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Ein brisanter Auftrag für "Coq Rouge". Acht russische Atomsprengköpfe sollen über Skandinavien in ein arabisches Land geschmugggelt werden. Am Polarkreis kommt es zum Showdown.

Produktbeschreibung
Ein brisanter Auftrag für "Coq Rouge". Acht russische Atomsprengköpfe sollen über Skandinavien in ein arabisches Land geschmugggelt werden. Am Polarkreis kommt es zum Showdown.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.11.1995

Ein Schwede am Klabauterkap
Guter Held, hoffnungslose Welt: Jan Guillou im Niemandsland

Carl Hamilton ist ein schwedischer Graf. Doch was hilft das, wenn sich alle Schweden duzen und der Adelstitel nur noch auf Einladungen zu Empfängen des Königs Verwendung findet? Bekannter ist Graf Hamilton da schon als Spezialagent des schwedischen Nachrichtendienstes - und das ist wieder ein Problem. Ein Geheimdienstler, den die Bevölkerung auf Autobahnraststätten um Autogramme angeht oder dessen Behausung sie wie die Wohnung eines Popstars umlagert, hat es in seinem Beruf mehr als schwer.

Es ist daher nur verständlich, daß der schwedische Journalist Jan Guillou in seinem sechsten auf deutsch erschienenen Roman um die Abenteuer Carl Hamiltons seinem Helden einen Job als Bürokrat im Geheimdienst verschafft. Natürlich wird er im Laufe der fünfhundert Seiten von "Niemandsland" dieser Aufgabe nicht treu bleiben, weil es abermals gilt, vom neutralen Schweden aus internationale Verwicklungen zu entwirren. Diesmal versucht eine skrupellose Schmugglerbande Nuklearsprengköpfe aus dem in Auflösung begriffenen Sowjetimperium nach Skandinavien zu transportieren, um den im Golfkrieg gedemütigten Arabern neues Selbstbewußtsein zu verkaufen.

Man muß auf die Story dieses Thrillers nicht eingehen: unterbezahlte russische Offiziere, arrogante amerikanische Agenten, schöne blonde Schwedinnen, harte Nordmänner mit weichem Kern. Auch ob Hamilton seine Schmuggler am Klabauterkap, in der Sanddornwüste oder wie diesmal in Karelien stellt, ist egal. Wir alle wissen, daß es bei Guillou für den Helden gut, für dessen Begleiter riskant und für die Welt hoffnungslos ausgeht. Der Optimismus von Ian Flemings James-Bond-Romanen, die vom Verlag als Vergleich herangezogen werden, geht der schwedischen Serie völlig ab. Auch die Selbstironie des großen Vorbilds fehlt Carl Hamilton, dem angeblichen "Agent mit menschlichen Regungen", der seine Gegner auftragsgemäß, wenn auch bisweilen grübelnd, hinrichtet oder töten läßt.

Eine gewisse Souveränität muß man Guillou allerdings zusprechen, wenn der Deckname Hamiltons aus früheren Büchern, unter dem seine Serie berühmt wurde - "Coq Rouge" -, nicht mehr erwähnt wird. Doch wird immer noch von der ach so verwegenen Vergangenheit des "roten Hahnes" in einer maoistischen Studentengruppe übermäßig viel Aufhebens gemacht. Zudem ist die Handlung eine direkte Fortsetzung der Vorgängerbücher mit allen Nachteilen, die diese Praxis bei Romanzyklen mit sich bringt.

Leider werden nicht nur die Handlungsstränge aus früheren Büchern fortgesetzt, sondern auch deren Sprachniveau. Selbst wenn man mit "Niemandsland" sicherlich das in Händen hält, was gemeinhin als Schmöker tituliert wird, könnte man mehr erwarten als die Wiedergabe von zweifellos akribisch recherchiertem Insiderwissen um die Militär- und Geheimdienstpraktiken diverser Staaten. Auf der letzten Seite seines Romans bedankt sich Guillou bei einem Schock von Informanten, unter anderem solchen, die er "aus einleuchtenden Gründen nicht nennen kann". Einzelne seiner Gewährsleute haben dagegen unter ihren wahren oder nur leicht variierten Namen Eingang in das Buch gefunden; das trägt zum Authentizitätsgefühl beim Lesen allerdings ebensowenig bei wie die Besuche der Protagonisten bei Gorbatschow.

Doch Autoren, denen eine so tragisch gescheiterte Analogie durchgeht wie die vom geringen Wert einer "Pepsi-Cola im Fegefeuer", müssen ihre Leser eben anderweitig entschädigen. Guillou versucht es durch detaillierte technische Erläuterungen zu den Operationen seiner Helden, durch Befriedigung der Lesergier nach Schlüssellochperspektiven auf die Amtsstuben der Staatsmänner und durch sarkastische Seitenhiebe auf schwedische Politik. Die latente Demokratiefeindlichkeit seiner Agenten ist indes als running gag entweder peinlich oder - sollte sie Resultat von Guillous Einblicken in den Nachrichtendienst sein - bedenklich.

Bisweilen rappelt es vernehmlich in der Konstruktionsschublade des Verfassers. War Hamilton zehn Seiten zuvor noch ein begehrter Interviewgast, "da dies der erste öffentliche Auftritt nach langer Zeit war", erfahren wir dann, daß er vor wenigen Wochen noch eine Pressekonferenz gegeben habe. Solche Patzer dürfen einem routinierten Schreiber wie Guillou nicht unterlaufen. Die Perspektivenwechsel des Autors führen zwar eine Unzahl von Charakteren ein, blasen aber manchen Handlungsstrang unnötig auf, bevor er ausfranst oder gar abreißt. Und übersetzt ist das Buch auch etwas hölzern: Formulierungen wie "Kartoffelknödel von frischen Kartoffeln" gehören auf affektierte Speisekarten, nicht in einen Thriller. Jedenfalls bleibt der Wunsch des Grafen, "ein neues Leben als normaler, unbewaffneter, netter Schwede" an der Seite seiner frisch angetrauten Tessie zu beginnen, unerfüllt. Er geht wieder, sieht und siegt. ANDREAS PLATTHAUS

Jan Guillou: "Niemandsland". Roman. Aus dem Schwedischen übersetzt von Hans-Joachim Maass. Piper Verlag, München 1995. 511 S., geb., 44,- DM.

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