»Pumpend entlade ich mich ganz gut. Zum Bersten geladen bin ich, wenn gesund und genährt. Auch malend kann man sich entladen. Was ich lernen will: meine Kraft in den Text pumpen; mit Druck an die Maschine gehen und dabei nicht wahnsinnig werden, mich schreibend verausgaben; das Kribbeln in den
Schenkeln in Konzentration verwandeln, allen Strom ins Hirn (ab)leiten, den allzu lebendigen Leib vor den…mehr»Pumpend entlade ich mich ganz gut. Zum Bersten geladen bin ich, wenn gesund und genährt. Auch malend kann man sich entladen. Was ich lernen will: meine Kraft in den Text pumpen; mit Druck an die Maschine gehen und dabei nicht wahnsinnig werden, mich schreibend verausgaben; das Kribbeln in den Schenkeln in Konzentration verwandeln, allen Strom ins Hirn (ab)leiten, den allzu lebendigen Leib vor den Karren der Sprache spannen. Druck zeugt Sprachgewalt pro Papierfläche: Diese Utopie wahr zu machen wohl meine Lebensaufgabe.«
Mit energiegeladen Textfetzen steigt »Noon« ein. Aus Erzählanläufen, Aufzählungen und Notizen geht hervor, sie ist pleite, zieht von Karlsruhe nach Hamburg, sie malt und möchte alles in dieses Buch pumpen, an ihren zentralen Roman »Coming of Karlo« anschließen.
»Noon« ist anstrengend, bereitet Freude, lädt ein zum halbbewussten Eintauchen in azzozoatitive, melodiöse, provokativ-intensive Sprachgefilde. Der Text ist fragmentiert, hat eine inspirierende Energie und Harmonie. Wo die Energie implodiert, ins Depressive und Essgestörte fließt, nervt Noon und ich bin mehrmals kurz davor, es in die Ausgelesen-Abgebrochen-Ecke zu pfeffern. Doch dann kommen Sätze wie »Im Idealfall ist Kunst so stillos wie die Wirklichkeit«, der Text fängt mich wieder ein und ich genieße die Parolen, das Ringen um Sprache, die präzisen Formulierungen, die Provokation und den Rhythmus. Kränzler kombiniert erzählskizzierte Gedanken, Dialogerinnerungen, Reflexionen, sie arrangiert sie, rearrangiert, ringt um Genauigkeit.
Wer Spaß an experimenteller Literatur hat, an »Tagebuch-Prosa«, an Ästhetik und an Sprache selbst, es provokant, klug, melodiös mag, lasse sich ein auf »Noon«. Wahrscheinlich steigt der Genuss für all jene, die die Bezüge zu »Coming of Karlo« einzuordnen wissen. Es ist aber auch so eine wohltuende Abwechslung zu all der Plotgetriebenen, um Realitäten ringenden Gegenwartsliteraturen.