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Seit Jahrzehnten erzählt die in Frankfurt lebende Trude Simonsohn in Schulen, Institutionen und kulturellen Vereinen aus ihrem Leben, das sie zu einer Zeugin der großen politischen Verwerfungen im zwanzigsten Jahrhundert werden ließ. 1921 in Olmütz geboren, wuchs sie zweisprachig auf, besuchte das deutsche Gymnasium, durfte aber nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht und der Annexion der Tschechoslowakei als Jüdin keine Berufsausbildung absolvieren. Sie verlor ihren Vater im KZ Dachau, ihre Mutter in Auschwitz. Sie selbst engagierte sich in der jüdischen Jugendarbeit und Vorbereitung der…mehr

Produktbeschreibung
Seit Jahrzehnten erzählt die in Frankfurt lebende Trude Simonsohn in Schulen, Institutionen und kulturellen Vereinen aus ihrem Leben, das sie zu einer Zeugin der großen politischen Verwerfungen im zwanzigsten Jahrhundert werden ließ. 1921 in Olmütz geboren, wuchs sie zweisprachig auf, besuchte das deutsche Gymnasium, durfte aber nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht und der Annexion der Tschechoslowakei als Jüdin keine Berufsausbildung absolvieren. Sie verlor ihren Vater im KZ Dachau, ihre Mutter in Auschwitz. Sie selbst engagierte sich in der jüdischen Jugendarbeit und Vorbereitung der Auswanderung deutscher und tschechischer Juden nach Palästina. 1942 wurde sie nach dem Attentat auf Reinhard Heydrich des Hochverrats angeklagt, in Einzelhaft genommen, später in verschiedene Konzentrationslager verschleppt, bevor sie schließlich im Mai 1945 aus dem KZ Merzdorf bei Groß-Rosen befreit wurde.Nach 1945 arbeitete sie für die jüdische Flüchtlingshilfe in der Schweiz, machte eine Ausbildung zur Krankenpflegerin, kümmerte sich um tuberkulosekranke und traumatisierte Kinder, die durch den Holocaust zu Waisen geworden waren.1955 ging sie nach Frankfurt am Main, wo sie in der jüdischen Gemeinde die Stelle für Sozialarbeit und Erziehungsberatung übernahm, 1989-1992 den Gemeindevorsitz.Die Erinnerungen an ihr ereignisreiches Leben schrieb die 90-Jährige zusammen mit der Frankfurter Sozialwissenschaftlerin Elisabeth Abendroth auf.
Autorenporträt
Trude Simonsohn (1921-2022) wurde im mährischen Olmütz geboren, besuchte die tschechische Grundschule und das deutsche Gymnasium. 1942 wurde sie von den Nationalsozialisten verhaftet und ins Ghetto Theresienstadt gebracht, von dort wurde sie nach Auschwitz deportiert. 1945 wurde sie aus einem Außenlager des Konzentrationslagers Groß-Rosen befreit. Seit 1955 lebte Trude Simonsohn in Frankfurt. 1993 erhielt sie die Ehrenplakette der Stadt Frankfurt, 1996 die Wilhelm-Leuschner-Medaille des Landes Hessen und 2010 wurde sie mit dem Ignaz-Bubis-Preis für Verständigung gewürdigt. 2016 wurde sie als erste Frau zur Ehrenbürgerin der Stadt Frankfurt erklärt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.03.2013

Über das Glück und das Grauen

Zeitzeugin, Ratgeberin, Mutmacherin: In Frankfurt gibt es wohl nur wenige, die so viel Achtung und Bewunderung genießen wie Trude Simonsohn. Ihr Buch "Noch ein Glück" erzählt den Weg von einer behüteten Kindheit ins KZ und von einer schwierigen Suche nach Heimat.

Von Hans Riebsamen

In all dem großen Unglück ihrer Zeit und ihres Lebens hat Trude Simonsohn Glück gehabt. Sie wurde im Gefängnis in Brünn an die Wand gestellt - aber nicht erschossen. Die Nazis deportierten sie - doch nicht ins berüchtigte KZ Ravensbrück wie viele, sondern "nur" nach Theresienstadt. Dort musste sie ihrer Mutter den Tod des Vaters im KZ Dachau vermelden. Und als sie auch diese verloren hatte, blieb ihr noch Berthold Simonsohn, der Mann, den sie in Theresienstadt kennenlernte und mit dem sie ihr späteres Leben verbrachte. Selbst Auschwitz haben die beiden überlebt.

