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Die drei Erzählungen von Axel Dielmann kreisen um Kunst. Die erste handelt von einem Foto des malenden Henry Matisse in seinem Atelier in Nizza und führt entlang einer Liebesgeschichte vierfach an die Cote Azur und hinein in die Moderne: Neun Jahre lang ist da einer auf der Suche nach einem Fotographen und hinter einer Fotographie her, in die er sich "verguckt" hat. - Sodann ist es eine Gouache des DDR-Malers Willi Sitte, die lange Zeit eher unbewusst im Mittelpunkt einer Kunstsammlung stand und nun ihren Sammler möglicherweise vor dem Bankerott retten wird: Während sich ganz andere…mehr

Produktbeschreibung
Die drei Erzählungen von Axel Dielmann kreisen um Kunst. Die erste handelt von einem Foto des malenden Henry Matisse in seinem Atelier in Nizza und führt entlang einer Liebesgeschichte vierfach an die Cote Azur und hinein in die Moderne: Neun Jahre lang ist da einer auf der Suche nach einem Fotographen und hinter einer Fotographie her, in die er sich "verguckt" hat. - Sodann ist es eine Gouache des DDR-Malers Willi Sitte, die lange Zeit eher unbewusst im Mittelpunkt einer Kunstsammlung stand und nun ihren Sammler möglicherweise vor dem Bankerott retten wird: Während sich ganz andere Verhängnisse ankündigen, stellt sich eine Sammlung aus dem taxierenden Blickwinkel eines Gerichtsvollziehers dar, der aus ihren Werten zu vollstrecken hat und en passant den generellen Wert von Kunst diskutiert. - Zuletzt spricht einer, der an Kunstwerken nur Teile sammelt, einer, der sich zentrale Momente großer Kunst illegal und entlang skurriler Aktionen aneignet: Diese dritte Erzählung nähert sichdem kreativen Akt von Kunst-Entstehung ex negativo, nämlich aus der Demontage von Kunstwerken heraus.

Alle drei Erzählungen gehen der Frage nach, wie man über Kunst sprechen kann, ohne ins Offensichtliche abzurutschen. Und die Liebe zur Kunst, zweifelsohne eine komplexe Leidenschaft, verpflichtet dabei zu einer genauen literarischen Prüfung der Erzählbarkeit von Geschichten mit multiplem Hintergrund ...
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.03.2014

Sage mir, welches Kunstwerk du liebst

Wörter und Bilder: Der Frankfurter Verleger Axel Dielmann hat Erzählungen über die Lust an der Kunst verfasst. Sie kann so groß sein, dass sie zum Diebstahl führt.

VON FLORIAN BALKE

FRANKFURT. Museumswächter, heißt es in Axel Dielmanns Buch, sind misstrauisch. Grundmisstrauisch. Noch misstrauischer sind nur Museumswärterinnen. Warum das so ist, gibt der Mann, der über die schwer zu überlistenden Bewacherinnen der Kunstwerke nachdenkt, nicht preis. Vermutlich spüren sie mit weiblicher Intuition, dass es sich bei ihm um einen jener Männer handelt, die vor ihren Augen in nicht allzu ferner Zukunft Mist bauen werden. Auch Claire, die kluge Kunsthistorikerin, die der Erzähler so gut leiden kann, hat schließlich sofort verstanden, dass mit ihm etwas nicht stimmt.

Aber was kann denn er dafür, wenn seine Liebe zur Kunst so groß ist, dass er sich eine kleine Spur der von ihm bewunderten Kunstwerke aneignen muss? Nicht das ganze Kunstwerk, nur ein kleines Teilchen, das für das Ganze steht. Nur ein Faden der Leinwand aus Lucio Fontanas blauem Schnittbild im Frankfurter Städel-Museum also. Auch wenn man dem Bild mit den vier Schlitzen in der Leinwand dafür einen fünften hinzufügen muss.

