Produktdetails
- Beck'sche Reihe
- Verlag: Beck
- Seitenzahl: 142
- Gewicht: 160g
- ISBN-13: 9783406421310
- ISBN-10: 3406421318
- Artikelnr.: 08208604
- Herstellerkennzeichnung Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.04.2000Unabgeschlossene Geschichten
Irene Ecklers anrührende autobiographische Dokumentation und ein Buch über "Niemandszeit"
Irene Eckler: A Family Torn Apart by "Rassenschande". Political persecution in the Third Reich. Documents and reports from Hamburg in German and English. Horneburg Verlag, Schwetzingen 1998. 272 Seiten, 32 Fotos, 65 Dokumente, 19,80 Mark.
Till Bastian: Niemandszeit. Deutsche Portraits zwischen Kriegsende und Neubeginn. Beck'sche Reihe, München 1999. 200 Seiten, 25 Abbildungen, 19,90 Mark.
Für viele Überlebende der nationalsozialistischen Gewalttaten war das Jahr 1945 zwar das Jahr ihrer Rettung, aber nur bedingt auch das Jahr ihrer Befreiung. Denn nun begann für sie der meist vergebliche Versuch, das erlittene Geschehen zu vergessen oder in sich selbst zu verschließen, um in einer allzu rasch zur Normalität zurückkehrenden Außenwelt das gerettete Leben überhaupt weiterführen zu können. Nicht zuletzt deshalb vermochten viele Überlebende erst im Alter ihre Berichte aufzuzeichnen. Die Autorin einer bruchstückhaft rekonstruierten Chronik der eigenen Familie war am 8. Mai 1945 sieben Jahre alt, lebte bei einer Pflegefamilie und hatte an die Schrecken, die sie bereits erlitten hatte, keine Erinnerung mehr. Jahrzehnte später beginnt sie damit, sich aus zufällig überlieferten Dokumenten, alten Akten und verstreuten Fotografien ein lückenhaftes Bild vom Schicksal ihrer Eltern und der eigenen Vorgeschichte zusammenzusetzen.
Sie findet heraus, dass ihre Eltern im August 1935 heiraten wollten, aber vom Hamburger Standesbeamten abgewiesen wurden, weil die Mutter Jüdin war. Zu diesem Zeitpunkt gab es zwar noch keine formale juristische Absicherung für das Verbot von "Mischehen", aber die Schlinge war schon gelegt. Im April 1935 hatte das Reichsinnenministerium den Begriff der "Mischehe" von bisher konfessionell gemischten Ehen zu solchen von Personen unterschiedlicher "rassischer Zugehörigkeit" umdefiniert und die Standesämter angewiesen, entsprechende Anträge nicht mehr zu bearbeiten. Verbot und Verfolgung der so bezeichneten Mischehen und nichtehelichen Beziehungen begründete das eilig im September 1935 erlassene "Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre". Für die Verlobten Irma Eckler und August Landmesser bedeutete das Illegalisierung, Trennung und Tod. Die beiden Töchter Ingrid und Irene werden unehelich geboren, der Vater kommt wegen "Rassenschande" ins Zuchthaus, die Mutter wird von der Gestapo abgeholt. Im Frühjahr 1942 wird sie mit allen anderen jüdischen Frauen aus dem Konzentrationslager Ravensbrück in der Gaskammer der "Heilund Pflegeanstalt Bernburg" bei Dessau ermordet. Die Tochter Irene, bei der Trennung von der Mutter noch kein Jahr alt, wird zunächst in ein Waisenhaus gebracht, findet später Unterschlupf in der Familie eines jüdischen Musikers und wird in letzter Sekunde vor der Deportation ins Lager bewahrt.