Viel Glück im Unglück. Es hätte schlimmer, weitaus schlimmer kommen können. Trude Simonsohn, geborene Gutmann, hat Haft und Verfolgung mit unglaublichem Glück überstanden. Es gab so viele Momente von "noch einmal Glück gehabt" in ihrem langen Leben, dass sie ihren jetzt vorgelegten Erinnerungen ein Zitat vorausstellt, das einst der Schriftsteller Friedrich Torberg seiner Figur Tante Jolesch in den Mund gelegt hat: "Gott soll einen hüten vor allem, was noch ein Glück ist."

Noch ein Glück und noch ein Glück und noch ein Glück. Trude Simonsohn wäre es gewiss lieber gewesen, wenn ihr ein normales Leben beschieden gewesen wäre, das nicht des Glückes des "Gerade noch einmal davongekommen" bedurft hätte. In diesem Fall wäre die Zweiundneunzigjährige jetzt vielleicht eine pensionierte Lehrerin oder eine Ärztin im Ruhestand irgendwo in Tschechien. Doch weil damals der Krieg und der Holocaust in das Leben der jungen Jüdin aus Olmütz einbrachen, lebt Trude Simonsohn seit mehr als einem halben Jahrhundert in dem Land, dessen Herren ihr damals nach dem Leben trachteten.

"Noch ein Glück" hat Trude Simonsohn ihr Buch genannt, das dieser Tage im Wallstein-Verlag erschienen ist. Das ist ein wenig ironisch gemeint, denn Simonsohn zählt darin alle jene Gefahrensituationen auf, denen sie mit "noch einmal Glück gehabt" entronnen ist.

Aber dieses "Noch ein Glück" besitzt eine weitere Bedeutung, nämlich dass Trude Simonsohn schließlich doch noch ihr Glück gefunden hat. Das Glück der Liebe, das Glück der Freundschaft, das Glück, gebraucht, anerkannt und allseits hochgeschätzt zu werden als Zeitzeugin, Ratgeberin, Mutmacherin. In Frankfurt gibt es wohl nur wenige Menschen, die so viel Achtung, Verehrung und Bewunderung genießen wie Trude Simonsohn. Sie, diese kleine Frau, ist eine große Autorität, ein wahrhaftiges Vorbild, eine bewundernswerte Persönlichkeit. Kein Wunder, dass Jutta Ebeling sie gebeten hat, zu ihrem Abschied aus dem Bürgermeisteramt eine Rede zu halten. Und ganz folgerichtig, dass die frühere Oberbürgermeisterin Petra Roth sie als eine Freundin betrachtet.

Trude Simonsohn hat als Zeitzeugin unzähligen Schülern und Erwachsenen anschaulich von einer Zeit berichtet, die man als Nachgeborener nur aus Büchern und Filmen kennt. Ihre Geschichten waren so ungewöhnlich und ergreifend, dass man ihr immer wieder sagte: "Sie müssen das aufschreiben." Ihre Antwort war stets dieselbe: "Ich kann erzählen, aber nicht schreiben." Nun hat sich doch eine Lösung gefunden: Trude Simonsohn erzählt, und ihre Freundin Elisabeth Abendroth schreibt auf.

Das so entstandene Erinnerungsbuch "Noch ein Glück" beginnt, wie sollte es anders sein, mit einem Glück, in diesem Fall einem echten Glück, dem Kindheitsglück der kleinen Trude in Olmütz. "Ich war ein glückliches Kind", lautet der erste Satz. Die Familie gehörte dem Bürgertum an, der Vater verdiente als Kommissionär für Getreide ordentlich, auch ihre Mutter hatte mit einem Hutladen lange Erfolg. Wahrscheinlich hätte der Vater, wenngleich Zionist, nie und nimmer Olmütz in Richtung Palästina verlassen. Er hat aber den Traum von einem eigenen jüdischen Staat an seine Tochter weitergegeben.

Nach dem Einmarsch der Wehrmacht in die Tschechoslowakei nahm der Antisemitismus derart zu, dass die junge Trude Simonsohn kurz vor ihrem 18. Geburtstag erklärte: "Ich werde das deutsche Gymnasium nie wieder betreten." Freundschaft und Unterstützung fand sie, die Sozialistin und Zionistin, in der zionistischen Jugendbewegung bei der Gruppe "Junge Makkabäer". Mit ihren Chaverim, wie sie sich gegenseitig nannten, bereitete sich die junge Frau in Landwirtschaftskursen auf die Auswanderung nach Palästina vor. Es war indes zu spät, die Falle war zugeschnappt, bevor sich die junge Zionistin ein Visum ergattern konnte.