Die Geschichte des Mannes, der nicht weiß, wie er Claire die Bestandteile berühmter Werke der Gegenwartskunst bei ihm zu Hause erklären soll, hat Dielmann zusammen mit zwei weiteren Erzählungen zu einem Buch zusammengestellt, das er unter dem Titel "Nizza oder die Liebe zur Kunst" Ende vorigen Jahres beim Verlag Vantage Point World in Bad König veröffentlicht hat. Für 16,85 Euro ist der Band erhältlich, er kreist um ein einziges Thema - die zahlreichen Seiten der Kunstliebe, die von der zarten Bewunderung bis zur Besitzgier reichen kann.

Als Verleger hat Dielmann seit Jahrzehnten beruflich mit Literatur zu tun. "Nizza" aber ist sein erstes Buch, sein Debüt als Erzähler. Vor zwei, drei Jahren, als es auf den zwanzigsten Geburtstag des Dielmann-Verlags zuging, dachte er sich: "Jetzt ist er erwachsen, jetzt darfst du auch selbst etwas anstellen." Also setzte er sich an alte Notizen und Ideen. Dass er die Wörter zu Beginn des Schreibens ausgerechnet aus der Begegnung mit Bildern entstehen lässt, mag etwas miteinander zu tun haben. Da hilft die eine private Vorliebe, die Beschäftigung mit der zeitgenössischen Kunst, der anderen weiter, dem Faible für das Schreiben, für das es im beruflichen Leben bislang keinen Raum gab.

Entstanden ist Dielmanns Erzählung von den Diebstahlsschnitzern auf dem Kunstfreundkerbholz bei einem Museumsbesuch in Augsburg. Dort ist Eimo Cremers Installation "Ist-Zustand" zu sehen, um die es auch in der Erzählung geht, eine Konstruktion aus Holzteilen und Schraubzwingen, die die einzelnen Bestandteile des Werks zusammenhalten. Als Dielmann vorbeischaute, lagen eine Zwinge und ein Klötzchen heruntergefallen auf dem Boden, ohne dass es jemand vom Museum bemerkt hätte. Die Frage, sagt Dielmann, sei gewesen: "Sagt man denen das, oder geht man anders damit um?" Und ist er selbst in dieser verlockenden Situation brav geblieben? "Ja."

Seine Erzählung, sagt Dielmann im Café des Städel, speise sich trotzdem aus dem altbekannten Drang jedes Kunstbetrachters in Atelier und Museum: "Kann man da jetzt mal dranfassen?" Und aus der nächsten Frage, die in abgründigere Regionen führt, da sie nicht nur beim Sammeln von Kunst beginnt, sondern auch noch ganz woanders enden kann. Sie lautet: "Kann man davon etwas haben?"

Es ist die Frage, die auch hinter der ersten Erzählung in Dielmanns Buch steht. Sie spielt in Nizza, wo der Erzähler in den Ferien auf ein Foto von Robert Capa stößt, das Matisse bei der Arbeit an den Werken für die Rosenkranzkapelle in Vence zeigt. Er möchte die im Atelier des Künstlers entstandene Aufnahme haben, sucht und fragt in jedem Urlaub nach dem Bild, das stets zu teuer ist, so lange, bis sein kleines Kunstabenteuer sich in einer überraschenden Pointe auflöst, die etwas mit einem Poster zu tun hat.

Auch Dielmann sammelt, aber nur ein bisschen. Einzelne Stücke, die ihm gefallen haben, oder eine kleine Werkgruppe. "Es ist eine bunte Menage." Den Willi Sitte allerdings, auf den die mittlere Erzählung zusteuert, in der ein Gerichtsvollzieher eine Kunstsammlung auflösen muss und dabei von einem schrecklichen Ereignis hört, besitzt er tatsächlich. "Dafür bin ich lange Taxi gefahren." Das war in den achtziger Jahren in West-Berlin. In seiner Heimatstadt Frankfurt leitet der 1959 in Höchst zur Welt gekommene Dielmann seit 1993 den nach ihm benannten Verlag mit Sitz an der Kranichsteiner Straße in Sachsenhausen. Und Sittes 1950 entstandene Grafik "Junge mit Märchenbuch" findet sich jetzt auch auf dem Einband von Dielmanns Prosa.

