In der Reihe Denker erscheinen Einführungen in Leben und Werk der wichtigsten Philosophen der Welt. Die Bände sind von renommierten Hochschullehrern verfaßt. Auf eine Biographie folgen ausführliche Werkanalysen, Grundzüge der Wirkungsgeschichte, eine Zeittafel, eine inhaltlich gegliederte Bibliographie sowie Namen- und Sachregister. Alle Bände sind Originalausgaben.
Nach Einschätzung der New York Times gilt Noam Chomsky als der bedeutendste lebende Intellektuelle. Er hat nicht nur die Wissenschaft von der Sprache revolutioniert und der Erforschung des menschlichen Geistes entscheidende Impulse gegeben; er hat auch durch seine kritischen politischen Schriften und Aktivitäten weltweite Resonanz gefunden.
Grewendorfs Buch gibt einen Einblick in Chomskys kognitionstheoretisches, linguistisches und politisches Werk.
Nach Einschätzung der New York Times gilt Noam Chomsky als der bedeutendste lebende Intellektuelle. Er hat nicht nur die Wissenschaft von der Sprache revolutioniert und der Erforschung des menschlichen Geistes entscheidende Impulse gegeben; er hat auch durch seine kritischen politischen Schriften und Aktivitäten weltweite Resonanz gefunden.
Grewendorfs Buch gibt einen Einblick in Chomskys kognitionstheoretisches, linguistisches und politisches Werk.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.11.2007So herrlich hermetisch!
Als Hugo Chávez unlängst vor den Vereinten Nationen eine flammende Rede gegen den Imperialismus der Vereinigten Staaten hielt, reckte er zur Bekräftigung seiner Attacken ein Buch von Noam Chomsky in die Höhe. Der Sprachwissenschaftler vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) ist zur Leitfigur der Globalisierungs- und Neoliberalismusgegner geworden. Den Nimbus eines intellektuellen Polit-Popstars verdankt er seiner scharfen Kritik an der Politik der Vereinigten Staaten, Israels und anderer westlicher Länder, die er seit den sechziger Jahren in Dutzenden von Büchern und ungezählten Artikeln, Interviews und Reden verbreitete. Von den linguistischen Forschungen des Begründers der generativen Universalgrammatik hat die breitere Öffentlichkeit dagegen nur vage Vorstellungen. Doch wie bei Einstein ist es auch bei Chomsky diese Aura einer hermetischen, hochkomplizierten Wissenschaft, die die politischen Botschaften leuchten lässt.
Günther Grewendorf, ausgewiesener Kenner der generativen Grammatik, porträtiert in seinem Buch sowohl den Linguisten als auch den politisch engagierten Intellektuellen ("Noam Chomsky". Verlag C. H. Beck, München 2006. 252 S., 4 Abb., br., 14,90 [Euro]). Was durchgängig fehlt, ist der Blick von außen. Es überwiegt der Preisgesang. Das ist schade. Hätte man nicht einen Autor finden können, der kundig und dennoch unabhängig schreibt?
Dass die Kernpunkte der generativen Sprachtheorie von vielen Sprachwissenschaftlern, Neurobiologen und Psychologen kontrovers diskutiert werden, entspringt keineswegs wissenschaftstheoretischer Ignoranz, wie die Chomsky-Schule gern unterstellt. Bislang liegen die Leistungen der generativen Grammatik nämlich aller biologistischen Rhetorik zum Trotz vor allem in einer logisch-systematischen Durchdringung sprachlicher Strukturen, die insbesondere sprachtypologisch interessante Vergleiche erlaubt. Doch in welcher empirischen Beziehung ihre abstrakten Kategorien und Regeln zur Sprachfähigkeit und deren neuronaler Basis eigentlich stehen, ist nach wie vor unklar.
Umstritten ist mittlerweile auch die Grundannahme generativer Grammatiker vom schnellen und mühelosen Spracherwerb der Kinder. Aktuelle Forschungen, wie sie beispielsweise Michael Tomasello vom Leipziger Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie betreibt, lassen vermuten, dass dieser Prozess keineswegs wie ein automatisches Wachstum von innen heraus abläuft, sondern stückweise und mit vielen Versuchen und Irrtümern vor sich geht. Imitation und Lernen, das Gedächtnis und die kommunikativen Einflüsse der Umwelt scheinen eine bedeutend größere Rolle zu spielen als von den Generativisten zugestanden. Das aber könnte ihre These vom angeborenen Sprachsystem und seiner kognitiven Autonomie zum Einsturz bringen.
