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Produktdetails
  • Parkstone Aurora
  • Verlag: Parkstone International
  • Seitenzahl: 192
  • Abmessung: 320mm
  • ISBN-13: 9781859950692
  • Artikelnr.: 26560627
  • Herstellerkennzeichnung
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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.06.2001

Der indiskrete Kaufreiz des Privaten
Nichts, was man vor sich hinpfeifend erledigen kann: Der Historienmaler Nicolas Poussin entwarf seine Briefe als beste Werbemittel

Trotz des vielfach verkündeten "Todes des Autors" und allumfassender Diskursanalyse hat es doch immer wieder etwas Unerlaubtes, in den privaten Korrespondenzen von Künstlerpersönlichkeiten nach Aufschluß für die Deutung ihrer Werke zu suchen. Es erscheint geradezu als ein kleinlicher Akt der Profanierung, als wolle man den großen Geistern an ihrer empfindlichsten Stelle, im Bereich des Privaten, begegnen. Derartige Skrupel sind jedoch bei keinem Künstler der frühen Neuzeit weniger angebracht als bei Nicolas Poussin (1594 bis 1665), der als eine der eigenwilligsten Malerpersönlichkeiten und als bedeutender Briefautor der Barockzeit gelten darf. Der Kunsthistoriker Matthias Bruhn legt nun dar, daß Briefe sogar ein integraler Bestandteil von Poussins Verkaufsstrategie waren und den Bildern als Kommunikationsmittel zur Seite standen. Trotz vorgetäuschter Innigkeit und scheinbar hemmungsloser Nutzbarmachung des zeitgenössischen Freundschaftsdiskurses waren Poussins Briefe geradezu für ein öffentliches Publikum bestimmt.

Allein der Umfang der epistolarischen Hinterlassenschaft sucht in der Kunstgeschichte des siebzehnten Jahrhunderts seinesgleichen: Mehrere hundert Briefe Poussins haben sich im Original oder in Abschriften erhalten und wurden als sprechende Psychogramme des malenden Stoikers offenbar schon von ihren Empfängern wie ein Schatz gehütet. Die Antwortschreiben der Briefpartner sind dagegen in der Regel verloren. Eine gut getroffene Auswahl von Poussins Briefen findet sich in deutscher Übersetzung des Autors im Anhang des vorliegenden Bandes. Bezeichnenderweise stammen die meisten der erhaltenen Briefe aus den umfangreichen Korrespondenzen mit dem römischen Archäologen Cassiano dal Lozzo und dem französischen Edelmann Paul Fréart de Chantelou: Diese beiden Sammler waren die wohl wichtigsten privaten Gönner des Malers und gaben zahlreiche Gemälde und Bilderserien direkt bei ihm in Auftrag.

Nicolas Poussin ist der Prototyp des gebildeten Künstlers, des pictor eruditus. Er war der unbestrittene Meister der mit kleinen Figuren angefüllten Ideallandschaft, die komplexe Stoffe der antiken Dichtung oder biblische Sujets im klassischen Gewand zur Anschauung bringen konnte. Bis zu ihrer Auflösung im neunzehnten Jahrhundert sollte Poussin die Gattung des Historienbildes für zwei Jahrhunderte nachhaltig prägen.

Die erhaltenen Briefe spiegeln vor allem die Empfindlichkeiten, die zwischen Maler und Auftraggeber der Barockzeit entstehen konnten: Ein feingesponnenes und hochsensibles Netz menschlicher Beziehungen scheint hier hinter dem europäischen Kunstmarkt des siebzehnten Jahrhunderts durch, dessen professionelle Organisation Francis Haskell so eindringlich beschrieben hat. Fühlt sich Chantelou einmal gegenüber einem konkurrierenden Auftraggeber zurückgesetzt, so beschwichtigt Poussin den empfindlichen Geldgeber, indem er ihn seiner einzigen und wahren Freundschaft versichert. Wieviel hier Rhetorik ist, bleibt letztlich dem Ermessen des Lesers überlassen, doch wäre von philologischer Seite mehr Aufschluß über die brieflichen Konventionen der Zeit wünschenswert gewesen.

Bruhn untersucht die Argumentationsmuster und Strategien, mit deren Hilfe sich der Maler seiner Auftraggeber versichert. Worum es in den Briefen eigentlich geht, läßt sich am besten aus seinem Gegenteil erschließen: Außer den für laufende Geschäftsbeziehungen notwendigen Angaben wird vom Maler selten Privates enthüllt noch ein fortlaufender Kommentar zum wechselhaften politischen Zeitgeschehen abgegeben. Es geht, vereinfacht gesagt, also vornehmlich um Geld und Anerkennung. Selbst die Darlegung von Krankheit und Melancholie dient weniger dazu, den angeschriebenen "Freund" über einen Seelenzustand zu informieren, als den Verzug bei der Ausführung eines Gemäldes mit dem ungünstigen Wirken des Fatums zu rechtfertigen. Die Bezahlung, die bei Poussin im höfischen Gewand der angemessenen "Entschädigung" (recompense) für eine eigentlich unbezahlbare geistige Arbeit erscheint, kommt durchgehend zur Sprache. Die genaue Figurenzahl auf dem Gemälde wird dabei zum festen Bewertungskriterium für die Entlohnung des Malers und die Ausführungsdauer.