Beim Versuch, aus seinen Ideen etwas Größeres zu machen, hat ihm im Sommer 2012 Alexander Kluges Poetikvorlesung geholfen. Dielmann hörte Kluges Vorträge an der Frankfurter Goethe-Universität und empfand das, was der Regisseur und Autor aus seinem langen Leben und aus seinem umfangreichen Werk berichtete, vor allem aber die Form, die er dafür fand, präzise, aber mit reichlich Platz für Inhalt und Reflexion, als beispielhaft. Kluge verstehe es, die Vergangenheit gleichzeitig als etwas Fixes und etwas aktuell Herstellbares zu zeigen, sagt Dielmann. "Die Vielfältigkeit der Erzählknäuel fand ich wunderbar."

Drei kluge Texte sind ihm selbst, auf diese Weise angeregt, gelungen, feingearbeitete Erzählungen über den Drang, Anteil zu haben an dem, was das Kunstwerk an Geschichten und Erzählweisen bereithält. Den Gipfel der Aneignungspläne bildet der Angriff auf Fontanas Frankfurter "Concetto spaziale - Attese", das in den Gartenhallen des Städel zu sehen ist. Dabei geht es Dielmanns Kunsträuber nicht um irgendeine Stelle des Werks, sondern um seinen Kern, in diesem Fall also um einen der Schlitze, die Fontana in die Leinwand geschlagen hat. Das Nichts des Schlitzes, sagt Dielmann, sei das Sammelobjekt. Und fügt hinzu: "Wie sammelt man einen Schlitz?" Es ist letztlich die Frage, die auch ihn selbst umtreibt. Wie erzählt man? Wie hält man fest, was dem Nichts des Schlitzes gleicht - das Vergängliche, das Vergangene? Und wie öffnet man den Blick hinter die Leinwand der Wirklichkeit? Dielmann treibt aber auch noch etwas anderes um. Er wolle erzählen, sagt er, weil in seiner Familie nie viel erzählt worden sei: "Wie funktioniert Erzählen, wenn man versucht, seine eigene Erzählung herzustellen?"

Der Wahrheitsgehalt dessen, was er in seinem eigenen Text formuliert hat, lässt sich derweil leicht überprüfen. Dabei ist festzustellen: Fontanas Bild kann im Städel nichts passieren. Beim Gang in die Gartenhallen verhalten sich die Museumswächter vorbildlich. Sie sind angemessen misstrauisch, zugleich aber freundlich und kenntnisreich. Die große Kamera des Fotografen fällt sofort auf, die Besucher werden angehalten und befragt, erst die Fotoerlaubnis macht den Weg frei. Vor Fontanas Arbeit tritt ein anderer Kollege hinzu und hat ein Auge auf das Geschehen. Während der Arbeit erinnert der Fotograf sich an die Installation, die seiner Tochter beim Einzug der Sammlung in die gerade erst vollendeten Gartenhallen so gefallen hat, die mit dem Kabel, das von der Decke hängt. "Das ist Frau Hoffmann", sagt der Wärter, "die hängt da drüben." Kurz danach findet sich um die Ecke das gelbe Kabel von Leni Hoffmanns "Sansibar". Dielmann ist begeistert: "Hätte ich hier tatsächlich gestohlen, es wäre ein Vergnügen gewesen."

Aber warum schreibt er nur über zeitgenössische Kunst? Was ist mit den alten Meistern, denen im Städel zum Beispiel, die er seit seiner Kindheit kennt? Weil man mit ihnen, antwortet er, in ein Erzählen komme, das zu lange im Nacherzählen verharre. "Weil sie schon an sich in eine Geschichte drängen, in etwas zu Erzählendes." Und weil man den Bildern die Mühe ansehe, die sich die Künstler gemacht hätten. Das hat für Dielmann einen anderen Respekt vor ihnen zur Folge, der sich sofort auf das Erzählen auswirke. Da kann man mit der Gegenwartskunst ruhig etwas länger nachdenken. Auch über weitere Bücher. Dielmann hält es durchaus für möglich, dass es sie geben wird.

Axel Dielmann liest heute von 14 Uhr an im Bürgerhaus zum Schwanen, Neckarstraße 42 in Neckarsteinach. Am 29. April ist er von 20 Uhr an im Hessischen Literaturforum im Frankfurter Künstlerhaus Mousonturm zu Gast.

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