Der 8. Mai 1945 bedeutet für das Mädchen zwar das Ende der unmittelbaren Verfolgung, aber das gerettete Leben wird zur Strafe, zur Fortschreibung eines als überflüssig empfundenen Daseins. Die zuvor durch die inneren und äußeren Gefahren von Gestapoterror und Bombenkrieg zusammengehaltene Notgemeinschaft der Pflegefamilie beginnt nun auseinander zu fallen. Nach der Ankunft der schlesischen Großmutter, die sich samt ausgeprägtem antijüdischen Ressentiment im Kinderzimmer einquartiert, wird das Kind mehr und mehr an den Rand gedrängt und schließlich gegen seinen Willen in ein Heim abgeschoben. Das Gefühl von Verlorenheit und Einsamkeit bestimmt Irene Ecklers weiteres Leben, über das nur wenig berichtet wird. Ihren Berufswunsch, Lehrerin zu werden, kann sie zwar später verwirklichen, muss aber wegen der Spätfolgen der frühkindlichen, im Waisenhaus erlittenen Misshandlungen frühpensioniert werden.
Abgestempelt.
Die Ergebnisse ihrer Spurensuche notiert sie sachlich distanziert wie einen Bericht über die Identifizierung einer unbekannten dritten Person. Gerade dadurch aber gewinnt der Leser eine Vorstellung davon, was es für diese Frau bedeuten mochte, das Schicksal ihrer Eltern aus gleichgültig abgestempelten Papieren heraus zu erfahren. Sie bekommt - nach Jahrzehnten - die Briefe der Mutter aus dem Konzentrationslager in die Hand sowie eine Bescheinigung, nach der ihr Vater an der Front in Jugoslawien für vermisst erklärt wurde. Sie entziffert die Schriftsätze ihres früheren Vormunds, eines (1933 suspendierten) Landgerichtsrats Gerson an das Hamburger Amtsgericht sowie dessen Eingaben an das Innenministerium ("Reichssippenamt") und schließlich an Hitler, mit denen er vergeblich versuchte, für sein Mündel die Anerkennung als "Mischling zweiten Grades" zu erwirken - bevor er selbst im Juli 1942 beantragen musste, von der Vormundschaft entbunden zu werden, da seine Deportation nach Theresienstadt bevorstand. In den Akten findet sich daraufhin hinter seinem Namen der eingeklammerte Vermerk "evakuiert".
Die Dokumentensammlung enthält nur sparsam Bewertungen, vor allem da, wo die Kälte der ausgefüllten Formulare und amtsdeutschen Formulierungen sich nicht kommentarlos abdrucken lässt. Bei der Bewertung von Verhaltensweisen der Familienangehörigen behält die Autorin ihre Zurückhaltung bei und belässt es bei Fragen, deren Offenbleiben man aushalten muss. Gerade dadurch aber wird deutlich, dass diese Geschichte nicht abgeschlossen ist und es auch nie sein kann.
Als "Niemandskind" begegnet man Irene Eckler in einem Band mit "Portraits zwischen Kriegsende und Neubeginn" wieder. Die Periode zwischen dem 8. Mai 1945 und dem 8. Mai 1949, als der Parlamentarische Rat über das neue Grundgesetz der Bundesrepublik abstimmte, bezeichnet der Autor Till Bastian als "Niemandszeit", in Anlehnung an den Begriff des "Niemandslands", jenes herrschaftsfreien Raums zwischen zwei Grenzen, der den Verfasser, wie er berichtet, schon als Kind faszinierte. Das Ergebnis der Erkundung war vorherzusehen: Die Stunde Null ist eine Fiktion. Es gibt keine geschichtslose Zeit, keine Befreiung von der Vergangenheit, und so ist auch die "Niemandszeit" von der vorangegangenen Gewaltherrschaft, aber auch vom Aufbruch in eine freie Zukunft geprägt. Anhand einer Materialsammlung mit Ausschnitten aus (zum Teil bereits publizierten) Selbstzeugnissen, diversen Zitaten und zeitgenössischen Schlagzeilen versucht Bastian das kontrastreiche Bild zu veranschaulichen, das das moralisch und materiell zerstörte Deutschland jener Jahre bot. Es überwiegen Zeugnisse, aus denen die Verstrickung mit der Vergangenheit spricht, die aber bezeichnenderweise alle erst Jahrzehnte später geschrieben wurden. So zum Beispiel der Bericht eines Augenzeugen, der am 29. April 1945 als Leutnant des Military Intelligence Service das kurz zuvor von den Amerikanern befreite Konzentrationslager Dachau betrat und erst fünfzig Jahre später seine unbeschreiblichen Eindrücke in Worte zu fassen versucht.
