Als philosophischer Denker ist Friedrich Nietzsche für Theologie und Kirche von so großer Bedeutung, weil er derjenige unter den Atheisten ist, der gerade in seiner so bewußt und aggressiv vertretenen Gottlosigkeit nie von der Gottesfrage losgekommen ist. Sein Atheismus ist ein erlittener Atheismus und als solcher ein besonders ehrlicher Atheismus. Nietzsche wußte von der Horizontlosigkeit des Gottlosen. Trotz aller Polemik gegenüber dem Christentum dürfte er derjenige Atheist sein, mit dem sich die Auseinandersetzung am meisten lohnt. Er hat die Gottlosigkeit am tiefsten durchdacht und auch dementsprechenden Einfluß gehabt. Seine Denkstrukturen sind zutiefst von theologischen Denkstrukturen beherrscht; gerade darin liegt der besondere Reiz, sich ihm von seiten der Theologie und der Kirche zu nähern. Niemand sollte in der heutigen Zeit, in der die kirchliche Verkündigung zunehmend an Plausibilität verliert, Nietzsche außer acht lassen.