, actor: Nick Cave (b. 1957) is a Renaissance man.

His wide-ranging artistic output-always uncompromising, hypnotic, and intense-is defined by an extraordinary gift for storytelling. In Nick Cave: Mercy on Me, Reinhard Kleist employs a cast of characters drawn from Cave's music and writing to tell the story of a formidable artist and influencer.

Kleist paints an expressive and enthralling portrait of Cave's childhood in Australia; his early years fronting The Birthday Party; the sublime highs of his success with The Bad Seeds; and the crippling lows of his battle with heroin. Capturing everything from Cave's frenzied performances in Berlin to the tender moments he spent with love and muse Anita Lane, Kleist's graphic biography, like Cave's songs, is by turns electrifying, sentimental, morbid, and comic-but always engrossing.

Autorenporträt
Reinhard Kleist is an award-winning graphic novelist best known for his graphic biographies Johnny Cash: I See a Darkness, The Boxer, and An Olympic Dream. He lives in Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.12.2017

Am Anfang war ein Schrei

Aggressiv, exzessiv, meditativ - Reinhard Kleist hat dem Musiker Nick Cave eine großartige Graphic Novel gewidmet

Als sich Nick Cave kürzlich anlässlich eines Konzertes in Israel sehr deutlich über die Boykottkampagne englischer Musiker wie Roger Waters und Brian Eno gegen Israel äußerte, war das bloß vernünftig und gerade deshalb schön. Die Liste der Israel-Boykott-Kampagne BDS (was für Boycott, Divestment und Sanctions steht), die sich vor allem über die israelische Politik gegenüber den Palästinensern erregt, stinke zum Himmel, sagte Cave und fügte hinzu, dass er sich wie ein Feigling vorgekommen wäre, wenn er in diesem Punkt nicht Stellung bezogen hätte. Seine Haltung hat er dann mit dem bewiesen, was er am besten kann, nämlich mit zwei Konzerten in Israel. Er liebe das Land und die Israelis, sagte er zur Begründung seiner Parteinahme. Auch das klang eher hell als dunkel und war auf alle Fälle meilenweit von jenem Eskapismusvorwurf entfernt, der Cave wie viele andere Künstler und Musikerinnen begleitet hatte, die in den achtziger Jahren nach dem Ende des Punks auf den Trümmern dieses heftigen Ausbruchs versuchten, etwas Neues zu starten.

Caves Musik, die er in den ersten Jahren mit Bands wie The Boys Next Door und The Birthday Party entwickelte, seine Songs und seine Auftritte kreisten rücksichtslos nur um sich selbst und kümmerten sich wenig um die Menschen um sie herum und schon gar nicht um die Welt, lautete der pauschale Vorwurf. Und natürlich war das nicht nur aus der Luft gegriffen, wie man an einem weniger moralisierenden Kommentar einer Medizinstudentin ablesen kann, die in den achtziger Jahren im damaligen West-Berliner Szenelokal "Risiko" beim Anblick von Nick Cave und Blixa Bargeld nur meinte, die hätten bestimmt noch nie den Müll runtergebracht - wobei sie in sich hineinlachte. Und wahrscheinlich liegt man auch nicht ganz falsch, wenn man dieses gesunde, eher schüchterne Lachen auch bei Kylie Minogue vermutet, als sie in der Mitte der neunziger Jahre mit Nick Cave und den Musikern der Bad Seeds, noch heute Caves Band, zusammentraf, um den Welthit "Where the Wild Roses Grow" aufzunehmen. Das Gefälle jedenfalls zwischen dem hellwachen australischen Weltstar und den damals schwer von ihrem Lebensstil, der tagelangen Schlaflosigkeit und harten Drogen gezeichneten Musikern um Cave wird kaum geringer gewesen sein als im West-Berlin der Achtziger.

Womit man dann auch mittendrin ist in der großartigen Geschichte "Nick Cave - Mercy on Me", die der Comic-Autor Reinhard Kleist Nick Cave zu dessen sechzigstem Geburtstag gewidmet hat. Elisa Day, die Cave in seinem Duett mit Kylie Minogue im Lied ermorden ließ, tritt nämlich in Kleists Graphic Novel persönlich auf und beschimpft Cave für die Misshandlungen, die er ihr angetan hat. Sie ist damit nicht das einzige Opfer aus Caves gewaltgetränkten Liedern, das sich durch Kleist zu Wort melden kann und sein Missfallen unmissverständlich zum Ausdruck bringt. Auch Euchrid Eucrow, der stumme, im Laufe der Geschichte gelynchte Held aus Caves 1989 erschienenem Roman "Und die Eselin sah den Engel", taucht auf und meldet Bedenken an gegen die Behandlung durch Cave.