Oder der Vortrag eines Arztes, der sich fünfzig Jahre nach der Anklageerhebung im Nürnberger Ärzteprozess (1946) die Frage stellt, welche Anpassungsbereitschaft er selbst als junger Mediziner im Nationalsozialismus an den Tag gelegt hätte. Zwischen solche eher selbstreflexiven Texte montiert Bastian die munter dahinerzählte Story einer Frau, die es geradewegs von der Pilotin eines Geschwaders der Reichsluftwaffe zur Begründerin eines sattsam bekannten Unternehmens des deutschen Wirtschaftswunders gebracht hat. In München befragt Bastian eine ehemalige Sekretärin Hitlers nach dessen persönlicher Ausstrahlung. Auf die Geschichte der Irene Eckler war er über ein Foto gestoßen, auf dem inmitten einer den Hitlergruß ausübenden Menschenmenge deren Vater August Landmesser mit verschränkten Armen zu entdecken ist. Gerne würde man gerade in diesem Fall angesichts der Veröffentlichung von Irene Eckler etwas mehr über die Recherchen des Autors erfahren, der ansonsten mit Erlebnisberichten über seine Begegnungen und den dabei sich einstellenden Assoziationen nicht spart.
Aber Bastian scheint das Selbstporträt näher zu liegen als das Porträt, weshalb die autobiographischen Passagen des Buchs die kräftigeren Konturen gewinnen. Seine Protagonisten bleiben dagegen eigentümlich blass und schemenhaft. Ihre Berichte, die Selbstzeugnisse der "Menschen, deren Schicksal", wie Bastian formuliert, "in jeder einzelnen Lebensgeschichte sehr eng mit jener ,Niemandszeit' verknüpft und verbunden ist", haben zugleich etwas Exemplarisches und etwas Beliebiges, Zufälliges. Das Zeitporträt, das sich aus ihnen zusammensetzen soll, geht kaum über die schlichte Erkenntnis hinaus, dass alles sich in allem wiederfinden lässt.
SABINE FRÖHLICH
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Irene Ecklers anrührende autobiographische Dokumentation und ein Buch über "Niemandszeit"
Irene Eckler: A Family Torn Apart by "Rassenschande". Political persecution in the Third Reich. Documents and reports from Hamburg in German and English. Horneburg Verlag, Schwetzingen 1998. 272 Seiten, 32 Fotos, 65 Dokumente, 19,80 Mark.
Till Bastian: Niemandszeit. Deutsche Portraits zwischen Kriegsende und Neubeginn. Beck'sche Reihe, München 1999. 200 Seiten, 25 Abbildungen, 19,90 Mark.
Für viele Überlebende der nationalsozialistischen Gewalttaten war das Jahr 1945 zwar das Jahr ihrer Rettung, aber nur bedingt auch das Jahr ihrer Befreiung. Denn nun begann für sie der meist vergebliche Versuch, das erlittene Geschehen zu vergessen oder in sich selbst zu verschließen, um in einer allzu rasch zur Normalität zurückkehrenden Außenwelt das gerettete Leben überhaupt weiterführen zu können. Nicht zuletzt deshalb vermochten viele Überlebende erst im Alter ihre Berichte aufzuzeichnen. Die Autorin einer bruchstückhaft rekonstruierten Chronik der eigenen Familie war am 8. Mai 1945 sieben Jahre alt, lebte bei einer Pflegefamilie und hatte an die Schrecken, die sie bereits erlitten hatte, keine Erinnerung mehr. Jahrzehnte später beginnt sie damit, sich aus zufällig überlieferten Dokumenten, alten Akten und verstreuten Fotografien ein lückenhaftes Bild vom Schicksal ihrer Eltern und der eigenen Vorgeschichte zusammenzusetzen.