Die wahre Tragödie begann für Trude Simonsohn freilich nach dem tödlich verlaufenen Attentat tschechischer Widerstandskämpfer auf Reinhard Heydrich, den berüchtigten "stellvertretenden Reichsprotektor von Böhmen und Mähren". Die nachfolgende Terrorwelle der Deutschen traf auch Trude Simonsohn, sie wurde, kommunistischer Widerstandsaktivitäten verdächtigt, im Juni 1942 verhaftet, durch mehrere Gefängnisse geschleppt, zuletzt in jenes von Olmütz, wo sie sechs Monate zubrachte. Dort erreichte sie die Nachricht vom Tod ihres Vaters in Dachau. "Ich fühlte mich von Gott und der Welt verlassen. Ich wünschte mir den Tod", sagt sie über jene Tage der völligen Verzweiflung in einer Einzelzelle.

Der Leiter der jüdischen Gemeinde von Olmütz konnte schließlich die deutschen Behörden davon überzeugen, dass Trude Simonsohn keine Kommunistin, sondern Zionistin war. So wurde sie nicht wie andere "Politische" nach Ravensbrück deportiert, sondern ins Lager Theresienstadt, wo das Überleben etwas leichter war und wo sie vor allem ihre Mutter und ihre Chaverim von den Jungen Makkabäern wieder traf. Dort hat Trude Simonsohn in der Betreuung von jungen Mädchen ihre Bestimmung und in dem aus Deutschland stammenden Juristen Berthold Simonsohn ihre große Liebe gefunden.

Die Verdammten von Theresienstadt haben sehr wohl gewusst, dass die Transporte, die regelmäßig von ihrem Lager abgingen, direkt zu den Gaskammern und Krematorien von Auschwitz fuhren. Trude Simonsohn hat es dank ihre Bekanntschaft mit dem Judenältesten im Frühsommer 1944 erreicht, dass der Name ihrer Mutter von der Transportliste gestrichen und durch einen anderen ersetzt wurde. "Ich habe das Leben meiner Mutter gegen ein anderes eingetauscht", stellt Trude Simonsohn unbeschönigt fest. Ihre Erkenntnis daraus lautet: "Mit sauberen Händen kommt keiner durch eine mörderische Diktatur." Am Ende ist die Mutter mit einem anderen Transport in den Tod gefahren. Und auch Trude und Berthold Simonsohn sind Auschwitz nicht entronnen. Wie sie dieses Todeslager überlebt hat, weiß Trude Simonsohn nicht mehr. Diese Amnesie nennt sie eine Ohnmacht der Seele, mit der sich ihr Geist vor dem Grauen geschützt habe. Nach der Räumung von Auschwitz wegen der näher rückenden Roten Armee gelang es Trude Simonsohn und einigen Mithäftlingen, im Durcheinander der Flüchtlingstrecks unterzutauchen. Kurz vor Kriegsende wurden sie allerdings noch einmal gefangen genommen und in ein Außenlager von Groß-Rosen gebracht, wo sie am 9. Mai 1945 russische Soldaten befreiten. Das Wunder war, dass auch ihr Mann überlebt hatte.

Seinetwegen hat es Trude Simonsohn auf sich genommen, nach Deutschland überzusiedeln. Für einige Monate hatte Trude Simonsohn ihren zionistischen Traum verwirklicht und war mit ihrem Mann nach Israel gezogen. Doch das Hebräische war für einen sprachfixierten Intellektuellen wie Berthold Simonsohn ein zu großes Hindernis. Das Ehepaar kehrte zurück. Mit den Jahren ist Frankfurt Trude Simonsohns Stadt geworden. "Heute kann ich sagen, dass ich vielleicht nicht in Deutschland, ganz sicher aber in Frankfurt zu Hause bin", schreibt sie. Die Stadt am Main darf sich geehrt fühlen.

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»Es gibt nicht mehr viele Menschen, die als Zeitzeugen berichten können und wollen, und das in einer solchen Klarheit.« (Christoph Schröder, Journal Frankfurt, 09/13) »Eine eindrucksvolle Lektüre, die man sich nicht entgehen lassen sollte.« (frankfurter-blog.de, 02.04.2013)