Das Werk von Nikolaus Walter (geb. 1945) ist Resultat vieler Begegnungen mit Menschen und Landschaften. Seit 1966 entstehen seine Foto- grafien auf Entdeckungsreisen zu den "Un-Orten" dieser Welt und im Kontakt mit Außenseitern der Gesellschaft. Die Ergebnisse zeugen von einer besonderen Gabe des Künstlers: Er nimmt den Menschen Bilder ab, ohne sie bloßzustellen. Den Künstler leitet ein großes Gespür für die Geschichten von Menschen und Orten am Rand der Gesellschaft. Sein wacher Blick erkennt den richtigen Moment, aus dem sich seine Bildgeschichten erst entwickeln können.
Drei Essays beleuchten Walters Werk aus verschiedenen Blickwinkeln. Anton Holzer findet einen fotohistorischen Zugang, während Margit Zuckriegl sich der "intuitiven Soziologie" des Künstlers widmet. Der literarische Beitrag des Wegbegleiters Willibald Feinig schließlich nähert sich dem Schaffen Walters in einem Porträt des Künstlers, das den dialogischen Charakter seines Werks betont. Der Katalog begleitet eineRetrospektive und versammelt rund 250 Fotografien aus sämtlichen Werkphasen.
Drei Essays beleuchten Walters Werk aus verschiedenen Blickwinkeln. Anton Holzer findet einen fotohistorischen Zugang, während Margit Zuckriegl sich der "intuitiven Soziologie" des Künstlers widmet. Der literarische Beitrag des Wegbegleiters Willibald Feinig schließlich nähert sich dem Schaffen Walters in einem Porträt des Künstlers, das den dialogischen Charakter seines Werks betont. Der Katalog begleitet eineRetrospektive und versammelt rund 250 Fotografien aus sämtlichen Werkphasen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.10.2015Faible für die schlechten Seiten
Nikolaus Walter ist Österreicher. In Wien hat er Fotografie studiert, an der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt. Das war Mitte der sechziger Jahre. Seine erste Anstellung allerdings fand er in England: bei der Firma Francis Frith & Co, die seit dem neunzehnten Jahrhundert die halbe Welt auf Fotografien und Postkarten vertreibt. Mit einem kleinen Auto war er für sie unterwegs und klapperte kleine Ortschaften ab. Doch hatte er, wie er rückblickend schreibt, "immer ein Faible für die schlechten Seite der Städte". Präziser freilich müsste es heißen: für die Menschen, die das Pech haben, auf der schlechteren Seite der Städte zu wohnen. Postkartenmotive fand er bei ihnen nicht - aber genügend Material, um jetzt einen ganzen Bildband zu füllen, der von diesen Begegnungen berichtet. Der Band beginnt mit Aufnahmen von Straßenkindern, in Manchester zunächst, dann in Dublin, später auch in Feldkirch und Schwäbisch Gmünd, und allmählich öffnet sich die Welt. Er reist nach Paris und Nicaragua, nach Bosnien, Indien, Liechtenstein. Teils sind es Schnappschüsse, die in dem Buch versammelt sind, wie im Vorübergehen entstanden, teils breiten sich die Bilder über etliche Seiten zu wohldurchdachten Reportagen über den Alltag in der Fremde aus. Idyllisch ist da nichts. Aber der Begriff des Exotischen erhält eine ganz neue Wendung angesichts seiner Beobachtungen etwa im Kloster St. Peter Bludenz, in dem er die Schwestern ebenso bei der Andacht wie beim Spielen begleitet hat und ihm Bilder von anrührender Schönheit gelungen sind. Von den sozialen Brennpunkten hat er sich da längst in die Lebenswelt der sogenannten kleinen Leute bewegt - dorthin, wo Reisende sich ebenfalls eher selten wiederfinden.
F.L.
"Nikolaus Walter: Begegnungen", herausgegeben von Petra Zudrell. Kehrer Verlag, Heidelberg 2015. 224 Seiten, 250 Schwarzweißfotografien. Gebunden, 44,90 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Nikolaus Walter ist Österreicher. In Wien hat er Fotografie studiert, an der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt. Das war Mitte der sechziger Jahre. Seine erste Anstellung allerdings fand er in England: bei der Firma Francis Frith & Co, die seit dem neunzehnten Jahrhundert die halbe Welt auf Fotografien und Postkarten vertreibt. Mit einem kleinen Auto war er für sie unterwegs und klapperte kleine Ortschaften ab. Doch hatte er, wie er rückblickend schreibt, "immer ein Faible für die schlechten Seite der Städte". Präziser freilich müsste es heißen: für die Menschen, die das Pech haben, auf der schlechteren Seite der Städte zu wohnen. Postkartenmotive fand er bei ihnen nicht - aber genügend Material, um jetzt einen ganzen Bildband zu füllen, der von diesen Begegnungen berichtet. Der Band beginnt mit Aufnahmen von Straßenkindern, in Manchester zunächst, dann in Dublin, später auch in Feldkirch und Schwäbisch Gmünd, und allmählich öffnet sich die Welt. Er reist nach Paris und Nicaragua, nach Bosnien, Indien, Liechtenstein. Teils sind es Schnappschüsse, die in dem Buch versammelt sind, wie im Vorübergehen entstanden, teils breiten sich die Bilder über etliche Seiten zu wohldurchdachten Reportagen über den Alltag in der Fremde aus. Idyllisch ist da nichts. Aber der Begriff des Exotischen erhält eine ganz neue Wendung angesichts seiner Beobachtungen etwa im Kloster St. Peter Bludenz, in dem er die Schwestern ebenso bei der Andacht wie beim Spielen begleitet hat und ihm Bilder von anrührender Schönheit gelungen sind. Von den sozialen Brennpunkten hat er sich da längst in die Lebenswelt der sogenannten kleinen Leute bewegt - dorthin, wo Reisende sich ebenfalls eher selten wiederfinden.
F.L.
"Nikolaus Walter: Begegnungen", herausgegeben von Petra Zudrell. Kehrer Verlag, Heidelberg 2015. 224 Seiten, 250 Schwarzweißfotografien. Gebunden, 44,90 Euro.
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