In Erfurt lebt ein alter Mann, der in zwei Diktaturen den aufrechten Gang gelernt hat. Er spricht nicht gerne darüber, dafür ist er zu bescheiden.
Dieser Mann hatte bereits vor 1945 als Jugendlicher viel riskiert: Gemeinsam mit vier Freunden stellte er Flugblätter mit der Überschrift "Nieder mit Hitler" her und kam dafür ins Zuchthaus. Nur mit viel Glück entging er der Todesstrafe.
Der Mann ist über 90 Jahre alt und heißt Karl.
Die Graphic Novel Nieder mit Hitler! erzählt nun erstmals seine Geschichte.
Mehr Infos zur Graphic Novel und zum gleichnamigen Dokumentar lm unter: www.nieder-mit-hitler.de
Dieser Mann hatte bereits vor 1945 als Jugendlicher viel riskiert: Gemeinsam mit vier Freunden stellte er Flugblätter mit der Überschrift "Nieder mit Hitler" her und kam dafür ins Zuchthaus. Nur mit viel Glück entging er der Todesstrafe.
Der Mann ist über 90 Jahre alt und heißt Karl.
Die Graphic Novel Nieder mit Hitler! erzählt nun erstmals seine Geschichte.
Mehr Infos zur Graphic Novel und zum gleichnamigen Dokumentar lm unter: www.nieder-mit-hitler.de
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 31.12.2018Widerstand ist Pflicht
Ein Mann zeigt Zivilcourage unter Hitler und in der DDR
Der Historiker Jochen Voit und der Comic-Künstler Hamed Eshrat rücken das Leben von Jugendlichen im NS-Staat in der Graphic Novel „Nieder mit Hitler! Oder Warum Karl kein Radfahrer sein wollte“ ins Bild. Die Geschichte, die die Erfahrungen von fünf jungen Leuten aus Erfurt beleuchtet, fällt allerdings aus dem Rahmen der üblichen Comic-Erzählungen. Sie beruht auf der wahren Lebensgeschichte des 91-Jährigen evangelischen Pfarrers Karl Metzner. In den frühen 1940er-Jahren lernte er den Fabrikbesitzersohn Jochen Bock kennen. Jochen war ein überzeugter Gegner des Nationalsozialismus. Karl wurde ihm zum Seelenverwandten. Im Sommer 1943 gründeten sie, zusammen mit drei Schulfreunden, eine Widerstandsgruppe und druckten und verteilten Flugblätter mit Texten des antifaschistischen Nationalkomitees „Freies Deutschland“. Kurze Zeit später wurden sie von Mitschülern denunziert, von der Gestapo verhaftet und wegen „Hochverräterischer Umtriebe“ angeklagt. Der befürchteten Todesstrafe entgingen sie nicht zuletzt deshalb, weil ihr Klasslehrer ihnen ein gutes Leumundszeugnis ausstellte. Karl wurde nach achteinhalb Monaten Haft aus der Strafanstalt entlassen.
Tragische Ironie der Geschichte: Karl Metzner geriet als Geistlicher in der DDR noch einmal ins Visier der Staatssicherheit. Man versuchte vergeblich ihn zu erpressen und für Spitzeldienste in Kirchenkreisen anzuwerben. 1989 war er einer der Akteure der Bürgerbewegung. Auf den letzten Seiten der Graphic Novel findet man eine Illustration, die den Geistlichen unter einer Vielzahl von Menschen auf dem Erfurter Domplatz für eine friedliche Revolution demonstrieren sieht. Das Bild wird von einem Transparent beherrscht, dessen Aussage auch das Leitmotiv der Geschichte ist: „Wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht.“
Jochen Voit und Hamed Eshrat filtern diese These aus Karls Ich-Erzählung nicht als kategorischen Imperativ heraus. Sie zeigen vielmehr in glaubwürdigen Dialogen und spannenden Perspektivwechseln in der Bildgestaltung, wie gefährlich das Insistieren auf eigener Integrität in einer Diktatur sein kann. Der Autor – begleitet von den eindruckvollen Zeichnungen von Hamed Eshrat– belegt, – mit welchen Konsequenzen Individualisten selbst in einer naiven Form des Widerstands rechnen mussten.
Jugendliche, die dem Lesen von historischen Romanen nicht unbedingt zugewandt sind, könnte diese klassische Form einer Graphic Novel als wunderbarer Türöffner dienen, um der Zeitgeschichte näher zu rücken. (ab 12 Jahre)
SIGGI SEUSS
Jochen Voit: Nieder mit Hitler! Oder Warum Karl kein Radfahrer sein wollte. Mit Illustrationen von Hamed Eshrat. avant-verlag, Berlin 2018. 152 Seiten, 20 Euro.
