Das Berlin der Goldenen 1920er ist eine Erfolgsstory, die das 20. Jahrhundert seinen Kindern und jetzt auch Kindeskindern immer wieder gerne erzählt: so viel Rasanz, Theatralik, Drama, Lichter der Großstadt, Verkehrschaos, Leben, das laut auf sich aufmerksam macht, will es nicht in Hinterhöfen und Mietskasernen verkümmern, Cabaret, Theater, Funk, Film, Reklame, Bubikopf und Monokel, queere Kieze, Charleston und der "Onkel Bumba aus Kalumba"; alles rennt, rast und schwoft, jeden Tag breaking news, Sensationen und Spektakel. An dieser Geschichte, deren Strahlkraft heller leuchtet als fünf Millionen Osram-Birnen (Werk Berlin-Friedrichshain), haben viele mitgestrickt, Kunstschaffende, City Girls, Gigolos, Bohemiens, Intellektuelle, Koksbarone, Ringvereine und Politgangster, Wissenschaftler, Sportskanonen und Spekulanten, Dr. Mabuse, Mackie Messer, Maria, der schöne Maschinenmensch und eine endlose Parade von tanzwütigen Nachtschwärmern.Nach den Bestsellern Hollywood in the 30s und Jazz: New York in the Roaring Twenties hat sich Illustrator Robert Nippoldt diesmal mit dem Schriftsteller Boris Pofalla zusammengetan, um den Geist dieses Jahrzehnts in einem atmosphärisch dichten Album einzufangen.Nippoldt stellt nicht nur bekannte Figuren wie Lotte Reiniger, Christopher Isherwood, Albert Einstein, Kurt Weill, Marlene Dietrich und George Grosz vor, sondern auch Thea Alba, "die Frau mit zehn Gehirnen", Magnus Hirschfeld, den "Einstein des Sex", und den berühmt-berüchtigten Ganoven Adolf Leib. Bevor Weltwirtschaftskrise und Naziherrschaft Berlin das Licht ausknipsen, zeigt uns Nippoldt noch einmal alles: die grellen Lichter der Großstadt und das Grau der Fabriken, Hinterhöfe und Mietskasernen, das Geschrei der Sporthallen und die Stille der Theatersäle, den Gesang der Comedian Harmonists und Marlene Dietrich, die sich zylinderbehütet eine Zigarette anzündet und dann - kluge Frau - ein Dampferticket nach Hollywood kauft.Auszeichnungen:Indigo Design Award, 2019, AmsterdamADC Award, 2019, New YorkiF Design Award, 2019, HannoverA' Design Award, 2019 ComoGerman Design Award, 2019, FrankfurtBest Book Award, 2018, Los AngelesBerliner Type Award, 2018, BerlinRed Dot Design Award, 2018, EssenADC Award, 2018, BerlinJoseph Binder Award, 2018, WienInternational Design Award, 2018, Los Angeles
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.10.2017Für immer Zwanziger!
Robert Nippoldt und Boris Pofalla beschwören Berlin
Der Mythos ist nicht das Gegenteil der historischen Wahrheit, sondern eher deren Komplement: die Geschichte, nicht bloß so, wie sie wirklich gewesen ist, sondern so, wie sie sich mit den Träumen und Projektionen der Nachgeborenen verbunden und vermischt hat. Und so haben der wunderbare Zeichner und Illustrator Thomas Nippoldt und unser Kunstkritiker Boris Pofalla die Stadt Berlin zu fassen versucht - das Berlin der zwanziger Jahre, jener Zeit also, auf welche die Vergangenheit der Stadt hinauszulaufen schien. Und von welcher die Gegenwart, weil sie mit sich selbst so unversöhnt ist, noch immer zehrt. Es geht dabei durchaus um Empirie, um große Zahlen, gesicherte Fakten, um Geschichten, welche damals, ganz nüchtern, auch in der Zeitung standen. Und zugleich geht es darum, in der Verdichtung und Stilisierung der Zeichnungen, in den Zwischentönen des Textes auch jenen Geist zu beschwören, der die Personen und die Schauplätze zu Legenden machte. Wir zeigen hier, vorab, ein paar der Zeichnungen. Und drucken einen der Texte.
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Robert Nippoldt, Boris Pofalla: "Es wird Nacht im Berlin der wilden Zwanziger". Taschen-Verlag, 49,99 Euro. Erscheint im November
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Robert Nippoldt und Boris Pofalla beschwören Berlin
Der Mythos ist nicht das Gegenteil der historischen Wahrheit, sondern eher deren Komplement: die Geschichte, nicht bloß so, wie sie wirklich gewesen ist, sondern so, wie sie sich mit den Träumen und Projektionen der Nachgeborenen verbunden und vermischt hat. Und so haben der wunderbare Zeichner und Illustrator Thomas Nippoldt und unser Kunstkritiker Boris Pofalla die Stadt Berlin zu fassen versucht - das Berlin der zwanziger Jahre, jener Zeit also, auf welche die Vergangenheit der Stadt hinauszulaufen schien. Und von welcher die Gegenwart, weil sie mit sich selbst so unversöhnt ist, noch immer zehrt. Es geht dabei durchaus um Empirie, um große Zahlen, gesicherte Fakten, um Geschichten, welche damals, ganz nüchtern, auch in der Zeitung standen. Und zugleich geht es darum, in der Verdichtung und Stilisierung der Zeichnungen, in den Zwischentönen des Textes auch jenen Geist zu beschwören, der die Personen und die Schauplätze zu Legenden machte. Wir zeigen hier, vorab, ein paar der Zeichnungen. Und drucken einen der Texte.
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Robert Nippoldt, Boris Pofalla: "Es wird Nacht im Berlin der wilden Zwanziger". Taschen-Verlag, 49,99 Euro. Erscheint im November
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"Illustrator Robert Nippoldt und Autor Boris Pofalla haben Glanz und Elend in einem faszinierenden Stadtporträt eingefangen." Kulturzeit (3sat)