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Die Korrespondenz des französischen Malers Nicolas Poussin (1594-1665) ist von Bedeutung für die Interpretation seines künstlerischen Werkes. Die Briefe waren ein Selbstdarstellungsmittel, um Käufer zu binden, die Wirkung von Gemälden zu steuern oder ihnen politische Nebenbedeutungen einzuschreiben. Eine Auswahl von Briefen ist dem Band in deutscher Übersetzung beigefügt.

Produktbeschreibung
Die Korrespondenz des französischen Malers Nicolas Poussin (1594-1665) ist von Bedeutung für die Interpretation seines künstlerischen Werkes. Die Briefe waren ein Selbstdarstellungsmittel, um Käufer zu binden, die Wirkung von Gemälden zu steuern oder ihnen politische Nebenbedeutungen einzuschreiben. Eine Auswahl von Briefen ist dem Band in deutscher Übersetzung beigefügt.

Autorenporträt
Dr. Matthias Bruhn, geboren 1966 ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Hermann von Helmholtz-Zentrums für Kulturtechnik an der Humboldt-Universität zu Berlin.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.03.2001

Der mystische Körper des Königs
Wenn Bilder zur Textur werden: Nicolas Poussin schreibt Briefe und verkauft en passant seine Gemälde
Ein Maler und seine Maßstäbe: „Es besteht überhaupt kein Anlass, mich dazu zu ermuntern, die Werke zu beenden, die ich für Euch begonnen habe. Die Liebe, die ich für Euch empfinde und das Bedürfnis, etwas Gutes zu schaffen, können durch kein Mittel vergrößert werden. Jedenfalls, wenn das Kunstwerk nicht einen Grad der Vollendung erreicht, wie Ihr es in Eurer Vorstellung ausmalt, beschuldigt niemand andern als die Vortrefflichkeit Eurer schönen Ideen, die niemand je erreichen kann. ”
Die Kriterien, die Nicolas Poussin auf die Kunst angewendet hat, galten ihm auch für Freundschaft und Geschäftsbeziehungen. Mit Aufrichtigkeit hatten sie nicht unbedingt etwas zu tun. Seine Briefe wurden von denen, die sie bekamen, anderen vorgeführt wie Gemälde, im Privaten ausgestellt. Sie waren, wie die Bilder, auf Veröffentlichung hin angelegt, geschrieben mit Blick auf den Empfänger – und dennoch nebenbei auch bemüht um einen eigenen Ausdruck. Mit den „Freunden”, an die die Briefe gerichtet sind, wollte der Künstler sich austauschen – und Geschäfte machen. Sie sollten seine Bilder kaufen, sie sollten ihren Freunden den Maler weiterempfehlen. Der Brief war ein Teil der Vermarktungsstrategie, die der Künstler als Unternehmer leisten musste, ein unumgängliches Gesellschaftsspiel und sicherer Schutz vor Armut. „Freundschaft als Subskriptionsprinzip” nennt Matthias Bruhn das in seinem Buch über Poussin und seine Bilder und Briefe.
Poussins Bilder idealisieren die Welt, sie überbieten das Sichtbare. In der wirklichen Welt ist alles zufällig und alles möglich. Im Kunstwerk dagegen gibt es keine Alternative. Poussins Bilder verbinden klassische Motive mit den Fragen der Gegenwart. Sie sind Essays im Sinne Montaignes, die, indem sie sich der Tradition bedienen, zu zeitlosen Gleichnissen werden. Was Poussin in seinen Briefen über die Kunst sagt, stammt von Aristoteles, Tasso oder Plutarch. Die Maske des Rollenspiels macht unangreifbar. Seine eigentliche Sprache war die Malerei. Die Briefe waren nur alltägliche Pflicht, Mühe und Arbeit. Sie waren das Geschäft und das Leben – und das wird immer von der Kunst übertroffen.