Es sind aber nicht nur die Malträtierten oder von Cave in den Tod geschickten Figuren seiner Lieder und Bücher, die Kleist in Caves Lebensgeschichte zurückholt. Gegen Ende der mehr als 300 Seiten langen Erzählung steigt auch die Blueslegende Robert Johnson in Caves Auto und lässt etwas erahnen von der lebenserhaltenden Wirkung, die nicht nur Nick Cave mit seinen Liedern in die Welt setzen will. Johnson, der 1938 mit 27 Jahren in den Vereinigten Staaten unter ungeklärten Umständen verstorben ist, gehört zu jenen Größen der Musikgeschichte, denen Cave sich nicht nur verpflichtet fühlt, sondern denen er zu der verdienten Unsterblichkeit verhelfen will, die gerade Johnsons Gitarrenspiel irgendwo zwischen den immer wiederkehrenden Wolken aufheben soll.

Mit Johnson, um in Kleists Geschichte zurückzukehren, will Cave unbedingt nach Genf fahren, denn dort soll es, erzählt Cave, eine Einrichtung geben, mit der man an den Anfang des Lebens beziehungsweise sogar der Erde zurückkehren könne. Und vielleicht könne man auf diesem Weg auch etwas mehr über sich selbst erfahren, das eigene Schaffen, woher es komme und was diese Lieder zum Leben erwecke, meint Cave. Auch wenn das Genfer Cern, eines der größten Zentren für physikalische Grundlagenforscher, wahrscheinlich keine Ahnung von den Schöpfungsgründen der Lieder und Texte von Nick Cave haben wird, trifft Kleist mit diesen Cave in den Mund gelegten Worten doch einen Kern zumindest des Künstlers. Es kann Cave mit seinen Themen und Fragen nicht tief genug gehen. So wie ihm die Bibel oder Shakespeare mit ihren Worten und Themen gerade recht sind, so kommen ihm eben auch die Fragen nach dem Anfang der Erde im Zusammenhang mit seinem Schreiben adäquat vor.

Das ist natürlich größenwahnsinnig, aber der Künstler ist nach Cave eben auch ein Gott. Und Caves großes Glück mit seinem Biographen ist, das Reinhard Kleist das Kunststück fertigbringt, diesen Größenwahn in die Welt seines Comics zu setzen, ohne sich romantisch oder ironisch darüber zu erheben. Kleist nimmt diesen Impuls so ernst, wie es nötig ist, um aus Cave eine Figur seines Comics zu machen, die mit den anderen Figuren auf einer Ebene ins Gespräch kommen kann. Und daraus schöpft diese Biographie mindestens so viel Kraft wie aus Caves biographischen Daten oder seinen Texten. Kleist erzählt in kontrastreichen Schwarzweißstrichen ein Leben, zu dessen Quellen die tatsächlichen Daten genauso werden wie die von Cave geschaffenen fiktiven Figuren.

Daraus wird dann eine Geschichte, die in einem kleinen Ort in Australien beginnt und über Melbourne und London auch in das West-Berlin der achtziger Jahre führt. In Berlin hört Cave dann einen Schrei. Er versetzt ihn in die bis heute existierende Sphäre, in der er nach jener Synthese aus biblischen Themen, klassischer Bluestradition und immer wieder hereinbrechenden, auch zerstörerisch-katastrophischen Tönen sucht. Der Schrei kommt von Blixa Bargeld, dem Sänger der Einstürzenden Neubauten. Cave und Bargeld werden in der Folge Freunde, und sie spielen auch eine Zeitlang zusammen bei den Bad Seeds. Die apokalyptischen Finstermänner, als die viele sie sahen, sind sie dann schon relativ bald nicht mehr. Mit dem "Ship Song", 1990 auf dem Album "The Good Son" von den Bad Seeds veröffentlicht, gelingt ihnen sogar ein Gassenhauer, bei dem man mitwippen kann.