Mehr Tiefenschärfe wünschte man sich auch bei der Darstellung von Chomskys akademischer Laufbahn. Grewendorf schildert einen Rebellen, der sich dank seiner Brillanz gegen das akademische Establishment durchsetzt und zum Jung-Star der Linguistik wird. Dass Chomsky auch die systematische Unterstützung von renommierten Professoren genoss, bleibt ebenso ausgeblendet wie die Strategien, Selbststilisierungen und polemischen Attacken, mit denen er und seine Anhänger die linguistische "Revolution" und ihren eigenen Aufstieg betrieben. Zu den günstigen Rahmenbedingungen gehörten nicht zuletzt die beträchtlichen Geldmittel, mit denen das Verteidigungsministerium in den sechziger Jahren die linguistischen Forschungen am MIT finanzierte. Diese Unterstützung - aus der Chomsky nie ein Hehl machte - entsprang der Hoffnung auf computerlinguistisch verwertbare Resultate. Im Buch wird dies nur gestreift.
Kaum etwas erfährt der Leser über die massiven Vorwürfe, die immer wieder gegen Chomsky erhoben werden. Sie reichen vom tendenziösen Umgang mit Quellen und Zitaten über leichtfertige Nazi-Vergleiche bis zur Relativierung und Verharmlosung solcher Gewaltverbrechen, die sich nicht dem Westen zuschreiben lassen. Lediglich auf die "Faurisson-Affäre", die in den achtziger Jahren für beträchtliches Aufsehen sorgte, geht Grewendorf näher ein: 1979 wurde der französische Literatur-Professor Robert Faurisson seines Lehramts enthoben und vor Gericht gestellt, weil er den Holocaust und insbesondere die Existenz der Gaskammern leugnete. Chomsky unterschrieb eine Petition gegen das Faurisson erteilte Redeverbot und verfasste einen Text, in dem er die unbedingte Redefreiheit auch für politisch abstoßende Meinungen verteidigte. Dieser Text erschien später als Vorwort zu einem Buch Faurissons. Chomsky war daraufhin heftigen Angriffen und sogar dem Vorwurf des Antisemitismus ausgesetzt.
Für Grewendorf ist dies ein Beispiel für Chomskys moralischen Rigorismus, der ihn hier über das Ziel hinausschießen lässt, weil er die bedenklichen Konsequenzen einer absolut gesetzten Redefreiheit nicht in Rechnung stellen will. Doch der Leser erfährt nicht die ganze Geschichte: Chomsky beließ es nicht bei der Verteidigung der Redefreiheit. Er verstieg sich darüber hinaus zu der Behauptung, Faurisson sei weder Antisemit noch Neonazi, sondern ein "apolitischer Liberaler". Erst die Absurdität dieser Äußerung macht den Skandal aus. Sie zeigt, wie die Urteilskraft leiden kann, wenn Nonkonformismus um jeden Preis sich mit einem Hang zur Rechthaberei paart. Zu einem Chomsky-Porträt, das neben dem Licht auch die Schatten zeigt, würden auch solche Facetten gehören.
WOLFGANG KRISCHKE
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Als Hugo Chávez unlängst vor den Vereinten Nationen eine flammende Rede gegen den Imperialismus der Vereinigten Staaten hielt, reckte er zur Bekräftigung seiner Attacken ein Buch von Noam Chomsky in die Höhe. Der Sprachwissenschaftler vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) ist zur Leitfigur der Globalisierungs- und Neoliberalismusgegner geworden. Den Nimbus eines intellektuellen Polit-Popstars verdankt er seiner scharfen Kritik an der Politik der Vereinigten Staaten, Israels und anderer westlicher Länder, die er seit den sechziger Jahren in Dutzenden von Büchern und ungezählten Artikeln, Interviews und Reden verbreitete. Von den linguistischen Forschungen des Begründers der generativen Universalgrammatik hat die breitere Öffentlichkeit dagegen nur vage Vorstellungen. Doch wie bei Einstein ist es auch bei Chomsky diese Aura einer hermetischen, hochkomplizierten Wissenschaft, die die politischen Botschaften leuchten lässt.
Günther Grewendorf, ausgewiesener Kenner der generativen Grammatik, porträtiert in seinem Buch sowohl den Linguisten als auch den politisch engagierten Intellektuellen ("Noam Chomsky". Verlag C. H. Beck, München 2006. 252 S., 4 Abb., br., 14,90 [Euro]). Was durchgängig fehlt, ist der Blick von außen. Es überwiegt der Preisgesang. Das ist schade. Hätte man nicht einen Autor finden können, der kundig und dennoch unabhängig schreibt?
Dass die Kernpunkte der generativen Sprachtheorie von vielen Sprachwissenschaftlern, Neurobiologen und Psychologen kontrovers diskutiert werden, entspringt keineswegs wissenschaftstheoretischer Ignoranz, wie die Chomsky-Schule gern unterstellt. Bislang liegen die Leistungen der generativen Grammatik nämlich aller biologistischen Rhetorik zum Trotz vor allem in einer logisch-systematischen Durchdringung sprachlicher Strukturen, die insbesondere sprachtypologisch interessante Vergleiche erlaubt. Doch in welcher empirischen Beziehung ihre abstrakten Kategorien und Regeln zur Sprachfähigkeit und deren neuronaler Basis eigentlich stehen, ist nach wie vor unklar.
