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Einen Wichtelmann sollte man nicht verärgern! Das weiß nun auch Nils Holgersson und fliegt, auf Zwergengröße geschrumpft, mit dem Gänserich Martin über sein Heimatland Schweden. Ob er am Ende der Reise wieder seine menschliche Gestalt haben wird?

Produktbeschreibung
Einen Wichtelmann sollte man nicht verärgern! Das weiß nun auch Nils Holgersson und fliegt, auf Zwergengröße geschrumpft, mit dem Gänserich Martin über sein Heimatland Schweden. Ob er am Ende der Reise wieder seine menschliche Gestalt haben wird?
Autorenporträt
Gisela Perlet, 1942 in Magdeburg geboren, gilt als herausragende Andersen-Kennerin. Sie studierte Germanistik und Skandinavistik, war danach zwölf Jahre lang Lektorin und ist seit 1979 freiberuflich als Übersetzerin und Lektorin tätig. Neben Hans Christian Andersen zählen Tania Blixen und Sören Kierkegaard zu den wichtigsten von Gisela Perlet übersetzten und herausgegebenen Autoren. Sie übersetzte Andersens gesamte Reiseliteratur und seine früheste Autobiografie und gab sie auch heraus. Für ihre Arbeit wurde sie bereits mehrfach ausgezeichnet: 1998 Hans-Christian-Andersen-Preis, 1999 Dannebrog-Orden; 2001 Bundesverdienstkreuz; 2002 Johann-Heinrich-Voß-Preis. Gisela Perlet lebt in Rostock.Selma Ottilia Lovisa Lagerlöf (1858-1940) wurde in der schwedischen Provinz Värmland geboren. Nach ihrem Studium in Stockholm trat sie ihre erste Stelle als Lehrerin in der Hafenstadt Landskrona im Süden des Landes an. Zu dieser Zeit verfasste sie ihren ersten Roman, "Gösta Berling". Als 1895 die zweite Auflage des Buchs erschien, konnte sie die Lehrtätigkeit aufgeben und sich ganz dem Schreiben widmen.
Dank eines Reisestipendiums des Königs und der Schwedischen Akademie lernte sie Europa kennen und reiste bis nach Ägypten und Israel.
Zu den wichtigsten Auszeichnungen ihres Lebens gehören die Aufnahme als erstes weibliches Mitglied in die Schwedische Akademie im Jahr 1914 und der Literatur-Nobelpreis, den sie 1909 als erste Frau erhielt.
Das Preisgeld ermöglichte es Lagerlöf, den Gutshof Mårbacka zurückzukaufen ihre Eltern hatten das Anwesen wegen hoher Verschuldung aufgeben müssen. Nach dem Umzug auf das Landgut widmete sie sich neben dem Schreiben vor allem der Landwirtschaft und ihrer kleinen Fabrik, in der sie Hafermehl produzierte
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.11.2014

Auf dem Rücken der Hausgans nach Lappland und zurück

Selma Lagerlöf sollte ein Schulbuch über Schweden schreiben. Jetzt liegt das Meisterwerk "Nils Holgersson" in einer gelungenen Neuübersetzung vor.

Von Tilman Spreckelsen

Als 1933 der hundertste Geburtstag Alfred Nobels näher rückte, bekam Selma Lagerlöf, die 1909 als erste Frau überhaupt mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet worden war, Post von der Zeitung "Svenska Dagbladet". Was Lagerlöf denn mit dem Preisgeld angefangen habe, wollte die Zeitung wissen. Könne sie jetzt, reich geworden, ihre Werke in größerer Ruhe schreiben? Tue sie anderen Menschen Gutes?

Nein, sagt Lagerlöf, beides nicht, leider. Und beschreibt stattdessen, wie sie durch die Parkwege von Marbacka läuft, dem Herrenhaus in der schwedischen Provinz Värmland, in dem sie knapp 75 Jahre zuvor zur Welt gekommen war, und nun "frostgefeite Ringelblumen wie Goldmünzen leuchten" sieht oder auf das "lichtgelbe Herbstlaub" einer Birke blickt und denkt: "Sieh da, ein kleiner Teil vom Gold meines Nobelpreises."

