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Im Dezember 1912 wurde in Ägypten die etwa 3300 Jahre alte Büste der Nofretete von dem deutschen Archäologen Ludwig Borchardt ausgegraben. 1913 kam sie nach Berlin. Derzeit ist das Porträt der Ehefrau des Pharaos Echnaton die Hauptattraktion im Berliner Neuen Museum. Die Rückgabe der Nofretete an Ägypten wird seit 1925 regelmäßig gefordert, zuletzt mit zunehmendem Druck durch Zahi Hawass, den Generalsekretär der ägyptischen Altertümerverwaltung in Kairo. Nun bringt ein vor zwei Jahren in Paris neu entdecktes Aktenkonvolut überraschende Erkenntnisse zutage: Der bis heute andauernde Streit ist…mehr

Produktbeschreibung
Im Dezember 1912 wurde in Ägypten die etwa 3300 Jahre alte Büste der Nofretete von dem deutschen Archäologen Ludwig Borchardt ausgegraben. 1913 kam sie nach Berlin. Derzeit ist das Porträt der Ehefrau des Pharaos Echnaton die Hauptattraktion im Berliner Neuen Museum. Die Rückgabe der Nofretete an Ägypten wird seit 1925 regelmäßig gefordert, zuletzt mit zunehmendem Druck durch Zahi Hawass, den Generalsekretär der ägyptischen Altertümerverwaltung in Kairo. Nun bringt ein vor zwei Jahren in Paris neu entdecktes Aktenkonvolut überraschende Erkenntnisse zutage: Der bis heute andauernde Streit ist eine Folge der deutsch-französischen Feindschaft im und nach dem Ersten Weltkrieg. Das Buch von Bénédicte Savoy bietet eine kommentierte deutsch-französische Edition der Akte »Nofretete« der französischen Altertümerverwaltung in Kairo als Beitrag zur historischen Transparenz und Versachlichung einer weitestgehend emotional geführten Diskussion. Eine ausführliche Einleitung skizziert den historischen Rahmen dieses »Grabenkrieges« um die ägyptische Schönheit und stellt eine zentrale Frage in den Mittelpunkt: Wie steht es um die Verantwortung Europas im Umgang mit dem in der Kolonialzeit erworbenen Eigentum?
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Autorenporträt
Bénédicte Savoy ist Professorin für Kunstgeschichte am Institut für Kunstwissenschaft und Historische Urbanistik der TU Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.11.2011

Als eminente Gelehrte mit bestürzender Schärfe ihren Hass zeigten

Auf den neu entfachten deutsch-französischen Streit um die Rückgabe der Nofretete-Büste reagiert Bénédicte Savoy.

Von Dieter Bartetzko

Nefertiti? Wenige in Deutschland, wo die weltberühmte Büste der Nofretete aufbewahrt wird, kennen die englische und französische Form ihres Namens. Völlig unbekannt war bisher die Akte "Tete de Néfertiti 1925 - 1931" der französischen Altertümerverwaltung, die Paris verwahrt. Die französische, in Berlin lehrende Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy hat sie nun übersetzt und publiziert. Sie reagiert damit auf den seit einigen Jahren neu angefachten Streit um die Rückgabe der Büste.

Savoys minutiöse, anschauliche und flüssig geschriebene Untersuchung ist ein Versuch, der Verantwortung gerecht zu werden, in der die Kunsthistorikerin die moderne Archäologie sieht: "Zu Beginn des 21. Jahrhunderts ist in aller Klarheit deutlich geworden, dass für Museen, Regierungen und Historiker die komplexe Frage der Restitution von Museumsobjekten, die in der Kolonialzeit ihren ursprünglichen Boden verließen, eine der großen Herausforderungen ist."

Folgerichtig schildert die Autorin zunächst, wie sich bei Nofretete das Verlassen des "ursprünglichen Bodens" abspielte: Am 6. Dezember 1912 entdeckte der deutsche Archäologe Ludwig Borchardt in Tell Amarna, dem Überrest der Hauptstadt des Pharao Echnatons und seiner Gemahlin Nofretete, die Büste. Am 20. Januar 1913 befindet sie sich unter mehreren Fundstücken, die gemäß einer neuen Verordnung der britischen Verwaltung "moitié exacte", also in zwei gleiche Hälften zwischen Deutschland und der französischen, Ägypten vertretenden Altertümerverwaltung geteilt werden sollen. Der Beauftragte Gustave Lefebvre wählt einen herrlichen, reliefierten steinernen Klappaltar, an Borchardt fällt der "bunte Kopf einer Prinzessin", der zwölf Jahre später das Entzücken der Welt werden wird.