Sie findet heraus, dass ihre Eltern im August 1935 heiraten wollten, aber vom Hamburger Standesbeamten abgewiesen wurden, weil die Mutter Jüdin war. Zu diesem Zeitpunkt gab es zwar noch keine formale juristische Absicherung für das Verbot von "Mischehen", aber die Schlinge war schon gelegt. Im April 1935 hatte das Reichsinnenministerium den Begriff der "Mischehe" von bisher konfessionell gemischten Ehen zu solchen von Personen unterschiedlicher "rassischer Zugehörigkeit" umdefiniert und die Standesämter angewiesen, entsprechende Anträge nicht mehr zu bearbeiten. Verbot und Verfolgung der so bezeichneten Mischehen und nichtehelichen Beziehungen begründete das eilig im September 1935 erlassene "Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre". Für die Verlobten Irma Eckler und August Landmesser bedeutete das Illegalisierung, Trennung und Tod. Die beiden Töchter Ingrid und Irene werden unehelich geboren, der Vater kommt wegen "Rassenschande" ins Zuchthaus, die Mutter wird von der Gestapo abgeholt. Im Frühjahr 1942 wird sie mit allen anderen jüdischen Frauen aus dem Konzentrationslager Ravensbrück in der Gaskammer der "Heilund Pflegeanstalt Bernburg" bei Dessau ermordet. Die Tochter Irene, bei der Trennung von der Mutter noch kein Jahr alt, wird zunächst in ein Waisenhaus gebracht, findet später Unterschlupf in der Familie eines jüdischen Musikers und wird in letzter Sekunde vor der Deportation ins Lager bewahrt.
Der 8. Mai 1945 bedeutet für das Mädchen zwar das Ende der unmittelbaren Verfolgung, aber das gerettete Leben wird zur Strafe, zur Fortschreibung eines als überflüssig empfundenen Daseins. Die zuvor durch die inneren und äußeren Gefahren von Gestapoterror und Bombenkrieg zusammengehaltene Notgemeinschaft der Pflegefamilie beginnt nun auseinander zu fallen. Nach der Ankunft der schlesischen Großmutter, die sich samt ausgeprägtem antijüdischen Ressentiment im Kinderzimmer einquartiert, wird das Kind mehr und mehr an den Rand gedrängt und schließlich gegen seinen Willen in ein Heim abgeschoben. Das Gefühl von Verlorenheit und Einsamkeit bestimmt Irene Ecklers weiteres Leben, über das nur wenig berichtet wird. Ihren Berufswunsch, Lehrerin zu werden, kann sie zwar später verwirklichen, muss aber wegen der Spätfolgen der frühkindlichen, im Waisenhaus erlittenen Misshandlungen frühpensioniert werden.
Abgestempelt.
Die Ergebnisse ihrer Spurensuche notiert sie sachlich distanziert wie einen Bericht über die Identifizierung einer unbekannten dritten Person. Gerade dadurch aber gewinnt der Leser eine Vorstellung davon, was es für diese Frau bedeuten mochte, das Schicksal ihrer Eltern aus gleichgültig abgestempelten Papieren heraus zu erfahren. Sie bekommt - nach Jahrzehnten - die Briefe der Mutter aus dem Konzentrationslager in die Hand sowie eine Bescheinigung, nach der ihr Vater an der Front in Jugoslawien für vermisst erklärt wurde. Sie entziffert die Schriftsätze ihres früheren Vormunds, eines (1933 suspendierten) Landgerichtsrats Gerson an das Hamburger Amtsgericht sowie dessen Eingaben an das Innenministerium ("Reichssippenamt") und schließlich an Hitler, mit denen er vergeblich versuchte, für sein Mündel die Anerkennung als "Mischling zweiten Grades" zu erwirken - bevor er selbst im Juli 1942 beantragen musste, von der Vormundschaft entbunden zu werden, da seine Deportation nach Theresienstadt bevorstand. In den Akten findet sich daraufhin hinter seinem Namen der eingeklammerte Vermerk "evakuiert".
Die Dokumentensammlung enthält nur sparsam Bewertungen, vor allem da, wo die Kälte der ausgefüllten Formulare und amtsdeutschen Formulierungen sich nicht kommentarlos abdrucken lässt. Bei der Bewertung von Verhaltensweisen der Familienangehörigen behält die Autorin ihre Zurückhaltung bei und belässt es bei Fragen, deren Offenbleiben man aushalten muss. Gerade dadurch aber wird deutlich, dass diese Geschichte nicht abgeschlossen ist und es auch nie sein kann.