Marbacka war für sie verloren, als ihr trunksüchtiger Vater das Herrenhaus nicht mehr halten konnte, und was das für sie bedeutet hat, kann man trotz all ihrer Versuche, sich dieses Verlusts des Kindheitsparadieses literarisch anzunähern, allenfalls erahnen. Viele Jahre später hatte sie es sich buchstäblich zurückgeschrieben durch die Honorare ihrer Bücher. Der Nobelpreis machte es ihr dann möglich, zum Haus auch noch das umliegende Land zurückzukaufen.

Sie erhielt ihn für ein literarisches Gesamtwerk, das unübersehbar aus einer in dieser Landschaft verbrachten Kindheit schöpft. Am deutlichsten sicherlich in "Gösta Berling", ihrem 1891 erschienenen ersten großen Roman, der den See Fryken und seine Umgebung feiert, in der auch Marbacka angesiedelt ist. Lagerlöf schildert den See im Verlauf eines Jahres, entwirft einen Teufelspakt zwischen zwölf Müßiggängern und einem zwielichtigen Bergwerksbesitzer und verwebt dies mit den lokalen Sagen: Kein Herrenhaus ohne Geschichte, kein Waldstück ohne Geheimnis, und in der Mitte von alldem liegt der abgründige Fryken.

Auch Lagerlöfs zweiter großer Roman, "Nils Holgerssons wunderbare Reise durch Schweden", stiftet diese enge Verbindung von Landschaft und Erzählung. Und so wie in Stockholm im Freizeitpark Skansen seit 1891 aus typischen Häusern und den dazugehörigen Tieren ein Schweden in Miniaturgröße durchlaufen werden kann, so ist Lagerlöfs Buch eine Darstellung ihres Heimatlandes als Roman: Die einzelnen Provinzen werden besucht und in ihren geographischen, wirtschaftlichen und kulturellen Eigenheiten beschrieben, oft genug ganz abgelöst von der eigentlichen Handlung, bis es dann wieder zu einer Engführung kommt und die Protagonisten ein Abenteuer erleben, wie sie es wiederum nur hier könnten.

Den erzählerischen Rahmen für dieses Schweden-Panorama hatte Lagerlöf lange gesucht, nachdem sie den Auftrag erhalten hatte, ein Schullesebuch zu diesem Thema zu schreiben. Am Ende ist es - kaum zufällig - ein bockiges Kind, das zum entscheidenden Protagonisten der Handlung wird: Der "vielleicht" vierzehnjährige Nils Holgersson aus der Provinz Schonen im südlichsten Zipfel Schwedens wird wegen fortgesetzter Bosheit in ein Wichtelmännchen verwandelt, während er eigentlich die sonntägliche Predigt lesen sollte und darüber eingeschlafen ist. Da er sich zuvor als Mensch immer wieder grundlos grausam gegenüber den Tieren verhalten hat, muss er nun in seiner wichtelhaften Schwäche fürchten, zur Zielscheibe für alle und jeden zu werden - Selma Lagerlöf malt das genüsslich aus, etwa in einer Begegnung zwischen dem geschrumpften Nils und der bislang von ihm gequälten Hofkatze, und spätestens an dieser Stelle ahnt man, dass die Lektüre dieses Buchs ganz sicher nicht gemütlich wird.

Was dann folgt, löst diese Ahnung ein - da ist ein blutgieriger Fuchs, mit dem sich Nils herumschlagen muss, Hunger und Kälte plagen ihn, und er beobachtet, welche Verheerungen Armut, Krankheit und Trunksucht in der Bevölkerung anrichten. Aber da ist auch die große Freiheit, die der Junge erlebt, als er sich zusammen mit der Hausgans Martin vom elterlichen Hof einer Schar Wildgänse anschließt und nun auf Martins Rücken Schweden kreuz und quer, von Süd nach Nord und wieder zurück bereist - eine Freiheit, die für Nils wichtiger ist als die schon nach einer Woche angebotene Rückverwandlung zum Menschen.