Ihre Energie ziehen Cave und Blixa Bargeld wie in den Anfangsjahren aus einer vor allem bei den öffentlichen Auftritten sichtbaren Aggression, die eben auch eine Aggression gegen das Publikum ist. Kleist fängt sie in einer wunderbaren Zeichnung ein, die Cave zeigt, wie er ein Mikrofon wegschleudert und dazu vor sich hin sagt: "Leckt mich! Ich habe keinen Bock mehr!" Es ist dies eine Haltung gegenüber dem Publikum, die nicht der Arroganz entspringt. Diese Aggression ist tatsächlich eine Abwehr jeder Anbiederung, bevor die Anbiederung überhaupt stattgefunden haben kann. Nick Cave scheint andauernd sagen zu wollen, dass jeder abhauen solle, der etwas von ihm will, und ist doch tief davon überzeugt, dass es eine paar Leute gibt, die diese Lieder brauchen, so wie er Robert Johnson und Blixa Bargelds Schrei brauchte.

Kleist löst diese Spannung nicht auf, er transformiert sie eher in die manchmal aggressive und manchmal auch meditative Strichführung seiner Zeichnungen. Groß ist das auch deshalb, weil Kleist nicht eine Sekunde Zweifel daran aufkommen lässt, dass hier zwar ein großer Künstler durch Bars, Straßen und die Schweizer Berge zieht, dieser Künstler aber Leichen nicht nur in seinen Liedern zurückgelassen hat. Denn natürlich ist Nick Cave, da er sechzig Jahre alt geworden ist, ein Überlebender wie William S. Burroughs oder Keith Richards Überlebende sind. Wer so extrem und so lange mit harten Drogen umging wie die drei Genannten, der hinterlässt zwangsläufig Spuren realer Verwüstungen, die für viele Betroffene bestimmt nicht schmerzlos waren. Und wenn man sich fragen will, was Kunst ist, dann kann man eine Antwort darin finden, wie Kleist diese Tatsachen, Widersprüche und Härten in das Leben von Nick Cave einzeichnet, ohne auch nur eine Facette zu beschönigen oder einen Künstlermythos zu entwerfen, dem Künstler eben extreme Personen sind, die auch extreme Dinge tun dürfen.

Nichts dergleichen findet man hier. Kleist folgt mit seinen Zeichnungen und seinen Texten, die sich oft auch auf Songtexte von Cave beziehen oder ihnen entnommen sind, mit der Geste eines teilnehmenden Beobachters, dessen Teilnahme jedoch zeitlich verschoben ist. Kleist, der jünger als Cave ist, ist kein Zeitgenosse der Exzesse, aber ein genauer Leser und Hörer. Und als solcher ist ihm auch eine Geschichte aus Caves Leben nicht entgangen, die dessen oft kritisierten Hang zu ausweglosen Tragödien nicht als Pose erscheinen lassen kann. Cave hat in seinen Liedern, aber auch in seinem Roman oft den Mythos von Elvis Presleys bei der Geburt gestorbenem Zwilling behandelt. Und Cave selbst ist Vater von Zwillingen, von denen einer 2015 bei einem Sturz von einer Klippe ums Leben kam. Wie Kleist in einem Interview erzählt, sei es ihm bei der Nachricht kalt den Rücken heruntergelaufen, denn tragischer gehe es nicht, wenn ein Topos des Werkes in das Leben des Künstlers trete.

Und während Kleist diese Geschichte in seinem Werk ausspart, hält er sich mit den großen Mythen, die der Künstler Nick Cave in seinem Werk ausbreitet, nicht zurück. Allerdings folgt er den Schöpfungsmythen sehr real, sozusagen materialistisch. Denn was Cave antreibt, ist ein unbedingtes Schreibenwollen, überall klimpern die Schreibmaschinen, werden Zettel herausgerissen und Worte gesucht, die den Dämonen dieses Lebens einen Ausdruck geben können, der von anderen dann zu anderen Zeiten wieder aufgenommen und weitergereicht werden kann, wie Robert Johnsons Gitarrenspiel. Dass dieser Lauf der Töne nicht unterbrochen wird, das schafft Reinhard Kleist allein mit Bildern und Worten in Schwarzweiß. Mehr geht nicht.

CORD RIECHELMANN

Reinhard Kleist: "Nick Cave - Mercy on Me". Carlsen, 328 Seiten, 24,99 Euro

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