Trotzdem lässt sich mit Hilfe dieser Briefe eine andere Form der Kommunikation in Poussins Bildern entdecken, nämlich die mit den Auftraggebern. Zum Vorschein kommt die zweite Ebene des Palimpsests, die etwas vom Schicksal des Künstlers erzählt, dessen Unternehmenspolitik das Unvereinbare zusammenbringen muss: Die Käufer sollten befriedigt werden, der Künstler wollte ein gerechtes Urteil empfangen – das alte Problem von Kunst und Kommerz. Poussin malt 1649 „Das Urteil des Salomon”. Die biblische Erzählung über die Gerechtigkeit wird zitiert und zugleich zugunsten einer aktuellen Anspielung auf die herrschenden Zustände in Frankreich abgewandelt. Der König, Zentrum des Bildes, wird rechts und links von Figurengruppen flankiert, die für die Schalen der Gerechtigkeitswaage stehen. Der König als deren Angelpunkt. Im Vordergrund, zu Füßen des Herrschers, die beiden Frauen mit dem Kind, die ihr Recht einfordern. Der zukünftige König Ludwig XIV. war zu dieser Zeit noch nicht volljährig.
Das Bild kann als Beschwörung der Idee des corps mystique verstanden werden, der die Unsterblichkeit der königlichen Herrschaft bezeichnet und bedingungslose Gefolgschaft auch gegenüber dem kindlichen Thronfolger fordert. Zugleich aber thematisiert das Bild, wenn man die Briefe Poussins an Jean Pointel – den Auftraggeber des Bildes, einen Bankkaufmann und Sammler – daneben legt, den Umgang mit dem Käufer. Ein Kunsturteil dürfe nicht auf Vorlieben gegründet sein, sondern auf Vernunft, fordert der Maler, auf Gerechtigkeit also. Der König, der hier Richter ist, hat ein direktes Verhältnis zu seinen Untergebenen. Poussin wünscht sich, das auch von seinen Richtern sagen zu können, ihnen zu erklären, „wozu ich gut bin”. Die Sehnsucht nach einer besseren Welt ist Thema nicht nur der Bilder, sondern auch der Briefe, und die Bilder werden selber zu Briefen an die Freunde, die eine geheime Verbindung zwischen ihnen schaffen.
Das Buch von Matthias Bruhn ist in drei Teile geteilt und beginnt mit einem Text, der die überarbeitete Fassung seiner Dissertation ist, in dem er, thematisch geordnet, das private, geschäftliche, künstlerische Umfeld der Briefe beschreibt, von denen dann im zweiten Teil eine Auswahl folgt, die zu einem großen Teil der Erwähnung im Text vorne geschuldet ist. Im Anhang werden Schwarzweiß-Reproduktionen der besprochenen Gemälde abgebildet. Der Schwerpunkt liegt auf dem Text von Bruhn, der trocken aber informativ ist und drei Viertel des Buches ausmacht. Das eigentliche Ereignis ist die erstmalige Übersetzung der Briefe Poussins.
OLIVER VOGEL
MATTHIAS BRUHN: Nicolas Poussin. Bilder und Briefe. Dietrich Reimer Verlag, Hamburg 2000. 254 Seiten, Abbildungen, 98 Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Nach einer ausführlichen Bildbetrachtung des Rezensenten Oliver Vogel, in der wir in den Genuss seiner ikonographischen Kenntnisse gelangen, erfahren wir, warum er zu diesem Mittel greift, um sich der Aufgabe der Buchkritik zu entziehen. Die zu besprechende Monografie zu Poussins Bildern und Briefen scheint ihm schlichtweg zu "trocken", aber dennoch so "informativ", dass er uns in seinem nicht minder trockenen Stil mit einigen Erkenntnissen aus diesem Buch beglücken möchte. Was aber die wirkliche Leistung des Buches ist, verrät uns der Rezensent erst im letzten Satz: es ist die erstmalige Übersetzung der Briefe von Poussin. Wenigstens ein wenig Erfrischung am Ende eines langen trockenen Weges.

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