Umstritten ist mittlerweile auch die Grundannahme generativer Grammatiker vom schnellen und mühelosen Spracherwerb der Kinder. Aktuelle Forschungen, wie sie beispielsweise Michael Tomasello vom Leipziger Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie betreibt, lassen vermuten, dass dieser Prozess keineswegs wie ein automatisches Wachstum von innen heraus abläuft, sondern stückweise und mit vielen Versuchen und Irrtümern vor sich geht. Imitation und Lernen, das Gedächtnis und die kommunikativen Einflüsse der Umwelt scheinen eine bedeutend größere Rolle zu spielen als von den Generativisten zugestanden. Das aber könnte ihre These vom angeborenen Sprachsystem und seiner kognitiven Autonomie zum Einsturz bringen.
Mehr Tiefenschärfe wünschte man sich auch bei der Darstellung von Chomskys akademischer Laufbahn. Grewendorf schildert einen Rebellen, der sich dank seiner Brillanz gegen das akademische Establishment durchsetzt und zum Jung-Star der Linguistik wird. Dass Chomsky auch die systematische Unterstützung von renommierten Professoren genoss, bleibt ebenso ausgeblendet wie die Strategien, Selbststilisierungen und polemischen Attacken, mit denen er und seine Anhänger die linguistische "Revolution" und ihren eigenen Aufstieg betrieben. Zu den günstigen Rahmenbedingungen gehörten nicht zuletzt die beträchtlichen Geldmittel, mit denen das Verteidigungsministerium in den sechziger Jahren die linguistischen Forschungen am MIT finanzierte. Diese Unterstützung - aus der Chomsky nie ein Hehl machte - entsprang der Hoffnung auf computerlinguistisch verwertbare Resultate. Im Buch wird dies nur gestreift.
Kaum etwas erfährt der Leser über die massiven Vorwürfe, die immer wieder gegen Chomsky erhoben werden. Sie reichen vom tendenziösen Umgang mit Quellen und Zitaten über leichtfertige Nazi-Vergleiche bis zur Relativierung und Verharmlosung solcher Gewaltverbrechen, die sich nicht dem Westen zuschreiben lassen. Lediglich auf die "Faurisson-Affäre", die in den achtziger Jahren für beträchtliches Aufsehen sorgte, geht Grewendorf näher ein: 1979 wurde der französische Literatur-Professor Robert Faurisson seines Lehramts enthoben und vor Gericht gestellt, weil er den Holocaust und insbesondere die Existenz der Gaskammern leugnete. Chomsky unterschrieb eine Petition gegen das Faurisson erteilte Redeverbot und verfasste einen Text, in dem er die unbedingte Redefreiheit auch für politisch abstoßende Meinungen verteidigte. Dieser Text erschien später als Vorwort zu einem Buch Faurissons. Chomsky war daraufhin heftigen Angriffen und sogar dem Vorwurf des Antisemitismus ausgesetzt.
Für Grewendorf ist dies ein Beispiel für Chomskys moralischen Rigorismus, der ihn hier über das Ziel hinausschießen lässt, weil er die bedenklichen Konsequenzen einer absolut gesetzten Redefreiheit nicht in Rechnung stellen will. Doch der Leser erfährt nicht die ganze Geschichte: Chomsky beließ es nicht bei der Verteidigung der Redefreiheit. Er verstieg sich darüber hinaus zu der Behauptung, Faurisson sei weder Antisemit noch Neonazi, sondern ein "apolitischer Liberaler". Erst die Absurdität dieser Äußerung macht den Skandal aus. Sie zeigt, wie die Urteilskraft leiden kann, wenn Nonkonformismus um jeden Preis sich mit einem Hang zur Rechthaberei paart. Zu einem Chomsky-Porträt, das neben dem Licht auch die Schatten zeigt, würden auch solche Facetten gehören.
WOLFGANG KRISCHKE
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Laut Wolfgang Krischke fehlt dem Autor dieses Chomsky-Porträts ein wichtiges Detail: Unabhängigkeit. Krischkes Enttäuschung über Günther Grewendorfs Lobhudelei ist deutlich. Sie zeigt sich an seinem Unverständnis angesichts der mangelnden "Tiefenschärfe", mit der Grewendorf die Karriere Chomskys darstellt. Über die Strategien des akademischen Aufstiegs und dessen Umstände hätte Krischke gern mehr erfahren. Ebenso über die kritischen Stimmen gegen den Vater der generativen Grammatik, die bis zum Vorwurf des Antisemitismus reichen, wie Krischke erläutert. Chomskys "moralischen Rigorismus" zu preisen, findet der Rezensent, langt nicht aus, um die "ganze Geschichte" zu erzählen.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH