Nora hat ein Problem, das für eine Leseratte wie mich erstmal klingt wie ein wahr gewordener Traum: wenn sie etwas liest – und da reichen schon ein paar Worte! –, dann fällt sie hinein in die Welt des Buches. Hach ja, was könnte man damit nicht alles anfangen... Endlich mal Hogwarts besuchen, im
Auenland mit den Hobbit speisen oder an der Tür der Baker Street 221b anklopfen!
Dummerweise hat die…mehrNora hat ein Problem, das für eine Leseratte wie mich erstmal klingt wie ein wahr gewordener Traum: wenn sie etwas liest – und da reichen schon ein paar Worte! –, dann fällt sie hinein in die Welt des Buches. Hach ja, was könnte man damit nicht alles anfangen... Endlich mal Hogwarts besuchen, im Auenland mit den Hobbit speisen oder an der Tür der Baker Street 221b anklopfen!
Dummerweise hat die Sache einen Haken. Erstens sind Buchwelten meist nicht ungefährlich und Nora möchte lieber nicht sterben, und zweitens ist sie dort gefangen, bis jemand das Buch zuklappt. Eine Therapie soll Abhilfe schaffen; obwohl Nora bei der Vorstellung das Herz blutet, möchte sie per Hypnose das Lesen verlernen. Dummerweise besteht Therapeut Ben auf einer Demonstration, und schon finden sich die beiden in der Welt des Fantasyschmökers wieder, den er gerade griffbereit hatte...
Die Grundidee fand ich natürlich direkt ansprechend und interessant, denn bei einem Buch über Bücher hüpft das bibliophile Herz! Und in meinen Augen wird die Autorin dieser Idee auch mehr als gerecht, indem sie die Geschichte spannend, unterhaltsam und oft auch witzig erzählt, wobei natürlich die ein oder andere unerwartete Wendung nicht fehlt.
Es hat mir sehr viel Spaß gemacht, Ben und Nora dabei zuzusehen, wie sie versuchen, sich einfach nur unauffällig durch die Geschichte zu mogeln. 'Bloß nichts verändern!' ist dabei die Devise – und das klappt gefühlte fünf Minuten, bis Ben aus Versehen den Ausgang eines Kampfes beeinflusst Bevor sie sich versehen, finden die beiden sich ausgerechnet im Gefolge des Mannes wieder, der laut Ben der Bösewicht des Buches ist: Keldan, der Magier, der darauf aus ist, seinen Neffen vom Thron zu stoßen und selber die Macht zu übernehmen.
Als Leser fragt man sich allerdings schnell, ob Prinz Luar wirklich der Held des Buches ist, wie Ben behauptet, denn der ist ein absoluter Widerling...
Die wichtigsten Charaktere fand ich gut geschrieben, sehr lebendig und glaubhaft, was auch für die gilt, die eigentlich nur Figuren sind in diesem Buch im Buch. Ben und Nora waren mir von Anfang an sehr sympathisch, und ich war hin- und hergerissen, weil mir auch Antagonist Keldan schnell gut gefiel. Er ist meines Erachtens besonders geschickt geschrieben, weil es die Autorin dem Leser nicht einfach macht, ihn wirklich als gut oder böse einzuordnen! Prinz Luar ist dagegen recht eindimensional, weil man von ihm eigentlich nur mitbekommt, dass er ein selbstverliebter Angeber und Frauenheld ist.
Ein Highlight waren für mich Elissa, die unfreiwillige Braut des Prinzen, die ihr Schicksal beherzt und mutig anpackt, und der freche, oft sarkastische Mini-Drache Rashuk, dessen Ego mit Sicherheit zehnmal so groß ist wie sein kleiner Körper. (Oder zumindest dachte ich das. Habe ich schon erwähnt, dass es unerwartete Wendungen gibt?) Über die kleine Echse musste ich mehr als einmal lachen.
So gut mir Ben und Nora auch gefielen, muss ich dennoch anmerken, dass sie im letzten Teil des Buches beide eine Wandlung durchmachen, bei der ich manches Mal ungläubig den Kopf schüttelte. Beide entwickeln für meine Begriffe einen unglaublichen Egoismus und tappen in etwas, das ich im Stillen immer die 'Fallgrube der unbegreiflichen Sprachlosigkeit' nenne: wenn sich die Probleme von Buchcharakteren eigentlich dadurch lösen oder zumindest verringern ließen, indem sie einfach ehrlich miteinander reden. Nicht, dass ich beide nicht auch irgendwie verstehen konnte, aber gegen Ende fand ich ihr Verhalten doch sehr drastisch verändert.
Für Leser, die allergisch gegen Romantik sind, ist das Buch vielleicht nichts, aber die Liebesgeschichte ist erstens nicht so, wie man es erwarten würde, und zweitens auch nicht so zentral, dass sie die eigentliche Handlung verdrängt.
Der Schreibstil ist sehr locker und leicht zu lesen, dabei aber durchaus interessant und mit bildlichen Details, so dass man sich das Geschehen gut vorstellen kann.