Als "Niemandskind" begegnet man Irene Eckler in einem Band mit "Portraits zwischen Kriegsende und Neubeginn" wieder. Die Periode zwischen dem 8. Mai 1945 und dem 8. Mai 1949, als der Parlamentarische Rat über das neue Grundgesetz der Bundesrepublik abstimmte, bezeichnet der Autor Till Bastian als "Niemandszeit", in Anlehnung an den Begriff des "Niemandslands", jenes herrschaftsfreien Raums zwischen zwei Grenzen, der den Verfasser, wie er berichtet, schon als Kind faszinierte. Das Ergebnis der Erkundung war vorherzusehen: Die Stunde Null ist eine Fiktion. Es gibt keine geschichtslose Zeit, keine Befreiung von der Vergangenheit, und so ist auch die "Niemandszeit" von der vorangegangenen Gewaltherrschaft, aber auch vom Aufbruch in eine freie Zukunft geprägt. Anhand einer Materialsammlung mit Ausschnitten aus (zum Teil bereits publizierten) Selbstzeugnissen, diversen Zitaten und zeitgenössischen Schlagzeilen versucht Bastian das kontrastreiche Bild zu veranschaulichen, das das moralisch und materiell zerstörte Deutschland jener Jahre bot. Es überwiegen Zeugnisse, aus denen die Verstrickung mit der Vergangenheit spricht, die aber bezeichnenderweise alle erst Jahrzehnte später geschrieben wurden. So zum Beispiel der Bericht eines Augenzeugen, der am 29. April 1945 als Leutnant des Military Intelligence Service das kurz zuvor von den Amerikanern befreite Konzentrationslager Dachau betrat und erst fünfzig Jahre später seine unbeschreiblichen Eindrücke in Worte zu fassen versucht.
Oder der Vortrag eines Arztes, der sich fünfzig Jahre nach der Anklageerhebung im Nürnberger Ärzteprozess (1946) die Frage stellt, welche Anpassungsbereitschaft er selbst als junger Mediziner im Nationalsozialismus an den Tag gelegt hätte. Zwischen solche eher selbstreflexiven Texte montiert Bastian die munter dahinerzählte Story einer Frau, die es geradewegs von der Pilotin eines Geschwaders der Reichsluftwaffe zur Begründerin eines sattsam bekannten Unternehmens des deutschen Wirtschaftswunders gebracht hat. In München befragt Bastian eine ehemalige Sekretärin Hitlers nach dessen persönlicher Ausstrahlung. Auf die Geschichte der Irene Eckler war er über ein Foto gestoßen, auf dem inmitten einer den Hitlergruß ausübenden Menschenmenge deren Vater August Landmesser mit verschränkten Armen zu entdecken ist. Gerne würde man gerade in diesem Fall angesichts der Veröffentlichung von Irene Eckler etwas mehr über die Recherchen des Autors erfahren, der ansonsten mit Erlebnisberichten über seine Begegnungen und den dabei sich einstellenden Assoziationen nicht spart.
Aber Bastian scheint das Selbstporträt näher zu liegen als das Porträt, weshalb die autobiographischen Passagen des Buchs die kräftigeren Konturen gewinnen. Seine Protagonisten bleiben dagegen eigentümlich blass und schemenhaft. Ihre Berichte, die Selbstzeugnisse der "Menschen, deren Schicksal", wie Bastian formuliert, "in jeder einzelnen Lebensgeschichte sehr eng mit jener ,Niemandszeit' verknüpft und verbunden ist", haben zugleich etwas Exemplarisches und etwas Beliebiges, Zufälliges. Das Zeitporträt, das sich aus ihnen zusammensetzen soll, geht kaum über die schlichte Erkenntnis hinaus, dass alles sich in allem wiederfinden lässt.
SABINE FRÖHLICH
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
In einer Doppelrezension bespricht Sabine Fröhlich zwei Bücher, die von den Folgen der Nazizeit handeln:
1) Irene Eckler: "
1) Irene Eckler: "