Ricarda Oertels Küstenkrimi „Nordfinsternis“ ist im April 2019 bei Emons erschienen und umfasst 256 Seiten.
Miriam führt ein auf den ersten Blick perfektes Leben: Sie hat einen guten Job, ein Häuschen und dazu einen sie liebenden Ehemann. Doch mit der Geburt ihrer Tochter, Pia, beginnen Albträume
und Panikattacke ihr Leben zu bestimmen. Als dann auch noch ihre Tante, Edith, stirbt, steht für sie…mehrRicarda Oertels Küstenkrimi „Nordfinsternis“ ist im April 2019 bei Emons erschienen und umfasst 256 Seiten.
Miriam führt ein auf den ersten Blick perfektes Leben: Sie hat einen guten Job, ein Häuschen und dazu einen sie liebenden Ehemann. Doch mit der Geburt ihrer Tochter, Pia, beginnen Albträume und Panikattacke ihr Leben zu bestimmen. Als dann auch noch ihre Tante, Edith, stirbt, steht für sie fest: In ihrer Vergangenheit schlummern dunkle Geheimnisse, denen sie sich stellen muss. Also begibt sie sich auf die Suche …
Auch wenn das Buch vom Verlag als „Küstenkrimi“ deklariert ist, handelt es sich bei diesem eher um einen psychologischen Spannungsroman, was seiner Qualität allerdings keinen Abbruch tut.
Der Roman beginnt mit einer düsteren Reise in die Vergangenheit, die bei Leserinnen und Lesern gleich eine Menge Fragen und finstere Vorahnungen aufwirft: Was mag sich in diesem dunklen Kellerloch abgespielt haben? Wessen Erinnerungen begegnet man hier? Mit einem Sprung in die Gegenwart lernt man die Protagonistin und ihre Familie kennen, mit dem Tod der Tante schließlich wird offenbar, dass in den Tiefen dieser Familie bedrückende Geheimnisse lauern. Hier setzt dann auch der Spannungsbogen ein, der bis zum Schluss nicht abreißen will und die Lesenden immer wieder zum Grübeln bringt. Das Geschehen endet schließlich in einem dramatischen Finale, in dem die Familiengeschichte lückenlos aufgeklärt wird.
Der Roman ist fast durchweg im Präsens geschrieben, was die Leser/innen hautnah am Geschehen teilhaben lässt und somit ein ansprechendes Mittel der Dramaturgie darstellt. Die am Ende der meisten Kapitel sich befindenden kursiv gedruckten Passagen sind ebenfalls als Spannungselement zu nennen, fragt man sich doch immer wieder, wer hinter den dort geschilderten Gedanken steckt und welches Geheimnis es zu verbergen gilt. Gerade diese Elemente sind es, die beim Lesen immer wieder dazu zwingen, schon vorgefertigte Meinungen zu hinterfragen und „am Ball zu bleiben“, weil man dem Geheimnis einfach auf die Spur kommen möchte.
Ricarda Oertel zeichnet ihre Charaktere plastisch und vielschichtig. Beständig schwanken die Sympathien beim Lesen hin und her; letztlich stellen die Leser/innen fest: Man muss den Menschen in seiner Ganzheit, mit seiner Geschichte, betrachten, statt sich vom ersten Eindruck blenden zu lassen.
Sprache und Stil der Autorin sind bildhaft, eingängig und flüssig, an einigen Stellen fast schon poetisch zu lesen; durch die Figur von Christa Blotenberg, der Nachbarin, die in einem gut verständlichen norddeutschen Dialekt spricht, kommen auch regionale Aspekte zum Tragen, die ich im Roman ansonsten allerdings vermisst habe, sind sie mir persönlich bei Regionalkrimis doch wichtig.
Ein den Roman durchziehendes Thema ist Tod und Sterben: Insbesondere durch Bezüge zu Astrid Lindgrens Märchen „Sonnenau“ und das Schicksal von Miriams Vater werden Lesende immer wieder dazu angeregt, sich damit auseinanderzusetzen.
Alles in allem präsentiert Ricarda Oertel mit „Nordfinsternis“ einen wirklich fesselnden psychologischen Spannungsroman, der Leserinnen und Leser in seinen Bann zieht, und den ich allen Freund/innen spannungsgeladener Literatur bedenkenlos empfehlen kann. Nur einen Kriminalroman im klassischen Sinne und viel Küstenflair sollte man eben nicht erwarten.