Das in der Forschung wenig untersuchte Denkmotiv des "Wanderers" ist bei Nietzsche ebenso grundlegend wie die Begriffe des "Wil-lens zur Macht" oder des "Übermenschen". Der Wanderer ist einer der wichtigsten Leitfäden für eine phänomenologische Interpreta-tion Nietzsches. Ausgangspunkt des Denkweges ist der Nihilismus des 19. Jahrhunderts in Europa, der bereits tief in der abendländi-schen Kultur verwurzelt war, besonders in Moral, Religion, Gesellschaft, in Wissenschaft und Leben. Nietzsches Wanderer ist stets an der zeitlichen und räumlichen Perspektive orientiert, nämlich genealogisch und interkulturell, wobei die Erfahrungsmitte der eigene Leib des Wanderers als die große Vernunft ist. Die Autorin setzt die Leib-Theorie Nietzsches kritisch in Bezug zu den Leib-Auffassungen von Maurice Merleau-Ponty und Helmut Plessner im Hinblick auf die Kultur und das Verstehen. Die Trennung der Leib-Seele-Einheit des Menschen im neuzeitlichen Denken, von Nietzsche als krankmachender Nihilismus bezeichnet, wird sowohl in psychologisch-genealogischer Hinsicht sowie auf eine interkulturelle Auslegung des menschlichen Daseins hin vom "Wanderer" radikal neu gedeutet. In die Untersuchung von Nietzsches philosophischer Reise - auch für ihn selbst spielte das Reisen eine erhebliche Bedeutung - wird als ein Schwerpunkt des kritischen Wanderers dessen Buddhismus-Verständnis bezüglich der leiblichen Perspektive einbezogen. Hier steht die Analyse der Quellen von Nietzsches Buddhismus-Studien im Vordergrund, parallel dazu wird die dionysische Überwindung des europäischen Nihilismus beleuchtet, die in die Frage mündet, wie das interkulturelle Verstehen im Fall des "Wanderers" möglich ist.