Viele dieser Briefe erscheinen inhaltlich unbedeutend und nur von historischem Interesse aufgrund der in ihnen konservierten Fakten für die Werkgeschichte einiger Gemälde. Doch lesen sich diese Briefe eben auch nicht leicht. Auch unter Aufbietung einer größeren Systematik, die Bruhn vermeidet, dürfte es schwierig bleiben, eine wirkliche intellektuelle Physiognomie Poussins aus seinen Briefen zu gewinnen. Vertraut mit der rhetorischen Technik der Dissimulation, der für das soziale Überleben des Höflings notwendigen Technik der Verstellung, wechselt auch Poussin immer wieder seine Ansichten: Sei es als stoischer Melancholiker, der seine eigenen Krankheiten bedauert, oder als serviler Hofkünstler, der seine Unterwürfigkeit und seinen geringen gesellschaftlichen Rang beteuert - der Mensch und Denker Poussin bleibt hinter den widersprüchlichen Aussagen seltsam ungreifbar.

Wie die beiden berühmten Selbstbildnisse nur die äußere Ähnlichkeit abzubilden vermögen, so wenig spiegeln auch die Briefe die Persönlichkeit des Malers. Doch finden sich dort auch zentrale kunsttheoretische Äußerungen, wobei nur auf den "Modus-Brief" vom 24. November 1647 verwiesen sei. In diesem Schreiben versucht Poussin im Rekurs auf die musikalische Moduslehre der Antike seinem enttäuschten Auftraggeber Chantelou zu verstehen zu geben, daß zum Verständnis von Kunst nicht nur das ästhetische Gefallen gehöre. In bewunderungswürdiger Klarheit formuliert Poussin über die Beurteilung seiner Werke: "Nicht allein unsere Vorlieben haben darüber zu richten, sondern auch der Verstand." Die Unerbittlichkeit, mit der Poussin hier sein eigenes künstlerisches Vorgehen rechtfertigt und zukünftige Kritik durch die mitgelieferte Leseanweisung präventiv abwehrt, ist oft diskutiert worden. Vollends scheint er einen modernen Künstlertypus zu repräsentieren, der das Sujet (pensée) und dessen disposition auf der Bildfläche ganz allein wählt und ausschließlich für ein Publikum gebildeter Kenner arbeitet. Doch erstaunt bei diesem hochgebildeten Maler die nicht einseitige Hochschätzung der intellektuellen Seite der Malerei, sondern auch die ihrer handwerklichen Ausführung. Die Invektiven gegen die Zeitgenossen, die ihr Handwerk nicht verstünden, lassen sich erst vor diesem Hintergrund verstehen. In bezug auf die zur Reihe der "Sieben Sakramente" gehörige "Firmung" schreibt Poussin an den drängenden Chantelou, indem er die antike Künstlerlegende vom mühelos arbeitenden Parrhasios paraphrasiert: "Ich bitte Euch zu bedenken, daß dies keine Dinge sind, die man vor sich hinpfeifend erledigen kann wie Eure Maler in Paris, die in vierundzwanzig Stunden ein Bild malen, während sie sich nebenbei amüsieren."

Die Poussin-Philologie ist der Königsweg kunsthistorischer Hermeneutik. Wenn sich nun ein Autor in seiner akademischen Erstlingsschrift an dieses Thema heranwagt, so beweist dies vor allem den Mut, sich mit einem Gesellenstück in die Gesellschaft der großen Interpreten von Anthony Blunt bis Matthias Winner zu begeben. Beklagenswert bleibt jedoch der offenbare Verzicht auf ein sorgfältiges Lektorat. Ein solches hätte dem Leser nicht nur eine große Anzahl unschöner Rechtschreibfehler ersparen, sondern auch dem Text einige Längen und kryptische Passagen nehmen können. In bezug auf das in Berlin befindliche Selbstbildnis von 1649 heißt es etwa: "In einem gemalten Bildnis werden Effigie und Schrift, wenn sie nebeneinandergestellt sind, zu Zeichen schwindender Medien, deren Inhalt nur in einer bestimmten Form überdauern kann." Solch verhüllte Formulierungen erscheinen des Kommentars bedürftiger als das gedämpfte Parlando der Briefe Poussins.

MICHAEL THIMANN

Matthias Bruhn: "Nicolas Poussin". Bilder und Briefe. Dietrich Reimer Verlag, Berlin 2000. 228 S., 31 Abb. auf Tafeln, br., 98,- DM.

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