Er bedauere zutiefst, heißt es in einem Brief Borchardts an Gaston Maspero, den damaligen Direktor des Nationalmuseums in Kairo, dass "zusammengehörige Funde zerrissen werden mussten". Dieser teilt die Ansicht. Denn im Wettlauf mit neuen Bewässerungssystemen, die viele noch im Erdreich verborgene altägyptische Objekte zu ruinieren drohten, sah er die einzige Rettung in ultraliberaler Ausgrabungspolitik. Maspero lud Archäologen aus allen Ländern Europas und Amerikas ein und überließ ihnen äußerst großzügig Funde.

Das Wettrennen der Ausgräber aber - und mit ihm die Ägyptologie - wurde zur nationalistischen "Schlacht um die intellektuelle Vorherrschaft, in der herausragende Gelehrte mit bestürzender Schärfe ihren Hass auf den Feind bekundeten".

Die Schlacht eskalierte während des Ersten Weltkriegs, wandte sich gegen die Deutschen und wurde nach 1918 fortgeführt. Pierre Lacau, seit 1914 Direktor des Museums in Kairo, schrieb 1919, es sei ihm "absolut unmöglich, an eine Zusammenarbeit mit einem Deutschen auch nur zu denken". Er war es auch, der 1924, als in Berlin die Nofretete-Büste erstmals öffentlich ausgestellt wurde und sofort Sensation machte, mit scharfen Worten ihre Rückgabe forderte; der ägyptische Staat schloss sich an. Bis 1956, als Ägypten die Altertümerverwaltung in die eigene Hand nahm, dauerte der Konflikt an, Ende der neunziger Jahre erneuerte er sich. Wie 1925, als man die Vorwürfe, Borchardt habe betrogen, mit einer Publikation hätte entkräften können, bleiben auch heute die Teilungsprotokolle von 1913 unveröffentlicht. Selbst wenn sie wider Erwarten Tricks belegten, würde sich nichts an der Korrektheit und Gültigkeit der Übergabe ändern. Wohl aber am Bewusstsein vieler Deutscher, meint Savoy. Durch die NS-Raubzüge verstört, sind ihre Politiker und Archäologen leichter als andere betroffene Staaten von Appellen zu verunsichern.

Auch Bénédicte Savoy sympathisiert mit den Rückgabewilligen: Der "überwältigende Eindruck des arabischen Frühlings" lasse erkennen, "wie unzeitgemäß der kulturell determinierte Blick auf eine für demokratische Prozesse angeblich wenig prädestinierte Region war". Zu den Plünderungen im Nationalmuseum und der bisherigen Praxis Ägyptens, seine Altertümer hemmungslos als Geldeinnahmequelle zu nutzen, äußert sich die Autorin in diesem Zusammenhang leider nicht.

Bénédicte Savoy (Hrsg.): "Nofretete". Eine deutsch-französische Affäre 1912 - 1931.

Böhlau Verlag, Wien, Köln, Weimar 2011. 229 S., Abb., br., 24,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Sehr spannend liest sich, was Dieter Bartetzko als Geschichte der Nofretete-Büste und der Ansprüche, die auf sie erhoben werden, aus dem Buch nacherzählt. Der Fund, zu dem die Büste gehörte, musste seinerzeit zwischen deutschen und britischen Archäologen geteilt werden, und zwar auf Weisung der französischen Denkmalsbehörde, die offenbar treuhänderisch für die Ägypter die Grabungen überwachte und Fundstücke zuwies. Diese Zuweisungen waren damals äußerst großzügig, auch weil ein neues Bewässerungssystem viele Altertümer zu zerstören drohte. Später gab es unendlichen Streit um den "bunten Kopf einer Prinzessin", der wohl nicht gleich als Ikone erkannt wurde, erzäht Bartetzko. Die französische Autorin, so Bartetzko, sympathisiere mit der Forderung nach Rückgabe. Schon angesichts des bislang höchst unseriösen Umgangs der Ägypter mit ihren Altertümern mag der Rezensent ihr allerdings nicht folgen.

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