Was für ein Glück für uns, die wir eine literarische Schweden-Reise erleben, die ihresgleichen sucht. Aber auch für Nils bedeutet diese Entscheidung, dass er Erfahrungen macht, die ihn von Grund auf verwandeln, nicht durch Wichtelmagie, sondern durch das Zusammenleben mit den Tieren, deren Zuneigung er sich erobern muss und schließlich ganz selbstverständlich gewinnt. Als er dann am Ende des Sommers doch wieder zum Menschen wird, erkennt ihn seine Mutter kaum wieder: "Der Nils Holgersson, der im Frühjahr aufgebrochen war, hatte einen schweren, langsamen Gang gehabt, eine schleppende Stimme und schläfrige Augen. Doch der, der zurückgekommen war, war leicht und flink, er redete schnell und hatte Augen, die leuchteten und blitzten."

Eine Heiligengeschichte, so könne man meinen, eine, die den Saulus angemessen böse zeichnet, um den Paulus nur umso schöner leuchten zu lassen. Viele Kinderbücher des neunzehnten und frühen zwanzigsten Jahrhunderts funktionieren so, und wo der pädagogische Auftrag nicht nur zwischen den Zeilen steht, sondern das Buch prägt, da verlieren Kinder schnell die Lust, und das Vorlesen ist eine Qual. Nur dass "Nils Holgerssons wunderbare Reise durch Schweden" diese Klippe souverän umschifft, ja nicht einmal in ihre Nähe kommt. Einer der Gründe dafür ist natürlich, dass die langjährige Volksschullehrerin Lagerlöf genau gewusst haben wird, wie man die Aufmerksamkeit eines jungen Publikums für sich gewinnt, und dass sie dies auch ihrem Schreiben zugrunde legte: Nur gute, nur böse Gestalten sind hier allenfalls an den Rändern zu haben, und jeder Nutzen, den man von den Realien über Land und Leute hat, geht einher mit der Freude am Abenteuer.

Dies zu zeigen ist das Verdienst der ersten vollständigen deutschen Übersetzung nach dem Text der schwedischen Erstausgabe, die Thomas Steinfeld nun vorgelegt hat. Sie enthält nicht nur Sätze, die in der 1907 erschienenen, klassischen Übertragung von Pauline Klaiber fehlen. Sie macht das Original auch dort besser sichtbar, wo sie ihm - anders als Klaiber - einfach nichts hinzufügt. Etwa, wenn der Storch Herr Ermenrich in der Osternacht mit Nils auf dem Rücken über die Ostsee fliegt und den Jungen ins Abenteuer stößt, die versunkene Stadt Vineta zu erlösen. Die Lakonie des Originals, die Steinfelds deutsche Fassung abbildet, wird bei Klaiber hier um eine weitschweifige Schilderung ergänzt, in der Herr Ermenrich den Jungen darüber aufklärt, dass man sich in Pommern befinde, in Deutschland. Und Klaibers Nils wundert sich gehörig.

In Steinfelds Fassung aber zeigt sich das Buch so taufrisch und zeitlos, so behutsam und zupackend erzählt, als wollte es noch einmal die Entscheidung der schwedischen Akademie rechtfertigen: Den Literaturnobelpreis an eine Kinderbuchautorin, warum denn nicht? Es wäre schön, wenn das noch heute gälte.

Selma Lagerlöf: "Nils Holgerssons wunderbare Reise durch Schweden". Roman.

Aus dem Schwedischen von Thomas Steinfeld. Die Andere Bibliothek, Berlin 2014. 600 S., geb., 40,- [Euro].

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