Bis heute wird unterschätzt, welch prominente Rolle die historisch-wissenssoziologischen Forschungen Niklas Luhmanns für das Gesamtverständnis einer systemtheoretisch angelegten Theorie der modernen Gesellschaft spielen. Im Zentrum der historisch-semantischen Studien Luhmanns steht einerseits die Idee eines nicht-beliebigen Zusammenhangs des semantischen Apparats einer Gesellschaft mit der jeweiligen Differenzierungsform, unter der dieses semantische Material produziert und reproduziert wird. Insofern fungieren diese historisch-semantischen Studien Luhmanns als empirisches Belegmaterial, das die These des Übergangs zur Form funktionaler Differenzierung plausibel macht. Andererseits betreffen diese Überlegungen auch das Selbstverständnis der gesamten Theorie; einer Theorie die sich - in einer wissenssoziologischen Wendung auf sich selbst - als eine soziologische Form der Selbstbeschreibung der modernen Gesellschaft versteht.Der vorliegende Band will die Theoriegestalt dieser Form von gesellschaftstheoretisch fundierter Wissenssoziologie rekonstruieren. Dabei spielen sowohl die entscheidenden grundbegrifflichen Orientierungen (Sinn, Erwartungsstruktur, Semantik, gepflegte Semantik, Ideenevolution) eine Rolle als auch der Zusammenhang zu den anderen Teilsträngen der Gesamttheorie - der Kommunikations- , der Differenzierungs- und der Evolutionstheorie. Aber auch die Unterschiede und Anschlüsse zu konkurrierenden Theorieunternehmen mit (im weiteren Sinne) wissenssoziologischem oder ideengeschichtlichem Zuschnitt werden deutlich gemacht.