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Produktdetails
  • Verlag: Jonas Verlag
  • Seitenzahl: 192
  • Abmessung: 230mm
  • Gewicht: 367g
  • ISBN-13: 9783894453695
  • Artikelnr.: 20867564

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Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 02.03.2007

EIN AUFSATZ
Fahrschein, Luftballon, Jungfrau
Der Soennecken-Locher und das neue Ordnungsgefühl
Viel ist in den letzten Jahren über das Verhältnis von Gesellschaft und Technik gesagt und geschrieben worden; vor allem der Bereich der Medizin ist ins Blickfeld geraten, aber auch der Verkehr sowie unsere Wahrnehmung. Auch die Hessischen Blätter für Volks- und Kulturforschung widmen ihren neuesten Band unter dem Titel „Normieren, Standardisieren, Vereinheitlichen” dieser Frage (Jonas Verlag, 192 Seiten, 30 Euro). Dabei geht es den Herausgebern des Sammelbandes, Saskia Frank und Sonja Windmüller, nicht um die großen Linien der gegenseitigen Durchdringung, sondern um die Technisierung unseres Alltags. Sie ist für uns so selbstverständlich geworden, dass wir sie kaum mehr zur Kenntnis nehmen.
Ein Beispiel liefert Bernd Stübing mit seinem kleinen Aufsatz „Dinge der Ordnung. Locher, lochen, Löcher”. Man kann nur hoffen, dass aus dem Text einmal eine größere Arbeit entsteht. Der junge Wissenschaftler schildert anhand von Patentschriften der Schreibwarenfabrik Friedrich Soennecken die Entwicklung des Handlochers mit seinem genormten Lochdurchmesser von 5,5 Millimeter. Die Nr. 236 in Soenneckens Produktpalette aus dem Jahr 1886 markiert eine Revolution in der Geschichte des Bürowesens. Hand in Hand damit geht die Geschichte des Leitz-Ordners: „Ein völlig neues Ordnungsgefühl” verspricht um 1900 eine Broschüre der Firma Leitz.
Doch Stübing bleibt nicht bei der Produktgeschichte stehen; er beleuchtet auch die Frage nach der Bedeutung eines Loches an sich. Das Erzeugen von Löchern ist ein aggressiver, unumkehrbarer Akt. Stübing verweist auf Tucholsky und seinen Text „Zur soziologischen Psychologie der Löcher” von 1931. „Manche Gegenstände werden durch ein einziges Löchlein entwertet”, heißt es da, und als Beispiele führte der Schriftsteller den Fahrschein, den Luftballon, die Jungfrau an. Der Zusammenhang der Perforation mit Gewalt und Tod wird endgültig ersichtlich, wenn man, wie Stübing das tut, eine weitere Parallelerfindung hinzunimmt. Die Rede ist von Herman Holleriths 1887 patentierter Lochkartenzählmaschine. Ihre Nachfolgemodelle spielten bei der Verwaltung der NS-Vernichtungsmaschinerie eine zentrale Rolle. Stübing verweist in diesem Zusammenhang auf Edwin Black und dessen nicht unumstrittenes Buch „IBM und der Holocaust”. Er lässt allerdings außer Acht, dass bereits früher die Historiker Götz Aly und Karl Heinz Roth in ihrer Studie „Die restlose Erfassung” sich mit diesem Thema auseinandergesetzt haben. FLORIAN WELLE
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