Jochen Voit: Nieder mit Hitler! Oder warum Karl kein Radfahrer sein
wollte. Mit Illustrationen von Hamed Eshrat.
avant-verlag, Berlin 2018. 152 Seiten, 20 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Ein Mann zeigt Zivilcourage unter Hitler und in der DDR
Der Historiker Jochen Voit und der Comic-Künstler Hamed Eshrat rücken das Leben von Jugendlichen im NS-Staat in der Graphic Novel „Nieder mit Hitler! Oder Warum Karl kein Radfahrer sein wollte“ ins Bild. Die Geschichte, die die Erfahrungen von fünf jungen Leuten aus Erfurt beleuchtet, fällt allerdings aus dem Rahmen der üblichen Comic-Erzählungen. Sie beruht auf der wahren Lebensgeschichte des 91-Jährigen evangelischen Pfarrers Karl Metzner. In den frühen 1940er-Jahren lernte er den Fabrikbesitzersohn Jochen Bock kennen. Jochen war ein überzeugter Gegner des Nationalsozialismus. Karl wurde ihm zum Seelenverwandten. Im Sommer 1943 gründeten sie, zusammen mit drei Schulfreunden, eine Widerstandsgruppe und druckten und verteilten Flugblätter mit Texten des antifaschistischen Nationalkomitees „Freies Deutschland“. Kurze Zeit später wurden sie von Mitschülern denunziert, von der Gestapo verhaftet und wegen „Hochverräterischer Umtriebe“ angeklagt. Der befürchteten Todesstrafe entgingen sie nicht zuletzt deshalb, weil ihr Klasslehrer ihnen ein gutes Leumundszeugnis ausstellte. Karl wurde nach achteinhalb Monaten Haft aus der Strafanstalt entlassen.
Tragische Ironie der Geschichte: Karl Metzner geriet als Geistlicher in der DDR noch einmal ins Visier der Staatssicherheit. Man versuchte vergeblich ihn zu erpressen und für Spitzeldienste in Kirchenkreisen anzuwerben. 1989 war er einer der Akteure der Bürgerbewegung. Auf den letzten Seiten der Graphic Novel findet man eine Illustration, die den Geistlichen unter einer Vielzahl von Menschen auf dem Erfurter Domplatz für eine friedliche Revolution demonstrieren sieht. Das Bild wird von einem Transparent beherrscht, dessen Aussage auch das Leitmotiv der Geschichte ist: „Wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht.“
Jochen Voit und Hamed Eshrat filtern diese These aus Karls Ich-Erzählung nicht als kategorischen Imperativ heraus. Sie zeigen vielmehr in glaubwürdigen Dialogen und spannenden Perspektivwechseln in der Bildgestaltung, wie gefährlich das Insistieren auf eigener Integrität in einer Diktatur sein kann. Der Autor – begleitet von den eindruckvollen Zeichnungen von Hamed Eshrat– belegt, – mit welchen Konsequenzen Individualisten selbst in einer naiven Form des Widerstands rechnen mussten.
Jugendliche, die dem Lesen von historischen Romanen nicht unbedingt zugewandt sind, könnte diese klassische Form einer Graphic Novel als wunderbarer Türöffner dienen, um der Zeitgeschichte näher zu rücken. (ab 12 Jahre)
SIGGI SEUSS
Jochen Voit: Nieder mit Hitler! Oder Warum Karl kein Radfahrer sein wollte. Mit Illustrationen von Hamed Eshrat. avant-verlag, Berlin 2018. 152 Seiten, 20 Euro.
Jochen Voit: Nieder mit Hitler! Oder warum Karl kein Radfahrer sein
wollte. Mit Illustrationen von Hamed Eshrat.
avant-verlag, Berlin 2018. 152 Seiten, 20 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Nachdrücklich empfiehlt Rezensent Siggi Seuß diese Graphic Novel des Historikers Jochen Voit und des Illustrators Hamed Eshrat - auch und gerade jungen Lesern, die sich sonst nicht für historische Romane interessieren. Wie Voigt und Eshrat hier die wahre Lebensgeschichte des evangelischen Pfarrers Karl Metzner, der sowohl im Nationalsozialismus als auch in der DDR Widerstand leistete, in Bild und Text bringen, findet der Kritiker bewundernswert: In authentischen Dialogen und "spannenden Perspektivwechseln" zeigen sie, wie schwierig das Bewahren der eigenen Integrität in einer Diktatur ist, schließt Seuß.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH