Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Fasziniert - und das heißt mit einer Mischung aus Bewunderung und den Schwindelgefühlen einer metaphysischen Ausnüchterungskur - beobachtet Ludger Lütkhaus das zersetzende Werk einer ins Extrem getriebenen Philologie. Ein Spruch von Nietzsche scheint ihn in der Kritik der monumentalen Bände zu leiten: Philologen, heißt es da, seien "Vernichter jeden Glaubens, der auf Büchern beruht". Die letzten, von ihm selbst nicht mehr zum Werk gefügten Notate werden hier so treu wie möglich aufgezeichnet, berichtet der Rezensent, der den Leser zu Recht an die Editionsgeschichte dieser Spätprodukte des Philosophengeistes erinnert: Nietzsches Schwester hatte daraus die Aphorismensammlung "Der Wille zur Macht" gebastelt und Nietzsche zum Antisemiten und Vorläufer der Nazis gemacht, der er bei weitem nicht war. Erst die Nachkriegsausgaben Nietzsches von Schlechta über Colli und Montinari bis hin zur vorliegenden Edition haben das Werk der bösen Schwester immer weiter entzaubert. Hier nun "werden nicht weniger als fünf Schrifttypen und insgesamt sieben Farben zur Wiedergabe der diversen Tinten und Schrifttypen aufgeboten", berichtet der Rezensent. "Lohnt sich der Aufwand überhaupt?", fragt er. Ja, und sei es als Illustration der Einsicht, dass es eine "autoritative Reinschrift des Lebens" nicht gibt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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